Mandelring Quartett spielt Revier und La Tombelle

Französische Zufallsfunde

61:27 Minuten
Eine Frau und drei Männer sitzen in einem hellen, hohen, lichtdurchfluteten historischen Raum und spielen gemeinsam Quartett.
Andreas Willwohl (Viola) ist seit 2015 Mitglied im Mandelring Quartett © Mandelring Quartett / Uwe Arens
Andreas Willwohl im Gespräch mit Stefan Lang · 19.09.2020
Andreas Willwohl, Bratscher des Mandelring Quartetts, hatte die Werke von Jean Rivier und Fernand de La Tombelle zum Teil noch nie auf dem Pult. Ein Zufallskauf löste die musikalische Entdeckung aus. Musik voller Finessen und Verrücktheiten.
Farbenreiche Musik, das schuf Jean Rivier (1896–1987), der auch Kompositionslehrer am großen Conservatoire de Paris war. Ein Zufallskauf Ende der 90er Jahre in einem Pariser Antiquariat, war die Initialzündung für die Entdeckung des Reperoires, denn Name und Werke waren vollkommen unbekannt für das Mandelring Quartett.

Klangerlebnisse nach Übe-Marathon

Und kniffelige Kost, so Andreas Willwohl, Bratscher des Ensembles: "Es gibt unspielbare Stellen! Gleich am Anfang gibt es eine Stelle, bei der alle Instrumente unglaublich hoch klingen. Da merkten wir: das klingt ja gar nicht!" Nach diesem ersten Eindruck setzte sich das Ensemble immer wieder an das Werk, um diese Hürden zu nehmen. "Man muss in das Stück investieren. Aber Revier hat ein Händchen für das Quartett. Am Ende ist doch alles machbar."
Die Geigerin des Quartetts scheint mit dem Bogen Richtung Kamera zu zielen.
Das Mandelringquartett v.l.: Andreas Willwohl (Viola), Bernhardt Schmidt (Violoncello), Nanette Schmidt und Sebastian Schmidt (beide Violine).© Uwe Arens
Es sei ja auch reizvoll, wo Willwohl weiter, dass diese Musik nicht jedes Quartett spielen könne. "Eine echte Entdeckung." Das Stück weise viel Atmosphäre auf: manchmal fühle man sich wie in einer Kirche, da würden Choräle aufblitzen, um dann in neue Farben und Harmonien einzutauchen. Besonders beeindruckt zeigt sich der Bratscher von der Stilsicherheit des Komponisten, der die Charakteristik eines jeden Instrumentes sehr genau kenne. Der Komponist wisse genau, welche Farben auf welchem Instrument besonders schön hervortreten können.

"Ein Quartett muss neugierig sein"

Das in der Sendung vorgestellte zweite Streichquartett deckte die Frage auf: Wo ist Nummer eins? "Unser Cellist Bernhard Schmidt hat eine leicht detektivische Veranlagung. Er fuhr in die Nationalgalerie Paris und hat das Quartett dort gefunden." Etwas Mühe habe es gemacht, dieses Quartett spielbar zu machen, weil die Noten nicht einfach zu lesen waren. Die Musiker konnten einen Neudruck veranlasst. Das gefundene, erste Quartett erinnere stark an Debussy und Ravel. Das Zweite habe eine ganz andere Form, sei auch im harmonischen viel weiter davon entfernt. Demnächst stellt Deutschlandfunk Kultur aus dieses vor.
Das einzige Streichquartett von Fernand de La Tombelle (1854 - 1928) sei farbenfroh und sinfonisch angelegt, berichtet Andreas Willwohl. Vor allem die langsame Einleitung sei besonders raffiniert. "Jedes Instrument erhält sein Solo." Und dann würde die Dichte im Klang zunehmen. "Man fühlt sich manchmal wie im Orchester." Es mache ihm und dem Quartett unglaublichen Spaß, diesen "bombastischen Sound" zu beleben.

Orgelschwingungen

Tombelles Mutter war Liszt-Schülerin. Das muss ihn geprägt haben. Denn seine ruhe eindeutig im spätromantischen Duktus, zeigt dabei aber viel französische Eleganz. Der Komponist sei "kein Pionier neuer Techniken" gewesen. Aber eine Besonderheit hebt der Bratscher hervor: man habe ständig das Gefühl, dass im Hintergrund eine Orgel mitklingen würde. Ein besonderer Effekt, den Willwohl noch in keinem seiner Repertoirestücke erlebt habe.
Jean Rivier
Streichquartett Nr. 2
Fernand de La Tombelle
Streichquartett D-Dur, op. 36
Produktion: 2018 / 2020 Deutschlandfunk Kultur
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