"Man wird in gewisser Weise auch mobiler"

Günter Voß im Gespräch mit Marietta Schwarz · 29.10.2012
Viele der Älteren tun sich noch schwer mit Computern und dem Internet. Um das zu ändern, gibt Günter Voß in einem Senioren-Computerclub in Berlin Einführungskurse. Die Teilnehmer entdecken dabei eine ganz neue Welt für sich, erzählt er: "Man hängt nicht so zuhause, man kann sich informieren".
Marietta Schwarz: Das Internet hat unser Leben gravierend verändert, wobei das Nutzerverhalten je nach Alter noch sehr unterschiedlich ist. Während Kinder mit dem Touchscreen förmlich aufwachsen, gibt es in der Generation der Älteren sehr viele, die gar nicht so genau wissen, was sich hinter dem Begriff "Internet" eigentlich verbirgt. 40 Prozent der 60- bis 69-Jährigen und drei Viertel der über 70-jährigen haben das Internet laut Onliner-Atlas noch nicht für sich entdeckt. Das soll sich auch mit einer bundesweiten Aktionswoche ändern, die heute startet, organisiert von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen.

Günter Voß ist 63 Jahre alt und gibt in einem Senioren-Computerclub in Berlin Kurse. Guten Tag, Herr Voß.

Günter Voß: Einen wunderschönen guten Tag!

Schwarz: Wie alt sind denn die Leute in Ihren Kursen?

Voß: Es gibt relativ junge, die sind dann frühberentet, also auch in meinem Alter, Anfang 60. Es gibt aber auch Teilnehmer, die schon die 80 überschritten haben.

Schwarz: Und mehr Männer oder mehr Frauen?

Voß: Es sind in der Regel mehr Frauen. Männer tun sich da so ein bisschen schwer, auch in einer kleinen Gruppe eventuell zuzugeben, dass sie vielleicht nicht ganz so auf der Höhe der Zeit sind. Frauen tun sich da ein bisschen leichter.

Schwarz: Und das sind alles Leute, die mit dem Computer grundsätzlich nicht fremdeln?

Voß: Sie kommen hierher, weil in aller Regel ein konkreter Anlass besteht – sei es, dass Enkel weggezogen sind, dass man unbedingt E-Mail schreiben lernen will, dass man Skypen lernen will, oder dass die Enkel der Oma oder dem Opa ein Laptop schenken, weil sie für ihre Spiele jetzt ein etwas flotteres Gerät brauchen, und dann steht es da und dann kommt immer der fordernde Hinweis, na Oma, jetzt musst Du aber mal.

Und dann kommen die Seniorinnen und Senioren zu uns und wir arbeiten hier in kleinen Gruppen, maximal sechs Personen in einem solchen Kurs, und dann gehen wir Schritt für Schritt, versuchen wir, diese Hemmschwelle – ich sage immer nicht Angst; die Senioren haben keine Angst vor der Technik, sie haben bestimmte Hemmnisse -, wir versuchen einfach, die Hemmschwelle nach und nach zu senken.

Schwarz: Und was erlernen diese älteren Leute jetzt eher leicht und wo merken Sie, dass sie sich schwer tun?

Voß: Es ist natürlich mit dem Lernen im Alter ein bisschen schwierig. Man muss mehr wiederholen und was bei älteren Menschen auch schwieriger ist, ist sozusagen diese feinmotorische Geschichte, wie handhabe ich die Maus richtig, wie funktioniert das mit dem Doppelklick, kann ich das einstellen, wenn ich den Doppelklick nicht so ganz schnell beherrsche. Um solche Dinge kümmern wir uns dann.

Schwarz: Das hat ja möglicherweise auch etwas mit den Geräten zu tun. Ich könnte mir vorstellen, dass ein Touchscreen und die berühmte intuitive Bedienung den älteren Menschen entgegenkommen. Ist das so?

Voß: Das ist so. Wir haben seit dem Sommer und noch bis zum Frühjahr nächsten Jahres in Zusammenarbeit mit der Stiftung Digitale Chancen und der EPlus-Gruppe hier eine Anzahl von solchen Tablet-PCs zur Verfügung gestellt bekommen und trainieren sozusagen ältere Menschen mit dieser neuen Technik. Auch unsere stationären Computer haben eine solche Touchscreen-Oberfläche, wir haben uns die im vergangenen Jahr kaufen können, und freuen uns deshalb schon auf Windows 8.

Schwarz: Das heißt, das Smartpad, so klein und so leicht wie es ist, ist für Senioren möglicherweise das beste Gerät?

Voß: Das beste, weiß ich nicht so unbedingt. Man wird immer einen Kompromiss finden müssen. Manch einer möchte gerne mobil damit unterwegs sein, da ist das ganz gut; manch einer möchte aber das sozusagen nicht mit sich herumtragen und lieber etwas Stationäres zuhause haben. Es kommt immer auf den konkreten Anlass an.

Wir machen ja nicht nur Schulungen an den Vormittagen, wir sind in dem Sinne keine Senioren-Computerschule, sondern wir sind ein Club. Nachmittags treffen sich dann ja hier bei uns Interessierte, die sich in verschiedenen Interessengemeinschaften organisiert haben. Digitale Fotografie und Bildbearbeitung steht ganz oben auf der Liste, dann diese kleinen Fotoapparate, wo man keinen Film mehr braucht und auch den Farbfilm nicht vergessen kann, fast jeder hat so ein Ding und man möchte natürlich dann ganz gerne etwas mehr damit machen.

Schwarz: Sie haben vorhin erwähnt, es geht darum, dass die Leute meistens aus einem bestimmten Anlass kommen, sie werden mit einem Problem konfrontiert. Geht es denen meistens um Kommunikation, um das E-Mailen mit denen, die nicht mehr in der Nähe wohnen, oder ähnliche Dinge?

Voß: Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Eine andere Sache, die man auch nicht vernachlässigen sollte: Wir haben mal so einen konkreten Fall gehabt. Da ist der Ehepartner verstorben, der sich bisher um alles gekümmert hat, auch sehr viel Bankgeschäfte und so online gemacht hat. Der Partner ist weg, ist verstorben, und dann war guter Rat teuer und dann musste es alles ganz schnell gehen. Deshalb beschäftigen sich zunehmend auch die Senioren auch im fortgeschrittenen Alter mit solchen Dingen, um dann gewappnet zu sein.

Eine Sache, die man auch immer wieder hört, wenn dann so ein Kurs beendet ist, dass man sich auch neue Welten erschließen kann dadurch. Man wird in gewisser Weise auch mobiler, also man hängt nicht so zuhause, man kann sich informieren, man kann sich Eintrittskarten vorbestellen oder sogar kaufen, und das ist eine Welt, die man im wahrsten Sinne des Wortes entdeckt und sich erschließt.

Schwarz: Also auch eine Form von Teilhabe. Günter Voß über Computer- und Internet-Kurse für Senioren. Danke für diese Informationen, Herr Voß!

Voß: Keine Ursache.

Schwarz: Und mehr zur Internet-Woche für Senioren finden Sie natürlich im Internet, auf der Seite der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen www.bagso.de.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.