„Man will ihn diskreditieren“

Birgitt Bender im Gespräch mit Jan-Christoph Kitzler |
Die Grünen-Politikerin Birgitt Bender warnt die Koalition davor, den Chef des <papaya:link href="http://www.iqwig.de/“ text="Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)“ title="Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ target="_blank“ />, Peter Sawicki, abzulösen. „Jetzt wird etwas herbeigezogen, um an seinem Stuhl sägen zu können“, sagte Bender über angeblich falsche Spesenabrechnungen.
Jan-Christoph Kitzler: Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, hinter diesem Wortungetüm verbirgt sich eine Einrichtung, die keinen guten Ruf hat bei der Pharmaindustrie, denn das IQWiG ist so eine Art unabhängiger Medikamenten-TÜV, der die Pharmariesen immer dann ins Schwitzen bringt, wenn es feststellt, dass ein Medikament keinen richtigen Nutzen hat oder zu teuer ist. Dann wird dieses Medikament möglicherweise nicht verschrieben, und dann wird es teuer für die Konzerne.

Das Institut hingegen hat einen guten Ruf bei Forschern, die Wert auf unabhängige Untersuchung legen. Doch das wird seinem Chef, Peter Sawicki, möglicherweise nicht viel nützen. Die schwarz-gelbe Koalition möchte einen pharmafreundlicheren Leiter an der Spitze installieren, und deshalb soll Sawicki nun unter anderem mit Hilfe von Reisekostenabrechnungen um seinen Job gebracht werden.

Über den Fall Sawicki spreche ich jetzt mit Birgitt Bender, der gesundheitspolitischen Sprecherin der Grünen im Bundestag. Guten Morgen!

Birgitt Bender: Guten Morgen.

Kitzler: Was denken Sie? Wird Peter Sawicki auch über den August hinaus im Amt bleiben?

Bender: Ich habe große Zweifel daran, denn wenn man jetzt sieht, dass, wie Sie richtig beschrieben haben, die Ergebnisse des Prüfberichtes an die Öffentlichkeit lanciert werden, dann hat das ja einen Zweck. Man will ihn diskreditieren und eine Entscheidung, ihn nicht weiter zu beschäftigen, rechtfertigen, und das soll dann nicht so aussehen, als hätte man einen pharmakritischen Experten abgesägt, sondern, als wäre der über Spesenabrechnungen gestolpert.

Kitzler: Das heißt, an den Vorwürfen ist wenig dran und letztendlich ist das nur ein Ergebnis guter Lobbyarbeit?

Bender: Letztlich kann ich nicht beurteilen, was an diesen Vorwürfen dran ist. Dem Parlament liegt ein solcher Bericht ja auch gar nicht vor. Aber wenn ich das lese, was jetzt kolportiert wird, dann soll es darum gehen, wie groß genau sein Dienstwagen sein durfte, ob er auch Business-Class fliegen durfte und so weiter. Dann denke ich, da wird doch viel herbeigezogen.

Ich sehe Krankenkassen-Manager, ich sehe Pharma-Leute, ich sehe Ärzte-Funktionäre in der Business-Class fliegen und dass ausgerechnet der Leiter des Institutes, das der Pharmaindustrie auf die Finger guckt, das nicht dürfen soll, das mag man so sehen wollen; dann muss man es aber auch so festschreiben, und das wäre mir nicht bekannt. Also ich glaube, es mag sein, dass nicht alles klar war, wie er sich jeweils bei Spesen verhalten soll, aber jetzt wird etwas herbeigezogen, um an seinem Stuhl sägen zu können.

Kitzler: Was hat denn die schwarz-gelbe Bundesregierung, was hat die Pharmaindustrie gegen Herrn Sawicki?

Bender: Die Pharmaindustrie steht unter Druck durch Herrn Sawicki, weil wir immer wieder das Problem haben, dass Mondpreise genommen werden für Medikamente, die neu auf den Markt kommen, aber den Patienten nicht viel mehr nützen als die alten, die schon da waren und die viel billiger sind. Diesem Verhalten versucht das Institut mit seinem Leiter Sawicki an der Spitze einen Riegel vorzuschieben, indem es da eben Gutachten gibt, die dann eine Empfehlung aussprechen, was den Preis angeht.

Darüber gibt es die ganze Zeit vehemente Auseinandersetzungen, die Pharmaindustrie hat sich gegen die Einrichtung des Institutes gewehrt, sie hat sich gegen die Verfahren gewehrt. Irgendwann hat sie gesagt, wir akzeptieren das, aber es gab ständig neue Vorwürfe und Versuche, den Leiter des Institutes, also Herrn Sawicki, als Person zu diskreditieren, und offensichtlich ist die Pharmaindustrie bei der jetzigen Regierung damit gut gelandet, so wie die Hoteliers auch mit ihrer Forderung nach Mehrwertsteuerermäßigung.

Kitzler: Hat sich denn die Qualität der Kontrolle der Industrie so wesentlich verbessert, seit es das IQWiG gibt?

Bender: Es hat etliche Entscheidungen gegeben, die dazu geführt haben, dass die Preise, die die Pharmaindustrie haben wollte, sich nicht mehr realisieren ließen. Jüngst haben zwei Pharmafirmen auch vor Gericht verloren, da wurde die Position des IQWiG bestätigt, und da wurde als ein wirtschaftlicher Schaden für eine der Firmen zwölf Millionen Euro angegeben.

Das ist dann gleichzeitig der Gewinn für die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung. Dass da eine Pharmafirma nicht einfach sagt, na ja, dankeschön, kann uns gar nichts besseres passieren, das ist nachvollziehbar. Deswegen müssen die Verfahren auch transparent sein. Aber wir können auf dieses Institut und auf jemand, der etwas von der Sache versteht und engagiert ist, nicht verzichten.

Kitzler: Dazu muss man natürlich sagen, das Institut könnte seine Arbeit auch ohne Herrn Sawicki machen, oder?

Bender: Das Institut kann natürlich im Prinzip auch personell anders besetzt sein, aber es gibt zu denken, dass im Koalitionsvertrag ja bereits steht, man wolle die Arbeitsweise des Institutes überprüfen. Wenn also jetzt erst der pharmazeutische Leiter abgesägt wird und dann womöglich das Institut nicht mehr so arbeiten soll wie bisher, dann sieht es duster aus für die Gelder der Versicherten.

Kitzler: Man kann natürlich immer jetzt schön über die Pharmaindustrie schimpfen. Auf der anderen Seite forschen diese Konzerne natürlich auch und tun einiges für den Fortschritt der Medizin. Wird das Engagement der Pharmakonzerne nicht ausgebremst, wenn zu scharf kontrolliert wird, wenn zu viel reguliert wird?

Bender: Man kann es auch umgekehrt sehen. Die Anstrengungen der Pharmaindustrie, die Forschungsanstrengungen, sollen genau in die Richtung laufen, wirklich neuartige Medikamente auf den Markt zu bringen, die tatsächlich auch neue Therapieerfolge für die Patienten bringen können, und dann sollen sie auch einen ordentlichen Preis dafür erzielen können, allerdings keinen Mondpreis.

Aber damit das geschieht und nicht einfach versucht wird, etwas nachzuahmen, was schon da ist, oder einen hohen Preis für etwas zu nehmen, was kaum Fortschritt bringt, dafür braucht man dieses Institut, und wenn man das längerfristig betrachtet, ist das auch im Interesse der Pharmaindustrie.

Kitzler: Die Pharmaindustrie wird also wirkungsvoll durch das IQWiG, die Arzneiprüfstelle, kontrolliert. Wir sprachen über das Gerangel um den Leiter des IQWiG mit Birgit Bender, der gesundheitspolitischen Sprecherin der Grünen im Bundestag. Vielen Dank und Ihnen einen schönen Tag.

Bender: Dankeschön. Ihnen auch!