"Maria voll der Gnade"

Von Aishe Malekshahi · 19.04.2005
Joshua Marston erzählt in seinem Film "Maria voll der Gnade" die Geschichte der 17-jährigen Kolumbianerin Maria, die aus der Not heraus beginnt als Drogenkurier zu arbeiten. Realistisch zeigt Marston, wie der Drogenschmuggel vonstatten geht und welche Verzweiflung hinter der Tat steckt.
Geschichten von Migranten faszinieren Joshua Marston. Sobald er jemanden mit einem fremden Akzent hört, muss er ihn nach seiner Lebensgeschichte fragen, erzählt der 36-Jährige lächelnd. Eine Obsession von ihm. Und in Brooklyn, wo der Regisseur lebt – hört er viel.

"Ich hörte die Geschichte von Einem, der als Drogenkurier hierher kam. Ein so genannter Maulesel. Für mich war das ein interessantes, wichtiges Thema, das ich gründlicher recherchieren wollte. Die Aspekte der Migration – aber auch die Geschichte einer jungen Frau zu schildern, die ihren Platz in der Welt sucht und auch den Sinn ihres Lebens. Mein Ziel war es, beide Aspekte zu verbinden."

In Maria voll der Gnade ist ihm dies gelungen. Joshua Marston erzählt die Geschichte der 17-jährigen Maria, die mit anderen Frauen im Akkord auf einer Rosenplantage schuftet, ihren Lohn an die Familie abgeben muss und zu guter Letzt, auch noch schwanger wird von ihrem Freund. Stoff für ein Melodram. Maria – eindringlich gespielt von Catalina Sandino Moreno – entwickelt aus dieser ganzen Misere eine große Kraft. Rebelliert gegen die widrigen Umstände und lässt sich als Drogenkurier anwerben. Ungeheuer realistisch zeigt Marston, wie Maria 62 daumengroße Heroinpäckchen schluckt oder besser gesagt, herunterwürgt. Die Verzweiflung, die hinter dieser Tat steckt, hat Joshua Marston beschäftigt.

"Es war gar nicht so schwer, im Gefängnis mit ehemaligen Drogenkurieren zu reden. Wohl auch, weil ich sehr interessiert an ihrer Arbeit war. Wie es zum Beispiel technisch ablief? Wie man sich präpariert? Was ist das für ein Gefühl, wenn man mit Drogen im Magen ein Flugzeug besteigt? Und was ist ihre Motivation? Dies wollte ich verstehen, das war mein Ziel."

Die Motivation ist natürlich das Geld: 5000 Dollar erhält ein Kurier für einen Trip, wenn alles gut verläuft. Doch der Film zeigt auch das Risiko, wenn ein Heroinpäckchen im Magen aufplatzt und der Kurier stirbt. Tragische Geschichten, die weniger im Bewusstsein der Öffentlichkeit sind. Bei seinen Recherchen sprach Joshua Marston auch mit Orlando Tobón. Ein Kolumbianer, der in Brooklyn ein Reisebüro führt – jedoch mit ganz anderen "Geschäften" konfrontiert ist:

"Vor 20 Jahren bekam er einen Anruf aus Kolumbien, von jemandem, den er nicht kannte und der ihm sagte: Unser Sohn ist vor einer Woche in die Staaten gereist und wir haben nichts von ihm gehört. Wir sind besorgt. Können Sie uns helfen? Er machte einige Anrufe und fand heraus, dass der Sohn ein Drogenkurier war, der umkam. Die Familie hatte keine Ahnung. Tobon informierte sie und erledigte die Formalitäten, damit der Verstorbene in seiner Heimat zurückgeführt werden konnte, um dort christlich begraben zu werden."

Seit jenem Anruf hat Orlando Tobón mehr als vierhundert Familien von Drogenkurieren helfen müssen. Die Arbeit des Kolumbianers hat den Regisseur Marston so sehr beeindruckt, dass er ihn bat, sich gleich selber im Film zu spielen. Tobón nahm an. Wohl auch, weil er nicht der einzige Laie unter den Schauspielern war. Denn selbst die Hauptdarstellerin Moreno ist kein Profi. Vielleicht gibt dies dem Film "Maria voll der Gnade" seine große, authentische Kraft. Ein aufrüttelnder Film mit einer klaren Botschaft.

"Für eine Regierung ist es einfach diese Kuriere ins Gefängnis zu stecken. Sie zu verurteilen, zu dämonisieren. Jemand der als Drogenkurier - als so genannter Maulesel gearbeitet hat, wird wie ein Tier behandelt. Wie Dreck, Schmutz! Es gibt kein Interesse, ihn als Mensch, als Individuum wahrzunehmen oder sich mit seinen Beweggründen auseinanderzusetzen. Mein Ziel war es, ihnen ihre Menschlichkeit und Würde wieder zurückzugeben. "

Service:

"Maria voll der Gnade" ist ab Donnerstag in den Kinos zu sehen.