Man wird schon mal nervös

Von Axel Schröder |
Das Geschäft mit der Sicherheit boomt seit dem 11. September 2001. Sicherheitsfirmen, Wachdienste und Leibwächterschulen leben gut vom politischen Weltklima. Die wohl härteste Leibwächterschule in Deutschland findet sich in Potsdam. Hier werden die „harten Kerle“ in Schieß- und Fahrtraining ebenso wie in Geiselbefreiung und Nahkampf ausgebildet.
Pomplun: „Okay, geht mal rechts runter, lassen sie sich möglichst einmal … Sie sollen einmal drehen und nachher versuchen sie, sich nicht wegdrücken zu lassen. Und denken sie dran an die Bremse: die ist im anderen Wagen.“

„Ist ein ehemaliger Flughafen hier. Da war zum Schluss NVA drauf oder ganz zum Schluss die Bundeswehr. Und hier sind die idealen Schulungsmöglichkeiten! Weil wir ja, wie gesagt, auch mal probieren, ohne Bremsen zu fahren. Auch das muss man lernen, wenn es mal kaputt geht oder Sabotage ist. Da braucht man Platz zum Ausrollen und das haben wir hier zur Genüge."‘“

Horst Pomplun steht auf den rissigen dunklen Betonplatten, am Rand der alten Landebahn. Eine Autostunde von Potsdam entfernt. Hände in den Parkataschen. Er ist 60, groß gewachsen. Kleiner Bauch und Vollbart. Pomplun leitet die wohl härteste Leibwächterschule der Republik, er konzipiert die Übungen für angehende Personenschützer, will seine Schüler vorbereiten, auf alle erdenklichen Ausnahmesituationen.

„"Das Problem ist: wir sind jetzt auch schon in einer hohen Stufe, wo wir schon fortgeschritten sind. Und die haben jetzt praktisch einen Drei-Tage-Lehrgang hinter sich und haben in den drei Tagen bis jetzt vielleicht vier, fünf Stunden im Höchstfall Schlaf gehabt. Und wir wollen sie ja gerade unter Belastung unter Belastung testen. Und das ist dafür die beste Möglichkeit.“

Trainiert wird mit einer großen BMW-Limousine und gerade noch fahrtauglichen, verbeulten Kleinwagen. Nach dem Fahren ohne Bremsen steht Einparken mit Schusswechsel auf dem Programm. Orange-weiß-gestreifte Verkehrshütchen markieren den festgelegten Haltepunkt. Die Fahrer sollen rausspringen, sich über die Motorhaube in Deckung rollen, das Feuer erwidern:

„Moment mal, Moment mal! Das Auto passt da doch gar nicht rein! Was macht ihr denn für einen Scheiß?“

Die Hütchen stehen verkehrt, Horst Pomplun lässt die Parklücke neu vermessen. Er erklärt, wer überhaupt als Leibwächter in Frage kommt:

„Also erstmal führen wir ein Gespräch. Wir wollen keine Leute, die zu sehr rechts oder links angesiedelt sind. Die sollen ihre eigene politische Meinung haben, da können wir mit leben. Aber es muss auch von der Polizei ein Führungszeugnis vorliegen, woraus hervorgeht, dass er unbescholten ist, dass nichts gegen ihn vorliegt.“

Bis Anfang der 80er Jahre arbeitet Horst Pomplun in einer Spezialtruppe der Berliner Polizei. Dann macht er sich selbständig, baut mit Frau Ewa-Maria die Bodyguardfirma auf. Jedes Jahr bilden die Pompluns rund 150 Personenschützer aus und organisieren den Schutz von Prominenten, Wissenschaftlern, Politikern, Firmenchefs und Bänkern. 70 Prozent der Teilnehmer kommen aus der Bundeswehr, nur 5 Prozent sind Frauen.
„Wir bilden seit 20 Jahren aus. Hat eigentlich damit angefangen, dass man schon vor 30 Jahren Personenschutz gemacht hat. Fürs saudische Königshaus. Und wir haben festgestellt, dass das in Deutschland eine echte Lücke war. Und ich war der erste in Deutschland, der da ein Programm zusammengeschrieben hat und auch mit der Industrie- und Handelskammer zusammen arbeitet. – Moment. –– Ja. Tot, Junge! Und gleich 20 Liegestütz!“

Pomplun schüttelt den Kopf: Fahrer Mike Echo schießt seine Platzpatronen direkt in seine Richtung. Passiert ist nichts, aber es gilt die Regel: auf Menschen wird nicht geschossen, nicht während der Übung. Jeder Lehrgangsteilnehmer hat einen Codenamen: die Männer heißen Alpha, Bravo, Charlie, Delta, Echo und so weiter. Nach den Buchstaben des NATO-Alphabets. Noch nicht mal untereinander kennen sie ihre richtigen Namen. – Neben Horst Pomplun alias „Papa“ steht November Romeo und erklärt, warum das sein muss:

„Es ist immer auch eine Sache von Diskretion. Wenn man zum Beispiel in der Zeitung liest, irgendwann taucht der Name wieder auf, man hat für den und den gearbeitet, und dann kennt man den Personenschützer, man fällt denn auf. Ich persönlich möchte jetzt auch nicht meinen Namen preisgeben.“

Der 25-jährige November Romeo sieht müde aus. Der ehemalige Marinesoldat macht bei Pomplun seine Umschulung, finanziert vom Berufsförderungsdienst der Bundeswehr. Er schätzt die Härte des Lehrgangs. Eine Hand ruht auf dem Griff seiner Waffe, mit der anderen reibt er sich die geränderten Augen.

„Hier sind die Nächte manchmal sehr kurz: man muss Wache laufen. Und denn arbeiten wir auch ziemlich lange: manchmal geht es bis zwei Uhr, drei Uhr. Denn noch Wache stehen und früh raus. Da kommt manchmal wenig Schlaf zusammen.“

Sieben Lernmodule bietet der Potsdamer Bodyguard-Lehrer, gerade läuft Einheit Nummer sechs und November Romeo gehört zu den Kursbesten. Letzte Nacht scheuchen ihn Pomplun und seine Ausbilder über das Kasernengelände. Im Stockfinstern, fast zwei Stunden lang, durchs kniehohe Gras, in leer stehende Truppenunterkünfte. Der Auftrag: sechs Leuchtkörper soll er finden, verteilt auf dem ganzen Flugplatz. Attacken aus dem Dunkel soll er parieren und möglichst schnell wieder am Treffpunkt sein. Die Action gefällt ihm, nur die Theorie macht ihm zu schaffen:

„Da muss ich wirklich dran arbeiten. Vor allem Theorie. Ist halt sehr viel und trocken, vor allem Gesetzeskunde. Da sind andere besser als ich. Die haben einfach viel mehr Erfahrung in Sachen der Theorie, der Waffensachkunde, Gesetzeskunde, da sind sie dann schon besser. Aber ich denke mal, ich halte mich gut!“

November Romeo sammelt die Verkehrshütchen ein, stapelt sie übereinander. Horst Pomplun macht sich schon auf den Weg zur nächsten Übung. Er steigt in eines der Schrottautos und winkt November Oskar heran.

Der junge Salzburger macht auch seine Umschulung, auch er war Heeressoldat. November Oskar soll einsteigen und Pomplun zeigt ihm, wie man Auto fährt: durch tiefe Wasserpfützen, mit sechzig Sachen, durchs hohe Gras.

„Links oder rechts?“
„Äähh: links, Sir!“
„Okay! Ach, Mensch, links. Ich verwechsle das immer … "

Der schlaksige junge Mann reißt die Augen auf, klammert die rechte Hand um den Haltegriff, die Linke krallt sich ins Sitzpolster. Hinten fliegen Gräser, Blütenstaub wirbelt auf, mit schnellen Griffen lenkt Pomplun den Wagen, zieht die Handbremse bei voller Fahrt. – Rund 170.000 Personen- und Objektschützer gibt es in Deutschland, gut 2000 kleine und wenige große Sicherheitsfirmen. Jahresumsatz: gut vier Milliarden Euro. Und die Nachfrage steigt. – Die Fahrt führt vorbei am alten verfallenen Tower, an morschen Garagen. Pomplun bremst den Wagen vor einem grauen Plattenbau, sechs Stockwerke hoch. November Oskar atmet durch. Seine Frau und die beiden Kinder warten in Salzburg auf ihn, unterstützen ihn bei seinen Plänen.

„Wenn man sich damit auseinandersetzt und die Frau und die Familie mitspielt und dahinter steht, dann ist das halb so schlimm. Unser Ziel ist es ja, in südliche Gefilde zu gehen. Die Auftragslage ist im Süden besser: Griechenland, Italien, so die Gegend runter.“

Nur in Krisengebiete will November Oskar partout nicht. Obwohl Personenschützer dort gutes Geld verdienen. Besonders im Nahen Osten, im Irak:

„Nee, nee! Das wird dann zu gefährlich mit Familie! Vielleicht um dort einen Job zu machen. Für eine gewisse Zeit. Ja. Aber da zu leben, richtig mit Familie, ist schlimm. Ich stell mir das schlimm vor.“

„Ich war jetzt unten im Irak, weil man uns hier bis 3000 Euro angeboten hat für jeden, der sich bereit erklärt, da runter zu gehen. Es gibt ja große englische und amerikanische Firmen, die dafür werben. Da werd ich die Finger von lassen, das werde ich niemals machen, den Leuten zu empfehlen, da halt runter zu gehen.“

Horst Pomplun zieht die Augenbrauen hoch, greift sich eine Flasche Diät-Cola aus dem Auto, nimmt ein paar Schlucke. Hinter ihm warten seine Leute auf den Einsatz im Plattenbau.

Es geht hoch in den dritten Stock. Der Chef gibt noch Anweisungen.

Der Markt für private Sicherheitsleute boomt vor allem im Nahen Osten, vor allem das US-Militär setzt auf die Dienste der sogenannten „Private Military Companies“. Experten gehen von rund 10.000 Privatsoldaten im Irak aus. – Horst Pomplun lehnt im dritten Stock an der Wand. Zehn Meter weiter üben die Personenschützer ihre ATK-Lektion: den Anti-Terror-Kampf.

„Es gibt einige Firmen in Deutschland, die sagen: Ihr seid richtige Kerle, ihr müsst da runter und so. Und ich finde das dreckig, dass man mit so etwas Geld macht. Wer freiwillig geht, geht. Aber empfehlen würde ich das keinem und ich würde auch niemals dafür einen Euro oder einen Dollar annehmen.“

Und trotzdem sind auch Pompluns Personenschützer im Nahen Osten aktiv: sie schützen Firmenpersonal, wollen Entführungsfälle wie in Afghanistan und im Irak verhindern und die Arbeit von Hilfsorganisationen absichern. Und bei den Amerikanern angeheuert haben vielleicht auch schon Personenschützer, die bei ihm gelernt haben. Aber daran kann Pomplun sich nicht erinnern.

„Ich sagte ihnen ja eingangs: wir haben Leute unten und wir haben auch Leute, die schon zurück sind. Und die sagen, sie würden – egal, ob sie das Zehnfache kriegen – die würden nicht mehr runtergehen. Denn sie haben doch Erlebnisse, die sie vielleicht ihr Leben lang nicht vergessen. Und ob man sich so was antun muss? Ist relativ.“

Der Chefausbilder dreht sich um, seine Frau kommt den Gang entlang, im schwarzen Trainingsdress mit Firmenlogo. Ewa-Maria Pomplun ist 48, klein und zierlich, durchtrainiert. Die blonden Haare zusammengebunden zum Zopf. Sie bringt der Mannschaft das Abseilen bei. Und sie kennt sich aus im Umgang mit Waffen:

„Ach, Waffensachkunde … Ja, Waffensachkunde. Und Etikette. So im Allgemeinen. Wir erklären auch, wie man am Tisch serviert, Kleinigkeiten. Aber das soll nicht Kellnerservice sein. Man soll nur wissen, von welcher Seite reiche ich denn die Gerichte zu oder wie mache ich den Wein auf. Diese Grundsätze.“

Ewa-Maria Pomplun ist eingetragene Chefin der VTP-Security, seit 20 Jahren ist sie Leibwächterin, beschützt Prominente und Politiker, manchmal auch deren Kinder. Phil Collins, Richard von Weizsäcker, Manfred Stolpe, Prinz Faisal von Bahrain: die Liste ihrer Schutzpersonen ist lang. Weibliche Bodyguards sind einfach unauffälliger als ihre männlichen Kollegen, sagt Ewa-Maria Pomplun, und Kraft alleine reicht oft nicht aus.

„Klar: bei sportlichen Aktivitäten haben manche Frauen etwas weniger drauf. Und es gibt welche, die sind besser als die Männer. Das ist ja nicht grundsätzlich so, dass die Frauen immer ein Nachsehen haben gegenüber den Männern. Nein. Im Gegenteil: sie achten mehr auf die Kleinigkeiten, sind umsichtiger als die Männer.“

Die Firmenchefin bespricht sich mit ihrem Mann, dann verabschiedet sie sich. Horst Pomplun, die Arme vor der Brust verschränkt, nickt rüber zu Sergej, dem ATK-Trainer. Sergej gibt keine Interviews. Der Ex-Elitesoldat aus der Ukraine trägt schwarze Handschuhe und dunklen Pferdeschwanz. Im Halbrund stehen seine Schüler, beobachten die Handgriffe, Drehungen, Schläge.

„Hier kann man auch nach hinten schlagen. Hier, hier, hier! Also, wenn man die Position wechselt, von da nach da, dann – egal ob er den Kopf weg hat oder nicht: ich treffe trotzdem! Ich nehme seinen Daumen und habe alles unter Kontrolle!“

Sergej ist klein und muskulös, greift sich den Größten aus der Truppe, macht kurzen Prozess. Der Riese liegt am Boden, rappelt sich wieder auf. Sergej referiert weiter. Über Schockschläge und Schmerzpunkte und über die Konzentration beim Zuschlagen:

„Wir mussten ihm zu Anfang natürlich erstmal beibringen, wann er stoppen muss. Denn er ist anders trainiert worden, verständlicherweise. Wir sind ja nur dazu da, um abzuwehren. Und wo er herkommt, schult man das anders bei der Armee. Für uns ist nur wichtig, den gegenwärtigen Angriff abzuwehren. Deshalb musste man ihm bei einigen Griffen sagen: Halt, hier ist Stopp!“

Sergej trainiert weiter, verdreht Arme und Hälse. Blitzschnell, mit geübten Griffen. Dann steht Abseilen auf dem Programm, aus dem vierten Stock. Es folgt: eine Geiselbefreiung im Block gegenüber, ein Hindernisparcour mit Gasmaske.

Am späten Nachmittag dann die letzte Einlage des Tages: im alten Bunker brennt es und Schutzperson Gabi sitzt irgendwo in den verwinkelten Kellerräumen. Mike Romeo ist als dritter dran. Was ihn erwartet, weiß er nicht:

„Eigentlich nicht, nicht wirklich. Ich hab zwar ein paar Geräusche gehört, aber was ich mir dazu vorstellen soll, weiß ich immer noch nicht. Ich lass mich überraschen!“

Unten vor der Bunkertür steht der Prüfling bereit, zieht sich die Gasmaske übers Gesicht, Ausbilder Sierra Golf schiebt ihm ein schwarzes Tuch unter die Maske. Sehen kann er nichts mehr. Golf nimmt Romeo an die Hand, führt ihn in die Dunkelheit. Leise schließt er die schwere Stahltür, dreht Romeo ein paar Mal um die eigene Achse. Dann ist er weg, und Romeo allein.

„Hallo, wer ist denn da? Hallo, wer ist da?“

Bis Golf ihn von hinten anspringt. Er würgt sein Opfer, lässt schnell wieder ab. Das ganze Haus brennt, Mike Romeo sucht weiter nach der kleinen Gabi und Golf wirft ihm Böller zwischen die Beine. Mike Romeo robbt durch einen schmalen Tunnel, klettert Schächte rauf und wieder runter und sucht weiter.

„Haaaallo? – Ja, hier ist jemand! Rufen Sie weiter! – Haaaallo. – Rufen sie weiter. Ich bin sofort bei Ihnen.“

Golf zündet wieder seine Böller, liest im Feuerzeuglicht die Zeit von der Stoppuhr.

„Ja, jetzt hat er knapp 13 Minuten. Und die richtig guten Leute sind hier nach sieben Minuten wieder draußen. Deswegen brechen wir nach 15 Minuten ab. Das Gebäude brennt wie Sau und das stürzt ein und nach 15 Minuten sind sie einfach tot. Oh, jetzt sind wir im Weg.“

Romeo zerrt eine Stoffpuppe durch den Keller, an der Hand hat er Schutzperson Gabi, er horcht nach dem brummenden Schaltkasten. Schon beim Reingehen war das Brummen da, hier muss der Ausgang sein. Mit einer Hand tastet Romeo die Wände ab, findet den Türknauf, ist draußen, reißt sich die Gasmaske vom Gesicht.

„Der erste Eindruck? Das ist ein bisschen schwierig, weil: man weiß überhaupt nicht, wo man lang geht! Aber es ist ein gutes Gefühl. Weil, ich hab eine Person rausgeholt, hab den Ausgang auch wieder gefunden – Gott sei Dank. Und hab noch eine zweite Person mitgerettet. Hoffentlich wird die Auswertung gut.“

Mike Romeo atmet durch, steigt die Stufen nach oben, setzt sich zu den anderen, vor den Block. Etwas abseits von denen, die noch rein müssen in den Keller.

„Ja. Man hatte schon Angst, dass man sich ständig verirrt. Und dann kam dieser Teil mit dem Tunnel. Was noch mal anstrengend war und psychische Belastung. Und da hatte ich schon Panikzustände. Das war schon extrem.“

„Beirrend. Dunkel. Die Gasmaske versperrt den Atem. Und dann diese schmalen Gänge. Man weiß nicht, wo man ist. Und dann diese Hilfeschreie. Das ist – wie soll ich mich ausdrücken? Manchmal beängstigend. Und sich dabei noch zurechtzufinden. Bei dem Geschrei und Geknalle. Das ist schon schwer.“

Anderthalb Stunden später sind alle durch mit der Übung. Über die Hälfte der Mannschaft überzieht die 15 Minuten im Keller. – Draußen vor dem Plattenbau sammelt Golf die Waffen ein, verstaut Klettergurte, Magazine und die tschechischen Pistolen in Stahlkästen.

Drei schwere schwarze Geländewagen stehen bereit, ganz hinten fährt Ausbilder Golf, in der Mitte Horst Pomplun. Richtung Potsdam, mit Zwischenstopp beim Fastfood-Drive-In.

„Wir fahren jetzt, auch wenn es bekannte Strecke ist, mit den ganzen Ansagen. Mit allem drum und dran, was dazu gehört. – Also: noch mal an alle: wir fahren …“

Um elf Uhr schläft die Leibwächtertruppe. Oben in Pompluns Gründerzeitvilla, mit flachem Giebel und Freitreppe, in bester Lage: einen Steinwurf entfernt liegt Schloss Cecilienhof, Günther Jauch wohnt im Viertel und gleich hinterm Gartenzaun steht die prachtvolle venezolanische Botschaft. Pompluns Urgroßvater erbaut die Villa 1871. Er kann es sich leisten. Als Mitglied der kaiserlichen Leibwache, im Gardolan-Regiment. Zwischendurch residiert die KGB-Zentrale im Haus, nach der Wende ziehen die Pompluns wieder ein.

Früh um acht am nächsten Morgen stehen die Männer im Vorgarten. In einer Reihe, Hände an der Hosennaht.

„Der Grund, warum wir morgens den Fahnenappell machen ist eigentlich nur der, dass die Leute mal zusammenstehen, dass sie mal ein bisschen zuhören. Da werden die Aufgaben verteilt und dann sollte man irgendwas haben, woran man sich hält.“

Und deshalb ragt in Pompluns Vorgarten ein weißer Fahnenmast in den Himmel. Im CD-Player auf dem Rasen liegt die Musik bereit: Freddy Quinns Soldaten- und Legionärsklassiker: 100 Mann und ein Befehl.

„Und dieses Lied ist so neutral. Und es passt, weil wir auch in Auslandseinsätze gehen. Und wir haben drei Kollegen, die jetzt im Irak sind. Aber das baut die einfach ein bisschen auf, dass sie sagen: jetzt werden die wahrscheinlich dastehen, die Kollegen. Dass haben wir als Maskottchenlied genommen.“

Zwei Personenschützer hissen die deutsche Fahne, die letzten Strophen singt auch Pomplun mit. Der DVT, der Diensthabende vom Tag verteilt die Tagesaufgaben:

Schießtraining steht auf dem Programm, vorher ein Waffenparcour im Garten. Hinter Horst Pomplun baumelt November Bravo kopfüber.

Mit den Kniekehlen hängt er am armdicken Ast unter einer Kastanie, baut seine Waffe zusammen, mit hochrotem Kopf. Natürlich können Pompluns Schüler ihre Fähigkeiten missbrauchen. Aber davon weiß der Chefausbilder nichts, über solche Fälle will er nicht reden:

„Da kann ich ihnen eine ganz klare Antwort geben: Wir Personenschützer sind so gut geschult, dass wir kaum noch Platz haben für ein längeres Erinnerungsvermögen. Und an solche Sachen kann ich mich einfach nicht erinnern. Das tut mir leid.“

Pomplun lächelt, zuckt mit den Schultern. Er dreht sich zur Seite, gibt Kommandos, feuert den nächsten Kandidaten an.

„Bei los geht’s los- Los! Laufen! – Laufen sollst du! Nicht stehen! Los, los, los, los, Mensch!“

November Oskar hängt am Baum, die anderen kümmern sich um den Fuhrpark. Spülen den Staub von zwei Limousinen und den Geländewagen, wischen den dunklen Lack trocken, putzen die Scheiben.

Letzte Station: eine Bundeswehrschießhalle in Berlin-Tegel. Vor der grauen Betonhalle parken Pompluns Geländewagen. Drinnen sind acht Zielscheiben aufgebaut, geschossen wird im Liegen, Stehen und Sitzen. Alle tragen Ohrenschützer, am Klapptisch ganz am Rand sitzt Mike Echo, führt Buch über Treffer und abgefeuerte Schüsse. Zwei Jahre bei der Bundeswehr in Mazedonien liegen hinter dem gelernten Bauarbeiter. Die Ausbildung bei VTP übertrifft seine Erwartungen:

„Man hat sich schon so dran gewöhnt, dass man im privaten Leben, wenn einer meinen Namen ruft: ich hör schon gar nicht mehr drauf. Das ist schon sehr, sehr komisch. Oder wenn einer in die Hände klatscht, oder bei McDonalds, wenn da ein Luftballon platzt: da schmeiß man sich sofort auf den Boden und will eine Waffe ziehen. Also: man ist schon sehr, sehr nervös.“

Mike Echo füllt ein Pistolenmagazin, schiebt die messinggoldenen Patronen nach und nach ins schwarze Gehäuse. Vor zwei Jahren bewirbt er sich bei Feuerwehr und Polizei, aber die lehnen ab. Trotz guter Zeugnisse: Mike Echo ist 35 und einfach zu alt. Jetzt hofft er auf neue Jobs, egal wo.

„Ich hab kein Problem, auch Auslandseinsätze machen. Mal sehen … Auf jeden Fall was Seriöses, wo man wirklich sicher sein kann. Ob ich nun drei Tage Nizza, sechs Tage Afrika, fünf Tage New York … Das ist mir vollkommen egal. Da hab ich kein Problem mit. Das gehört dazu und man sieht die Welt!“

Draußen vor der Halle fährt Pompluns schwarzer Geländewagen vor, seine Azubis räumen ein, es geht zurück nach Potsdam. Das Geschäft mit der Sicherheit floriert, Horst Pomplun hat volle Auftragsbücher. Und gerade haben die Chinesen angefragt. Denn bald ist Olympiade in Peking und Pomplun soll Sicherheitspersonal ausbilden.

„Das ist schon Tatsache in der letzten Zeit stärker geworden. Und sie werden sehen: wenn in Deutschland auch die eine oder andere Sache passiert – was wir nicht hoffen. – Aber das lässt sich gar nicht vermeiden. Das wird einfach kommen. Und dann wird es bestimmt nicht ausbleiben, dass die Nachfrage noch höher steigt. Und dann hat sich die Ausbildung einiger Leute gelohnt.“

Drei Tage dauert noch Modul 6, dann will Mike Echo Bewerbungen schreiben. Und Mike Romeo kann sich vorstellen, noch das siebte und letzte Modul dranzuhängen. Dann lernt er Tauchen und wie man einen Privatjet landet.