Mangel macht lustig

Von Silke Lahmann-Lammert |
Nirgendwo erzählten sich die Menschen so viele Scherze über die Regierenden wie im früheren Ostblock. Dabei mussten die Bürger in der Sowjetunion und ihren Bruderstaaten aufpassen, wem sie einen Jux über Leonid Breschnew oder Erich Honecker anvertrauten. Ein Witz konnte gefährliche Folgen haben. Ein Dokumentation zeigt jetzt die Geschichte des kommunistischen Witzes.
Will ein Sowjetbürger einen Lada kaufen. Er füllt Anträge aus, besorgt sich die nötigen Stempel und legt den Kaufpreis bar auf den Tisch.

Ronald Reagan: "Da sagt der Mann zu ihm: Kommen Sie in zehn Jahren wieder und holen sie ihr Auto ab. Darauf geht der junge Mann seines Weges, dreht sich dann aber noch einmal um und fragt: Morgens oder Nachmittags? Und der Mann fragt: Was für einen Unterschied macht das? Na ja, morgens kommt schon der Klempner."

Eine von Ronald Reagans Lieblingsanekdoten. Der US-Präsident war ein leidenschaftlicher Sammler von Kommunistenwitzen. Er wusste, dass man dem politischen Gegner den Wind am besten aus den Segeln nimmt, wenn man sich über ihn lustig macht. Reagan betraute einen Mitarbeiter des Außenministerium damit, subversive Scherze aus den Ostblockstaaten zusammenzutragen. Eine einfache Aufgabe:

Christie Davis: "Ja, vieles war nicht so produktiv. Aber Witze haben sie am laufenden Band erfunden."

Seit es Kommunisten gibt, erklärt der Soziologe Christie Davis, gibt es auch Kommunistenwitze.

"Weißt du wieso es bei uns in der DDR trotz allen Mangels doppelseitiges Klopapier gibt?"
"Nein."
"Na, weißte doch: Wir müssen von allem 'ne Kopie nach Moskau schicken!"

Der Humor half den Bürgern, die Mühen des sozialistischen Alltags zu ertragen. Allerdings stuften die Machthaber das Erzählen von Kommunisten-Witzen schon bald als konterrevolutionäre Tat ein. Für ein bisschen Hohn und Spott landeten unter Stalin mehr als 100.000 Menschen im Gulag.

"Hast du schon gehört, dass es jetzt einen Wettbewerb für den besten politischen Witz gibt?"
"Nein!"
"Erster Preis: 25 Jahre!"

Erst Anfang der 60er Jahre entdeckten die kommunistischen Ideologen, dass Witze auch eine staatstragende Funktion haben können.

"Die Regierung wurde nicht gern mit der Wahrheit konfrontiert..."

...bestätigt der frühere Regierungschef Polens, General Jaruzelski...

".... aber die Witze verringerten die Spannung zwischen der Regierung und den Bürgern."

Oft verhalfen aber auch erst die staatlichen Organe einem Witz zu seiner Pointe. Zum Beispiel, als der polnische Aktionskünstler Waldemar Fydrych auf einer Demonstration Klopapier verteilte:

Fydrych: "Die Polizei versuchte das Verteilen des Papiers zu verhindern. Aber wir gaben es stückweise aus. Später kontrollierte die Polizei jede Tasche und verhaftete jeden, der ein Stück Toilettenpapier bei sich hatte. Das war schon sehr lustig."

Hinweis:
"Totgelacht - eine Geschichte des Kommunismus". Der Film von Ben läuft heute, um 23.10 Uhr, auf arte.