Mangas als Bühnenbilder

Von Antje Hoffmann |
Die Kunstform der Comics bleibt nicht auf Papier beschränkt und macht auch vor dem Theater nicht Halt: Am Thalia Theater in Halle an der Saale bringt das Festival „Comic meets Theater“ internationale Manga- und Comic-Künstler mit jungen Theaterregisseuren zusammen und erprobt neue Formen der künstlerischen Kooperation.
Comics sind die Leidenschaft von Nishizaka Hiromi. Und die will sie zum Beruf machen. Die Japanerin studiert in Kyoto Comicart. In Japan werden Comics oder Mangas, wie sie dort heißen, täglich von Millionen Menschen nahezu verschlungen. Nishizaka Hiromi drückt mit ihren Manga-Geschichten wie ein Sänger oder Schriftsteller ihre Sicht auf das Leben aus.

„Für mich persönlich sind Mangas eine Möglichkeit, meine Botschaften nach außen zu tragen. Es ist nicht unbedingt das gleiche wie Poesie, aber es ist für mich eine Möglichkeit, meinen Platz in der Welt zu finden und meine Beziehung zur Welt darzustellen. Wenn ich meine Mangas verkaufen kann, wäre das für mich das Paradies. Aber man muss sich als Comickünstler auch darauf einstellen, auf der Straße leben zu müssen wie ein Bettler.“

Beim Festival „Comic meets Theater“ dient ein Comic von Nishizaka Hiromi als Vorlage für eine Inszenierung der Berliner Regiestudentin Kalma Streun. Die japanische Bearbeitung des Rotkäppchen-Stoffes liefert nicht nur Geschichte und Kostümideen. Seit den Endproben sitzt Nishizaka Hiromi auch selbst mit auf der Bühne und lässt live das Bühnenbild entstehen. Sie zeichnet ausgewählte Bilder aus ihrem Manga auf Folien, die an die Bühnenwand projiziert werden. Für Kalma Streun sind die Zeichnungen unverzichtbarer Bestandteil der Inszenierung geworden, selbst wenn der Abend theoretisch auch ohne sie denkbar wäre:

„Hätte man auch machen können. Ich wusste auch nicht, ob es klappt und hatte es auch so angelegt, dass falls es nicht klappt, dass es trotzdem ein Stück wird. Aber da es eine Erzählung war und die Schauspieler auch immer in Prosa gesprochen haben, war es genau das Element, das gefehlt hat, das man weiß, diese Geschichte ist aus dem Kopf von Nishizaka Hiromi und sie hat diese Bilder entworfen und dazu entstand unser Stück. Und als sie dann dazu kam und parallel die Zeichnungen dazu malte und man sah, was auf der Bühne dazu passiert, war es genau, was für mich die Magic gemacht hat von dem Stück.“

Vor allem in Japan und den USA gelten Comics als ernst zu nehmende Kunst. In Deutschland schiebt man sie häufig noch in die triviale Schublade, obwohl es bei Comics wie bei jeder anderen Kunstform eine enorme Spannbreite gibt. Sowohl was die Inhalte als auch was die Ästhetik betrifft. Sie reichen von Kindergeschichten und Zeitungscomics bis zu Comicreportagen oder Biografien in Comicform. 1992 hat es der „Maus“-Comic von Art Spiegelman sogar bis zum Pulitzerpreis gebracht.

Allmählich gibt es auch in Deutschland neben Kindern und Teenagern immer mehr Bildende Künstler und Filmemacher, die sich für Comics begeistern. Einer der meistgesehenen deutschen Kinofilme, „Der bewegte Mann“ entstand nach einem Comic von Ralf König. Auch die erfolgreiche ARD-Fernsehserie „Berlin, Berlin“ arbeitet mit Comicelementen und auf der Leipziger Buchmesse tummelten sich die Jungleser vor allem an den Mangaständen. Ein Trend, dem sich Theater nicht verweigern kann, so Berit Schuck, Projektleiterin des Hallenser Festivals „Comic meets Theater“.

„Ich glaube, dass es für jedes Theater eine Bereicherung ist, sich mit Comic auseinander zu setzen, aus zwei Gründen, Einmal als eine Reaktion darauf, was da draußen gerade passiert. Da sind viele Menschen draußen, die sich für Comics interessieren, die sich über Comics ausdrücken, ihre Geschichten erzählen mit den Mitteln des Comics und davor kann sich das Theater nicht versperren. Das ist einfach da und darauf muss ein Theater reagieren, wenn es zeitgenössisch sein will.“

Theater muss natürlich nicht jeden Trend mitmachen, aber die Comics passen zum Anspruch ihrer Bühne, sagt Berit Schuck. Denn am Thalia Theater erzählt man Geschichten gern schnell, zugespitzt und pointenreich. Das probiert man nun erstmals mit dem schnellen und pointenreichen Medium Comic. Dieser Ansatz ist neu, bisher gab es lediglich Comic-Zitate in vereinzelten deutschen Theaterproduktionen, so der Comicexperte Andreas Platthaus.

„Es hat natürlich immer mal wieder Versuche gegeben, die Ästhetik von beidem zu verbinden, z.B. Bühnenbilder mit Elementen des Comics zu machen und es gibt natürlich auch Comics, die auf dem Theater spielen. Aber dass man wirklich mal eine Art Überblick versucht, können sich diese beiden Künste befruchten, auch ganz bewusst Comiczeichner dazu bringt, für spezifische Theaterinszenierungen zu arbeiten, das hat es meines Wissens nach noch nicht in der Intensität gegeben, wie es jetzt in Halle passiert.“

Dass Programm des Festivals ist international besetzt. Es gibt eine französische Comic-Oper, eine Gesangsperformance auf Comiclaute aus den USA und eine trashige Puppentheater-Boulevardkomödie als Deutsch-Schweizer Koproduktion. Sieben der Beiträge sind eigens für das Festival entstanden. Am Ende soll mit dem Magazin „Theater der Zeit“ ein Buch entstehen, in dem das Ganze dokumentiert und reflektiert wird. Vielleicht ein Arbeitsbuch für interessierte Theatermacher. Dass es in den nächsten Jahren einen Comictheater-Boom geben wird, daran glaubt Comicforscher Platthaus allerdings nicht:

„Das könnte es, aber das muss es nicht. Ich finde das auch gar nicht besonders erstrebenswert. Ich finde es sehr schön, einmal zu beleuchten, was man damit machen kann, aber ob das wirklich fortgeführt wird, das wird sich wirklich daran zeigen, wie sich das, was in dieser Woche passiert, bewährt“

Ob das Festival Impulse setzen wird, bleibt abzuwarten. In manchen Ländern gibt es seit langem die Praxis, Bildergeschichten als Grundlage für Bühnenwerke zu nutzen. Immerhin ist der Aufbau einer guten Comicgeschichte laut Andreas Platthaus nicht anders als der eines gut gebauten Dramas. Diese Idee könnte für deutsche Bühnen von Halle ausgehen. Auch der Ansatz, Bühnenbilder nicht vorzuproduzieren, sondern live während der Aufführung von Comickünstlern entwickeln zu lassen, könnte für Theatermacher reizvoll sein.

Selbst wenn ein zehntägiges Festival nicht alles ausreizen kann, was Comic auf der Bühne bedeuten könnte, und selbst wenn man den Werkstattinszenierungen teilweise die knappe Entstehungszeit anmerkt – das Experiment Comic meets Theater zeigt, dass diese Symbiose Potentiale hat.