Mark Kadin und das Bulgarische RSO

Beethovens Schlachtenlärm

Der Dirigent Mark Kadin, Chefdirigent des Bulgarischen Rundfunk-Symphonieorchesters
Organisiert das musikalische Schlachtengetümmel in Sofia - der Dirigent Mark Kadin © Website Mark Kadin
Moderation: Volker Michael · 05.01.2020
Das Bulgarische Sinfonieorchester eröffnet unter Leitung seines Chefdirigenten Mark Kadin das Beethovenjahr mit einem Konzert ausschließlich mit Werken der Gattung "Kriegsmusik". Die war ausgehend von Beethovens "Wellingtons Sieg" im 19. Jahrhundert sehr beliebt.
Alles dreht sich um Napoleon - die Kriege, Siege und Niederlagen des französischen Herrschers inspirierten zu Lebzeiten und noch lange danach die Komponisten. Legendär ist Ludwig van Beethovens Hassliebe dem Korsen gegenüber. Zuerst verehrte er ihn, dann widerrief er alle Sympathien und Widmungen und freute sich schließlich laut hörbar über die Niederlagen der Franzosen gegen die Engländer im Baskenland.

Lärmende Schadenfreude

Sein Werk "Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria" op. 91 wurde 1813 - wenige Monate nach der titelgebenden Schlacht - erstmals auf die Konzertbühne gebracht. Die Menschen waren begeistert und vergaßen so zum Beispiel die 7. Sinfonie des Meisters, die an diesem Abend ebenfalls uraufgeführt worden war. Das Stück für ein enorm aufgeblähtes Orchester (bei der Aufführung wirkten so berühmte Kollegen wie Antonio Salieri, Giacomo Meyerbeer und Ignaz Moscheles mit) wurde eigentlich für ein mechanisches Rieseninstrument, das Panharmonikon, komponiert. Bald darauf machte Beethoven daraus eine plakative Klangstudie für ein echtes Orchester, eine Art hörbares Schlachtengemälde, das dem Komponisten damals viel Ruhm und Geld einbrachte.
Der Dirigent Mark Kadin leitet das Krasnojarsker Symphonieorchester bei einem Open-Air-Konzert
Der Dirigent Mark Kadin leitet das Krasnojarsker Symphonieorchester bei einem Open-Air-Konzert© Website Mark Kadin
Mit den Schlachten Napoleons, die in Russland stattfanden, beschäftigen sich gleich zwei Komponisten - der "polnische Mozart" Karol Kurpiński und Peter Tschaikowsky. Kurpiński war direkter Zeitzeuge - durch Warschau wogten die französischen Truppen ostwärts und dann wieder zurück. Da die polnischen Patrioten auf Seiten Napoleons standen, spürt man in dem Schlachtenwerk Kurpińskis keine Schadenfreude oder irgendein Triumphgeheul. Das liegt sicher auch daran, dass sich der erfolgreiche Opern- und Konzertkomponist als empfindsamer Klassiker verstand, der sich nicht mit Lärmmaschinen anfreunden wollte, anders als der Kollege Beethoven zur gleichen Zeit in Wien.

Sicheres Gespür für Effekte

Peter Tschaikowsky wiederum besaß die Distanz des Nachgeborenen und dennoch ein sicheres Gespür für musikalische Effekte. 70 Jahre nach denselben Schlachten, die Kurpiński beschrieben hatte, komponierte er seine martialisch-patriotische "Ouvertüre 1812". Dieses Werk ist ungleich beliebter und weniger berüchtigt als Beethovens "Wellingtons Sieg", denn es folgt nicht der Idee einer mechanistischen Behandlung von Geräuschen und Klängen, die ein großes Orchester erzeugen kann.

Eine Heroische Ouvertüre

Eine kleine Ausnahme in diesem Programm, das Mark Kadin, der Chefdirigent des Bulgarischen Rundfunk-Symphonieorchesters geleitet hat, bestand in einer Schlachtenmusik aus dem viel gewalttätigeren 20. Jahrhundert. Der bulgarische Komponist Bojan Ikonomow widmete seine Heroische Ouvertüre dem Einsatz der bulgarischen Armee gegen das kurz zuvor noch verbündete Nazi-Deutschland kurz vor Kriegsende. Am Fluss Drau auf ungarischem Territorium kämpften bulgarische Soldaten gemeinsam mit der Roten Armee und Jugoslawischen Einheiten gegen deutsche Truppen und errangen einen Sieg.
Siege zu feiern, dafür stehen diese Schlachtenmusiken aus zwei Jahrhunderten. Was danach passierte, wieviele Opfer die Schlachten forderten, davon erzählen andere Musikstücke.
Bulgaria Halle, Sofia
Aufzeichnung vom 29. November 2019
Karol Kurpiński
"Die Schlacht von Mozajsk"
Ludwig van Beethoven
"Wellingtons Sieg oder Die Schlacht bei Vittoria" op. 91
Bojan Ikonomow
"Tage auf der Drau 1945", Heroische Ouvertüre
Peter Tschaikowsky
Ouvertüre "1812" Es-Dur op. 49

Bulgarisches Rundfunk-Symphonieorchester
Leitung: Mark Kadin

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