Marina Diamandis: "Ancient Dreams in a modern Land"

Keine Musik für die Komfortzone

09:27 Minuten
Pressebild zum neuen Album. Die Künstlerin Marina steht vor einer blauen Wand, um sie herum ranken sich Blumenzweige.
Marina erfindet sich mit jeder Veröffentlichung neu. Auf ihrem neuen Album ruft sie zum Umdenken und zum Protest auf. © Atlantic Records
Benedict Weskott im Gespräch mit Andreas Müller · 15.06.2021
Audio herunterladen
Marina Diamandis ist es noch nie schwer gefallen, mit klaren Songtexten auf Probleme hinzuweisen. Auch ihr neues Album ist eine knallharte Abrechnung mit patriarchaler Gewalt, Sexismus, der Klimakrise, dem Wohlstandsgefälle und dem Rassismus.
Vor drei Jahren vollzog Marina Diamandis einen radikalen Bruch mit ihrer künstlerischen Vergangenheit, berichtet der Musikkritiker Benedict Weskott. Auf Twitter kündigte sie an, fortan nur noch unter dem Namen Marina aufzutreten.
Unter ihrem Pseudonym "Marina and the Diamonds" hatte sie bereits Jahre zuvor in dem Song "Hollywood" mit den Reichen und Schönen abgerechnet. Auf ihrem neuen Album "Ancient Dreams in a modern Land" zieht sie nun Parallelen zwischen Umweltzerstörung, Kapitalismus und der Unterdrückung von indigenen Minderheiten, Frauen und transgeschlechtlichen Menschen.
In einem Song singt sie: "Unsere Vorfahren mussten ums Überleben kämpfen / Nur damit wir eine Chance auf ein Leben haben / Wir sind nicht hier, damit wir alles vermasseln können / Wir könnten Zeuge des Aufstiegs und des Falls sein".

Ein Appell mit rauen Gitarrenriffs

"Ich sehe den Song und die ganze Platte als Appell", sagt Weskott. Das werde am Song "Purge The Poison" ("Beseitigt das Gift") deutlich. Darin nehme sie die Rolle von "Mutter Erde" ein. Der Botschaft verleihe sie mit einer Mischung aus donnerndem Electropop und rauen Gitarrenriffs Nachdruck.
Marina erfindet sich mit jeder Veröffentlichung neu. Dieses Konzept der "künstlerischen Äras" habe sie entscheidend mitgeprägt, erzählt Weskott. Jedes Album habe eine komplett neue Ästhetik.

Zwischen Romantisierung und Fantasie

"Ancient Dreams in a Modern Land" sei wahlweise Cottage Core, also die Romantisierung von naturverbundenem Leben, und dann wieder psychedelische 70er-Jahre-Fantasie. Die Musikvideos sind in einer VHS-Optik gehalten, Marina trägt schrille Klamotten im Club oder wallende Gewänder und Kopftuch in der Natur.
Der Widerspruch, den das Album immer wieder hervorhebe, bestehe in der hochkomplexen, technisierten Welt auf der einen und der Rückkehr zur Natur auf der anderen Seite. Das Album sei eine knallharte Abrechnung mit patriarchaler Gewalt, mit Sexismus und Queerfeindlichkeit, mit ungleicher Bezahlung, mit der Klimakrise, dem Wohlstandsgefälle und dem Rassismus, so Weskott.
Marina rufe zum Umdenken und zum Protest auf. In einem Song heißt es: "Während die Gesellschaft untergeht, reformieren wir uns im Stillen / Beschützen den Planeten, heilen unseren eigenen Schaden." Marina schaffe es auf dem Album, die intersektionale Verschränkung von Ungerechtigkeiten deutlich zu machen, so Weskott. Auch die Musik passe dazu und sei nicht für die Komfortzone gemacht.
(nis)
Mehr zum Thema