Maria Böhmer will Integrationsgipfel nicht absagen

Moderation: Jörg Degenhardt |
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, kritisiert die Drohung türkischer Verbände, dem nationalen Integrationsgipfel fernzubleiben. Sie könne viele der Argumente nicht nachvollziehen, sagte die CDU-Politikerin zur Kritik am neuen Zuwanderungsgesetz. Sie sprach sich dagegen aus, den für morgen geplanten Integrationsgipfel zu verschieben.
Degenhardt: Sind Migranten Masochisten, wenn sie morgen am Integrationsgipfel im Bundeskanzleramt teilnehmen? Weil sie das nicht sind, sollten sie die Veranstaltung boykottieren, sagte der Bundesausländer-Beirat in Gestalt seines Vorsitzenden. Maßgebliche Verbände tun das nun auch. Als Grund nennen sie die letzte Woche vom Bundesrat beschlossenen Verschärfungen des Zuwanderungsgesetzes. Damit sei den Ausländern auf den Kopf geschlagen worden. Die Novelle enthält strengere Auflagen für die Familienzusammenführung und sieht Strafen bei der Verweigerung von Integrationsmaßnahmen vor. Meine Gesprächspartnerin ist jetzt die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer. Guten Morgen, Frau Böhmer!

Maria Böhmer: Guten Morgen!

Degenhardt: Sie haben das modifizierte Zuwanderungsgesetz verteidigt, das heißt, Sie verstehen die Aufregung der Kritiker nicht. Die beklagen etwa, hier würden Nicht-EU-Bürger schlechter behandelt als EU-Bürger etwa beim Nachzug des Ehepartners.

Böhmer: Also ich kann viele der Kritikpunkte nicht nachvollziehen, und ich will Ihnen dafür zwei Beispiele geben. Zum einen, wenn es um den frühen Spracherwerb im Herkunftsland geht. Das Gesetz sieht vor, dass es sich hier nur um geringe Sprachkenntnisse handelt, 200 bis 300 Wörter, die gelernt werden sollen, bevor man nach Deutschland einreist. Und wir alle wissen, wie wichtig es ist, die Sprachbarrieren möglichst schnell zu überwinden, damit die Integration zügig voranschreitet. Und ich habe sehr, sehr viele, gerade Frauen, kennengelernt, die kaum ein Wort deutsch sprechen konnten, auch nach 10 und 15 Jahren Aufenthalt in Deutschland. Hier muss einfach gehandelt werden.

Und der zweite Punkt ist, wenn es heißt, es wären Verschärfungen. Man übersieht völlig, wo Integrationsanreize gesetzt werden. Nämlich bei besonderen Integrationsleistungen kann nun bereits nach sechs Jahren statt nach acht Jahren der Anspruch auf eine Einbürgerung erfolgen. Also diese einseitige Sichtweise ist nicht gerechtfertigt, wie sie hier vermittelt wird.

Degenhardt: Die türkischen Gemeinden, die Föderation türkischer Elternvereine in Deutschland, die türkisch-deutsche Gesundheitsstiftung und die türkisch-islamische Union der Anstalt für Religion wollen dem Treffen morgen fernbleiben. Macht der Gipfel da noch Sinn, sollte man ihn nicht vielleicht verschieben?

Böhmer: Nein, auf keinen Fall. Wir haben einen großen Zuspruch, gerade auch aus dem Kreis der Migrantinnen und Migranten, auch über die türkischen Verbände hinaus. Aber wenn ich mir allein den türkischstämmigen Teilnehmerkreis ansehe, so liegen mir inzwischen zwölf Zusagen vor von 14, die eingeladen sind. Und so hoffe ich, dass auch diejenigen noch kommen, die jetzt den Selbstboykott angedroht haben.

Degenhardt: Wie bewerten Sie überhaupt die Integrationswilligkeit der anderen Seite?

Böhmer: Also hier ist natürlich die Frage immer zu stellen, inwieweit man in der Tat sich für Integration einsetzt. Ich habe im vergangenen Jahr sehr gute Erfahrung auch gerade mit diesen Verbänden gemacht. Sie haben sich eingebracht beim nationalen Integrationsplan. Wir haben das praktiziert, was immer eingefordert worden ist, sie saßen gleichberechtigt am Tisch. Gerade die türkischen Gemeinden Deutschlands haben Selbstverpflichtungen eingebracht, etwa dass sie Elternakademien errichten wollen. Und umso mehr bin ich überrascht, dass sie jetzt kurz vor dem Integrationsgipfel, kurz vor Veröffentlichung des gemeinsamen Werkes "nationaler Integrationsplan" sagen, wir sind nicht mehr dabei.

Degenhardt: Es gibt Gegenden in Großstädten, in Berlin etwa oder in Köln, aber auch in Duisburg, da könnte man meinen, man befinde sich nicht mehr in Deutschland. Was nützt denn noch ein Integrationsplan, ist da der Zug nicht längst abgefahren?

Böhmer: Also genau das ist ja der Ansatzpunkt, weshalb wir gesagt haben, wir müssen umsteuern in der Integrationspolitik. Es gab früher zweifellos Fehler, viele dachten, die Menschen, die zu uns gekommen sind, um hier in Deutschland zu arbeiten, würden im großen Teil wieder nach Hause zurückkehren. Das ist nicht der Fall, sie sind hier geblieben. Und besonders treibt uns die Situation der zweiten und dritten Generation um. 40 Prozent der Jugendlichen bleiben ohne jegliche berufliche Qualifizierung, das darf nicht mehr so sein, das sind Alarmzeichen. Und deshalb setzen wir an beim verbesserten Spracherwerb, beginnend im Kindergarten, bei einer besseren Unterstützung in der Schule, gerade auch für Problemschulen, sie müssen besser ausgestattet sein, und bei der beruflichen Qualifizierung. Die Unternehmer ausländischer Herkunft haben uns 10.000 neue Ausbildungsplätze zugesagt und das mit Unterstützung der IHKs und der Handwerkskammern. Hier ist vieles in Bewegung gekommen, nicht nur von staatlicher Seite, sondern auch von nichtstaatlicher Seite.

Degenhardt: Ihre Partei, Frau Böhmer, trägt das C im Namen, ich meine die CDU, deswegen vielleicht noch mal etwas zugespitzter die Frage: Passt aus Ihrer Sicht der Ruf des Muezzins in unsere Gesellschaft? Der Hamburger Weihbischof Jaschke sagt, nein - Sie auch?

Böhmer: Also das ist immer wieder eine Diskussion, die geführt wird. Denn natürlich ist es für Deutschland ein Stück fremd, dass wir Moscheen haben. Aber wenn wir etwa dreieinhalb Millionen Muslime in unserem Land haben, so haben sie nicht nur ein Recht auf Religionsfreiheit, sondern es ist auch wichtig, dass die muslimische Religion in den Schulen vermittelt wird, aber in deutscher Sprache auch und auch von Lehrerinnen und Lehrern, die entsprechend ausgebildet sind, mit unseren Lebensverhältnissen vertraut sind.

Deshalb hat der Bundesinnenminister auch zur deutschen Islamkonferenz eingeladen. Und ich glaube, es ist wichtig für uns, diesen Dialog zu führen, aber in dem Sinne, wir müssen wissen, wie die gemeinsamen Grundlagen aussehen unseres Landes. Und die sind gefasst in unserem Grundgesetz, in unseren Werten, das heißt Meinungsfreiheit, Gleichberechtigung der Frau, Toleranz, das heißt Anerkennung unserer Demokratie und unseres Rechtsstaates.