Margaret Heckel zu lebensphasenorientierter Arbeit

"Wir brauchen neue Altersbilder"

07:18 Minuten
Während der Fashion Week in Berlin frisieren und schminken die Mitarbeiter einer Modenschau ein weibliches Modell, welches bereits im Rentenalter ist.
Rentnerinnen sind mittlerweile auch gefragte Modelle auf der Fashion Week in Berlin. © Getty Images/Joern Pollex
Margaret Heckel im Gespräch mit Axel Flemming · 22.06.2019
Audio herunterladen
Wenn die Menschen länger leben, dürften sie nicht gezwungen werden, länger zu arbeiten. Vielmehr müssten sie sich ausprobieren und Neues lernen, ist Margaret Heckel überzeugt. Zuspruch erhielte sie dafür auch beim Evangelischen Kirchentag.
Die Menschen leben länger. Für Margaret Heckel ist dies ein Geschenk: "Wir wissen, das sagen uns die Glücksforscher weltweit, dass wir je länger wir leben, umso zufriedener mit unserem Leben werden. Die Glückskurve steigt dann steil nach oben", sagt die Publizistin und Volkswirtin im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur. Statistisch steige die Lebenserwartung jedes Jahrzehnt um zwei bei drei Jahre. Daher müssten wir uns die Frage stellen, wie wir die Zeit mit Inhalten und Leben füllten.

Offen bleiben für Neues

Notwendig seien neue Altersbilder, so Heckel, die zeigten, was man Neues anfangen könne. Wichtig sei dabei, dass man offen bleibe: Warum nicht eine neue Sprache, ein neues Instrument oder Beruf lernen, gibt die Autorin des Buches "Länger leben, besser arbeiten: Warum Ihre besten Jahre noch vor Ihnen liegen" zu Bedenken: "Das geht alles heutzutage."
Diese Entwicklung werde auch Auswirkungen auf die Arbeitswelt haben: Mehr Flexibilität sei die Folge – ein längerer Urlaub, Teilzeit oder eine Auszeit müssten dann aber genauso möglich sein. Dann könne schon frühzeitig ausprobiert werden, wie es im Ruhestand sei – denn Arbeit sei auch ein "soziales Feedback".
Doch Heckel sagt auch deutlich: "Niemand soll gezwungen werden. Auch das Rentenalter soll nicht erhöht werden." Jede und jeder müsse selbst entscheiden, ob er oder sie unter diesen flexiblen Bedingungen noch länger arbeiten könne oder wolle.

Vortrag beim evangelischen Kirchentag

Gesellschaftlich seien sozialpolitische Reformen notwendig, um lebensphasenorientiertes Arbeiten zu ermöglichen. Dazu gehöre auch, dass Zeit angespart werden könne. Solche Arbeitskonten werde bereits in einigen Unternehmen erprobt, erläutert Heckel. Dort könnten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unbezahlt länger arbeiten, die Überstunden würden auf ein Konto gutgeschrieben. Später könnten sich dann die Beschäftigten die angesparte Zeit als bezahlte Freizeit auszahlen lassen. "Das könnte durchaus als Konzept eingeführt werden", so Heckel.
Über ihre Ideen zur zweiten Lebenshälfte sprach Heckel bei dem evangelischen Kirchentag in Dortmund. Dort habe sie viel Zuspruch erhalten, vor allem von jüngeren Menschen. Diese verstünden sehr gut, dass es Veränderungen brauche, "weil sie zu Recht sagen, wir müssen diskriminierungsfrei von Vollzeit auf Teilzeit wechseln können."
(rzr)

Margaret Heckel, geboren 1966, studierte Volkswirtschaft in Heidelberg und den USA, sie arbeitet heute als freie Autorin und Moderatorin. Sie war Politikchefin der "Welt", der "Welt am Sonntag" und der "Berliner Morgenpost". Außerdem leitete sie das Politikressort der "Financial Times Deutschland" und berichtete für die "Wirtschaftswoche" aus Leipzig, Berlin und Moskau. Heckel hat mehrere Bücher geschrieben, unter anderem "So regiert die Kanzlerin" (Piper Verlag, 2009).

Mehr zum Thema