Marcel Odenbach in der Kunsthalle Wien

"Eine unglaubliche Aktualität"

Der Videokünstler Marcel Odenbach vor einer seiner Arbeiten, die sich mit Erinnerungskultur beschäftigen
Der Videokünstler Marcel Odenbach vor einer seiner Arbeiten, die sich mit Erinnerungskultur beschäftigen © picture alliance / dpa / XAMAX
Marcel Odenbach im Gespräch mit Dieter Kassel |
Der Videokünstler Marcel Odenbach beschäftigt sich in seinem neuesten Werk mit einem Mahnmal im KZ Buchenwald. Sein Film "Beweis zu nichts" passt in die derzeitige politische Landschaft. "Leider", sagt Odenbach.
Nach seiner Dresdner Rede ist dem AfD-Politiker Björn Höcke der Zugang zur KZ-Gedenkstätte Buchenwald verweigert worden. Ausgerechnet mit dieser Gedenkstätte beschäftigt sich nun der Videokünstler Marcel Odenbach. Sein Film "Beweis zu nichts" ist seit diesem Wochenende in Wien zum ersten Mal öffentlich zu sehen.
Odenbach hat sich auch schon mit der Gedenkstätte Majdanek beschäftigt und mit dem Völkermord in Ruanda. Seine entsprechenden Arbeiten drehen sich um die Erinnerung an Massenmorde, beleuchten die Aufarbeitung von Geschichte.
Die Ausstellung in der Kunsthalle Wien habe er anderthalb Jahre geplant, sagte der Künstler im Deutschlandradio Kultur. Dass die Eröffnung nun mit dem Fall Höcke zusammenfalle, bestätige ihn, dass seine Themen - "leider" - wieder eine "eine unglaubliche Aktualität" erhalten hätten, so Odenbach.
Mit Blick in die Türkei und die USA sprach der Künstler von "autoritäten Strukturen". Sicher sei diese Entwicklung "total frustrierend". Aber Frustration sei auch ein Motor für ihn, weiterzumachen, betonte Odenbach: "Ich will natürlich schon auch daran glauben, dass meine Arbeiten (...) vielleicht doch ein bisschen zum Nachdenken anregen." (ahe)


Das Interview im Wortlaut:

Dieter Kassel: Unter den Werken des 1953 in Köln geborenen Video- und Installationskünstlers Marcel Odenbach, die jetzt in Wien zu sehen sind, unter diesen Werken ist auch "Beweis zu nichts", ein Film, der im wahrsten Sinne des Wortes um das Mahnmal in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald kreist. Odenbach hat sich aber zuvor auch schon mit der Gedenkstätte Majdanek beschäftigt künstlerisch und mit dem Völkermord in Ruanda unter anderem. Seine Arbeit dazu ist auch in Wien zu sehen. Ich habe mich gestern mit ihm unterhalten und ihn deshalb gefragt, warum ihn die Erinnerung an besonders grauenvolle Momente der Geschichte so sehr interessiert.

Nicht in der Familie thematisiert

Marcel Odenbach: Ich glaube, das hat ganz viele Gründe. Also einmal hat das natürlich was mit mir, mit meiner Generation zu tun. Ich bin ja mit einer Geschichte, mit einer speziell deutschen Geschichte konfrontiert worden. Ich stamme noch aus der Generation, die da drüber im Schulunterricht sehr wenig erfahren hat, und parallel habe ich eigentlich im Nachhinein dann auch feststellen müssen, dass bei mir in der Familie das auch eigentlich nicht wirklich ausgiebig thematisiert wurde. Das ist der eine Grund.
Der andere Grund ist, dass bei diesen drei Arbeiten, die Sie gerade erwähnt haben, es eigentlich nicht nur um den grauenhaften Völkermord geht, sondern da geht es mir da drüber hinaus (darum), inwieweit gewisse Systeme, gewisse politische Ereignisse ihre eigene Ideologie nutzen und aufgearbeitet haben, und da kommen wir jetzt natürlich ganz im Speziellen auf die Arbeit "Im Kreise drehen" und auch "Buchenwald" zurück, weil die natürlich in Stein, also das heißt wirklich sehr monumental und architektonisch, dieses Gedenken versucht haben zu manifestieren. Ich habe Architektur studiert, also liegt das ein bisschen nah, dass mich natürlich das Bauen oder das Gebaute und die Symbolik des Bauwerks in dem Zusammenhang des Gedenkens interessiert.
Kassel: Da sind wir ja bei dieser neuen Arbeit zu Buchenwald, dieses Mahnmal, das da im Mittelpunkt steht im wahrsten Sinne des Worte, das ist das Mahnmal, das von Bert Brecht und Fritz Cremer entworfen wurde und ein Symbol sein sollte für die Überwindung des Nationalsozialismus durch den Sozialismus. Welche Rolle spielt das denn für Sie, dieser Gedanke, dass da – wenn ich das so sagen darf – die eine Ideologie gegen die anderen ausgetauscht wurde?

Nahtloser Übergang in die Formsprache der DDR

Odenbach: Ich bin natürlich aufgewachsen in einem gewissen Bewusstsein, dass die damalige DDR sozusagen der antifaschistische Staat war und die DDR quasi den Faschismus sehr viel besser aufgearbeitet hat wie Westdeutschland, und als dann die Mauer aufging, war ich doch überrascht, und das hat mich dann doch wirklich quasi – um das blöde Wort umgehauen zu erwähnen - dass die Formsprache der Architektur und der Landschaftsgestaltung eigentlich fast nahtlos übergegangen ist vom Faschismus in die soziologische und soziale Formsprache der DDR. Das fand ich dann doch sehr erschreckend. Also ich fand erschreckend, wie sozusagen eine Diktatur überwunden wird und eine neue quasi sozusagen nahtlos das Selbe macht.
Kassel: Herr Odenbach, gerade über die Gedenkstätte Buchenwald ist ja in den letzten Tagen und Wochen viel geredet worden wegen der Dresdner Rede des AfD-Politikers Björn Höcke, der da das Mahnmal in Berlin als ein Denkmal der Schande bezeichnet hat und sich noch in anderer Weise über das Gedenken an die NS-Zeit geäußert hat. Ihm wurde deshalb der Zutritt zur Gedenkstätte Buchenwald verweigert. Das konnten Sie alles nicht absehen, als Sie sich künstlerisch mit dem Mahnmal beschäftigt haben, aber hat dadurch diese neueste Arbeit von Ihnen auch noch mehr Relevanz bekommen? Haben Sie dieses Gefühl?
Odenbach: Na ja, das ist interessant, dass Sie das erwähnen. Das ist natürlich klar, dass ich das hier sehr oft gefragt wurde, dass die Ausstellung mit den ganzen Thematiken, die ich dort anspreche, natürlich eine unglaubliche Präsenz und Aktualität bekommen hat.
Das konnten wir natürlich nicht absehen, weil die Ausstellung vor anderthalb Jahren geplant ist. Es bestätigt mich natürlich ein wenig in dem, dass diese Themen eigentlich immer noch nicht wirklich aufgearbeitet sind und immer wieder leider an Aktualität gewinnen, wenn man in die Türkei blickt, wenn man jetzt nach Amerika blickt, dass diese ganze Thematik von Unterdrückung, von Minderheiten, von Nichtpressefreiheit, von diktatorischen Systemen, also diese autoritären Strukturen wieder hochaktuell sind im Moment.
Kassel: Aber ist nicht gerade das für alle Menschen, aber auch gerade für einen Künstler, der sich so in seiner Kunst mit Themen wie Aufarbeitung der Geschichte, aber eben auch Flucht, Vertreibung, Gewalt, Krieg in anderen Zusammenhängen so beschäftigt und das schon so lange tut, ist das nicht unglaublich frustrierend, dann den Zustand dieser Welt zu sehen. Sie haben ein paar kleine Beispiele gerade erwähnt. Wir könnten eine ganz lange Liste hier aufzählen, müssen wir, glaube ich, nicht. Ist das nicht frustrierend, zu sehen, ich beobachte das, ich versuche, es anderen zu zeigen mit meinen Mitteln, aber die Welt wird ja nicht friedlicher, sie wird ja nicht gerechter, sie wird ja nicht besser?

Stolz ist das falsche Wort

Odenbach: Natürlich ist das total frustrierend, und ich muss jetzt so ein bisschen lachen, weil ich oft gefragt worden bin, ob ich stolz bin, dass ich das alles schon vorweggenommen hätte und so. Nein, sage ich, das ist wirklich absolut das falsche Wort. Da kann man gar nicht stolz drauf sein.
Es ist natürlich total frustrierend, aber ich glaube, dass eine gewisse Frustration auch natürlich ein Motor ist dafür weiterzumachen, und dass es natürlich auch dann immer wieder gewisse Erfolgserlebnisse gibt. Ich glaube nicht … Also wenn ich wirklich daran glauben müsste, dass gar nichts bewegt wird, dann müsste ich ja verzweifeln, da würde ja quasi sozusagen der Selbstmord oder der Tod die einzige Erlösung sein.
Nein, ich glaube schon auch daran, ohne dass ich glaube, dass meine Arbeiten belehrend sein sollten im Brechtschen Sinne oder didaktisch sind, ich will natürlich schon auch da dran glauben, dass meine Arbeiten, auch wenn es nur im Kleinen ist, vielleicht doch ein bisschen zum Nachdenken anregen.
Kassel: Glauben Sie, dass Sie zumindest ein bisschen was dazu – bisschen haben Sie selber jetzt gesagt – ein bisschen was dazu beitragen können, dass diejenigen – und manchmal habe ich das Gefühl, es werden immer mehr – diejenigen, die einen Schlussstrich möchten unter die Geschichte, gerade in Deutschland, dass die keine Chance haben?
Odenbach: Ja, das glaube ich schon, und das, glaube ich, ist auch eine gewisse Qualität in Deutschland, und ich meine, ich sage das jetzt ganz so bewusst, weil das natürlich auch sehr stark thematisiert wird. In Österreich, wo die Ausstellung ist, und wir wissen ja, dass die Österreicher, wenn man das mal so lapidar sagen darf, gerade noch die Kurve gekratzt haben mit der letzten Wahl, und ich glaube schon, dass Deutschland und Österreich auch natürlich durch die Geschichte und durch die Erfahrung natürlich in gewissem Sinne, auch wenn es sehr starke Antitendenzen gibt, doch sehr viel sensibler mit gewissen Themen umgeht.
Kassel: Dieses Gespräch mit Marcel Odenbach habe ich gestern Nachmittag aufgezeichnet. Da war er wegen der Ausstellungseröffnung noch in Wien, und dort in der Kunsthalle Wien ist seine Ausstellung "Beweis zu nichts" noch bis zum 30. April dieses Jahres zu sehen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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