„Man muss Christ und Tierschützer sein“
„Du sollst nicht töten“ lautet das fünfte Gebot der Christen. Da stellt sich natürlich auch die Frage: Bezieht sich dieses Gebot nur auf Menschen? Ein schwere Frage, die unter christlichen Tierschützern mit „Nein“ beantwortet wird.
Wenn Pastor Holger Janke seinen Gottesdienst vorbereitet, dann muss er immer auch an den Wassernapf denken. Denn in der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde in Hamburg-Langenfelde bietet Janke einen „Gottesdienst für Mensch und Tier“ an. Die Gläubigen bringen vor allem ihre Hunde mit, aber auch Wellensittiche, Meerschweinchen und Katzen waren schon dabei.
Die Tierschutzorganisation Peta hat Janke im vergangenen Jahr zum tierfreundlichsten Pfarrer Deutschlands gekürt. Wegen der Gottesdienste für Mensch und Tier, aber auch wegen Pastor Jankes großen Einsatzes für Tierrechte innerhalb der Kirche. Denn mit deren Haltung zu diesem Thema ist der engagierte Pastor ganz und gar nicht zufrieden.
„Viele Christinnen und Christen leiden darunter, dass die Kirche von der Schöpfung und der Bewahrung redet, und einem liebenden Gott, aber selbst nichts tut, sondern die Jagd und die Massentierhaltung gar nicht thematisiert, sondern den Mantel des Schweigens drüberlegt.“
Der kämpferische Pastor will sich damit nicht abfinden. Der 51-Jährige ist Mitglied des Vereins „Aktion Kirche und Tiere“. Janke kennt viele Christen, die der Kirche Unglaubwürdigkeit vorwerfen und wie er eine deutlichere Position für Tierrechte einforderten. Einige Gläubige seien mit der laxen Haltung der Kirche zu Tierschutzthemen gar so unzufrieden, dass sie austraten und sich nun in anderen Vereinen engagieren, berichtet der Pastor.
Doch legitimiert nicht die Bibel das Töten der Tiere durch den Menschen, die Krone der Schöpfung? In der Schöpfungsgeschichte steht, der Mensch solle sich die Erde untertan machen. Und der Katechismus der katholischen Kirche stellt klar, dass Tiere geschlachtet und Versuche mit ihnen erlaubt sind. Kann man als Christ überhaupt Tierschützer sein?
„Man kann nicht nur, meiner Meinung nach muss man Christ und Tierschützer sein.“
Der Pastor ist selbst Vegetarier und fordert mehr fleischlose Gerichte auf Kirchenveranstaltungen. Das Bibelwort vom „Untertan machen“ interpretiert Holger Janke so:
„Diese unleidliche Formulierung mit dem Untertan sein ist natürlich ein Satz, der die Hybris, also den Eigensinn des Menschen, den Egoismus dermaßen beflügelt, dass er glaubt, wenn er auch sonst nicht groß christlich eingestellt ist, mit diesem einen Satz aus der Bibel ist ihm Tür und Tor geöffnet, zu tun und zu lassen was er will. Aber damit verabschiedet er sich oft auch von Gott.“
Zwar tauchen in der Bibel immer wieder Tiere auf – doch die sind aus theologischer Sicht nur als Symbole zu betrachten, erläutert Pastor Holger Janke.
„Die haben dann eine tierische Form. Der Heilige Geist ist eine Taube, Jesus reitet zwar auf einer Eselin, und es gibt Ochs und Esel im Stall von Bethlehem, aber es wird nie über das Tier selbst nachgedacht, sondern das ist mehr so eine Art Dekoration für den Menschen, der dann auch alle Aufmerksamkeit bekommt.“
Dabei ist es ganz natürlich, dass in einer landwirtschaftlich geprägten Gesellschaft wie dem alten Israel Tiere vor allem in ihrem Nutzen gesehen werden. Doch nach Ansicht des kämpferischen Pastors verbietet die Bibel gar den Verzehr von Tieren. Das Gebot „Du sollst nicht töten“ beziehe sich auch auf Tiere als Mitgeschöpfe. Die Schöpfung im Paradies sei fleischlos gewesen, sagt Janke, und der von Gott nur geduldete Fleischgenuss in der Sinnflutgeschichte lediglich Merkmal eines sündigen Menschen.
Auch Tieropfer als Ehrerbietung an Gott seien im Christentum nicht nötig. Tieropfer wurden im Alten Testament anstatt der zuvor üblichen Menschenopfer gefordert – auch, um sich von Sünden reinwaschen. Doch diese Sühne-Praxis ist mit dem Tod von Jesus abgegolten, berichtet Pastor Janke. Der Mensch brauche keine Opfer mehr, um Gott die Ehre zu erweisen. Das Christentum ist ein opferloser Glaube, der nur die Liebe an Gott und dem Nächsten fordere.
Für mehr Tierschutz in der Kirche setzt sich auch Elisabeth Petras ein. Die angehende Religionslehrerin hat ihre Examensarbeit über das Mensch-Tier-Verhältnis in Christentum, Islam und Judentum geschrieben. Petras ist gläubige Christin und Tierschützerin.
„Ich setze mich für ein neues Bewusstsein der Menschen auch gegenüber den Tieren ein. Das Bewusstsein, dass wir Menschen nicht alleine im Zentrum unseren Glaubens oder auch allein im Fokus Gottes stehen, sondern dass wir alle Geschöpfe der Erde sind und dass Gott uns alle liebhat.“
Dabei sei das Bewusstsein für Tiere als Mitgeschöpfe in der theologischen Forschung zwar mittlerweile angekommen.
„Es ist aber noch nicht auf den Kanzeln angekommen und es ist noch nicht in den Herzen der Gläubigen angekommen und es wird auch an der Uni, in der Ausbildung der künftigen Pastoren, kaum gelehrt.“
Die Pastoren sitzen, wie die angehende Religionslehrerin berichtet, zwischen den Stühlen: Tierschützer stünden auf der einen, der Bauernverband auf der anderen Seite.
„Mittendrin sind die Pastoren, die dann einerseits die Bauernschaft nicht vergrätzen wollen, weil sie auch wissen, der Bauernverband hat große Macht. Wenn der über seine Publikationsorgane seine Bauern wiederum beeinflusst, dann treten die – Hilfe, Hilfe – vielleicht aus der Kirche aus.“
Die Kirche versuche, es in Sachen Tierschutz allen rechtzumachen. Das sei zwar prinzipiell in Ordnung, doch solle dem Bauernverband nicht zu viel Einfluss zugestanden werden – sagt Petras. Tierquälerei und Massentierhaltung würden unter den Teppich gekehrt, und die Kirche mache mit – aus Angst vor massenhaften Austritten von Bauern.
Dass der Bauernverband solchen Druck auf seine Mitglieder ausübe, streitet deren kirchenpolitischer Sprecher Michael Lohse allerdings vehement ab. Der Verband übe keinen Einfluss auf die christlichen Kirchen aus, sagt Lohse. Man habe Interesse an einem Dialog, den man auch führe. Bauernfamilien auf dem Land seien die Gesellschaftsgruppe, die am stärksten in der Kirche verankert sei. Deswegen spiele Religion durchaus eine Rolle im Bauernverband, sagt dessen Sprecher. So haben die Mitglieder auf dem jüngsten nationalen Bauerntag den „Stolz auf Geschichte und Traditionen auf Grundlage der christlichen Grundwerte“ gar in ihr Leitbild aufgenommen.
In Hamburg-Langenfelde bereitet Pastor Holger Janke derweil seine nächste große Aktion vor. Weil es ihm stinkt, dass Tierschutz beim Kirchentag im Mai kein Thema ist, organisiert seine Gemeinde einfach einen eigenen Kirchentag – für Mensch und Tier. Der findet parallel zu den offiziellen Veranstaltungen ab dem 2. Mai statt. Warum war dafür im Hauptprogramm kein Platz?
Janke glaubt, Tierschutz sei schlicht ein unbequemes Thema. Menschen müssten einerseits ihren verschwenderischen Tierverbrauch selbstkritisch hinterfragen und andererseits ihre Angst vor tierischen Trieben bewältigen. Doch Pastor Janke macht weiter – und er ist nicht allein:
„Gerade in neuerer Zeit sind ja viele Theologen, die dieses Thema aufnehmen, weil sie sagen: Das brennt unter den Nägeln. Das ist das Thema für das 21. Jahrhundert.“
Die Tierschutzorganisation Peta hat Janke im vergangenen Jahr zum tierfreundlichsten Pfarrer Deutschlands gekürt. Wegen der Gottesdienste für Mensch und Tier, aber auch wegen Pastor Jankes großen Einsatzes für Tierrechte innerhalb der Kirche. Denn mit deren Haltung zu diesem Thema ist der engagierte Pastor ganz und gar nicht zufrieden.
„Viele Christinnen und Christen leiden darunter, dass die Kirche von der Schöpfung und der Bewahrung redet, und einem liebenden Gott, aber selbst nichts tut, sondern die Jagd und die Massentierhaltung gar nicht thematisiert, sondern den Mantel des Schweigens drüberlegt.“
Der kämpferische Pastor will sich damit nicht abfinden. Der 51-Jährige ist Mitglied des Vereins „Aktion Kirche und Tiere“. Janke kennt viele Christen, die der Kirche Unglaubwürdigkeit vorwerfen und wie er eine deutlichere Position für Tierrechte einforderten. Einige Gläubige seien mit der laxen Haltung der Kirche zu Tierschutzthemen gar so unzufrieden, dass sie austraten und sich nun in anderen Vereinen engagieren, berichtet der Pastor.
Doch legitimiert nicht die Bibel das Töten der Tiere durch den Menschen, die Krone der Schöpfung? In der Schöpfungsgeschichte steht, der Mensch solle sich die Erde untertan machen. Und der Katechismus der katholischen Kirche stellt klar, dass Tiere geschlachtet und Versuche mit ihnen erlaubt sind. Kann man als Christ überhaupt Tierschützer sein?
„Man kann nicht nur, meiner Meinung nach muss man Christ und Tierschützer sein.“
Der Pastor ist selbst Vegetarier und fordert mehr fleischlose Gerichte auf Kirchenveranstaltungen. Das Bibelwort vom „Untertan machen“ interpretiert Holger Janke so:
„Diese unleidliche Formulierung mit dem Untertan sein ist natürlich ein Satz, der die Hybris, also den Eigensinn des Menschen, den Egoismus dermaßen beflügelt, dass er glaubt, wenn er auch sonst nicht groß christlich eingestellt ist, mit diesem einen Satz aus der Bibel ist ihm Tür und Tor geöffnet, zu tun und zu lassen was er will. Aber damit verabschiedet er sich oft auch von Gott.“
Zwar tauchen in der Bibel immer wieder Tiere auf – doch die sind aus theologischer Sicht nur als Symbole zu betrachten, erläutert Pastor Holger Janke.
„Die haben dann eine tierische Form. Der Heilige Geist ist eine Taube, Jesus reitet zwar auf einer Eselin, und es gibt Ochs und Esel im Stall von Bethlehem, aber es wird nie über das Tier selbst nachgedacht, sondern das ist mehr so eine Art Dekoration für den Menschen, der dann auch alle Aufmerksamkeit bekommt.“
Dabei ist es ganz natürlich, dass in einer landwirtschaftlich geprägten Gesellschaft wie dem alten Israel Tiere vor allem in ihrem Nutzen gesehen werden. Doch nach Ansicht des kämpferischen Pastors verbietet die Bibel gar den Verzehr von Tieren. Das Gebot „Du sollst nicht töten“ beziehe sich auch auf Tiere als Mitgeschöpfe. Die Schöpfung im Paradies sei fleischlos gewesen, sagt Janke, und der von Gott nur geduldete Fleischgenuss in der Sinnflutgeschichte lediglich Merkmal eines sündigen Menschen.
Auch Tieropfer als Ehrerbietung an Gott seien im Christentum nicht nötig. Tieropfer wurden im Alten Testament anstatt der zuvor üblichen Menschenopfer gefordert – auch, um sich von Sünden reinwaschen. Doch diese Sühne-Praxis ist mit dem Tod von Jesus abgegolten, berichtet Pastor Janke. Der Mensch brauche keine Opfer mehr, um Gott die Ehre zu erweisen. Das Christentum ist ein opferloser Glaube, der nur die Liebe an Gott und dem Nächsten fordere.
Für mehr Tierschutz in der Kirche setzt sich auch Elisabeth Petras ein. Die angehende Religionslehrerin hat ihre Examensarbeit über das Mensch-Tier-Verhältnis in Christentum, Islam und Judentum geschrieben. Petras ist gläubige Christin und Tierschützerin.
„Ich setze mich für ein neues Bewusstsein der Menschen auch gegenüber den Tieren ein. Das Bewusstsein, dass wir Menschen nicht alleine im Zentrum unseren Glaubens oder auch allein im Fokus Gottes stehen, sondern dass wir alle Geschöpfe der Erde sind und dass Gott uns alle liebhat.“
Dabei sei das Bewusstsein für Tiere als Mitgeschöpfe in der theologischen Forschung zwar mittlerweile angekommen.
„Es ist aber noch nicht auf den Kanzeln angekommen und es ist noch nicht in den Herzen der Gläubigen angekommen und es wird auch an der Uni, in der Ausbildung der künftigen Pastoren, kaum gelehrt.“
Die Pastoren sitzen, wie die angehende Religionslehrerin berichtet, zwischen den Stühlen: Tierschützer stünden auf der einen, der Bauernverband auf der anderen Seite.
„Mittendrin sind die Pastoren, die dann einerseits die Bauernschaft nicht vergrätzen wollen, weil sie auch wissen, der Bauernverband hat große Macht. Wenn der über seine Publikationsorgane seine Bauern wiederum beeinflusst, dann treten die – Hilfe, Hilfe – vielleicht aus der Kirche aus.“
Die Kirche versuche, es in Sachen Tierschutz allen rechtzumachen. Das sei zwar prinzipiell in Ordnung, doch solle dem Bauernverband nicht zu viel Einfluss zugestanden werden – sagt Petras. Tierquälerei und Massentierhaltung würden unter den Teppich gekehrt, und die Kirche mache mit – aus Angst vor massenhaften Austritten von Bauern.
Dass der Bauernverband solchen Druck auf seine Mitglieder ausübe, streitet deren kirchenpolitischer Sprecher Michael Lohse allerdings vehement ab. Der Verband übe keinen Einfluss auf die christlichen Kirchen aus, sagt Lohse. Man habe Interesse an einem Dialog, den man auch führe. Bauernfamilien auf dem Land seien die Gesellschaftsgruppe, die am stärksten in der Kirche verankert sei. Deswegen spiele Religion durchaus eine Rolle im Bauernverband, sagt dessen Sprecher. So haben die Mitglieder auf dem jüngsten nationalen Bauerntag den „Stolz auf Geschichte und Traditionen auf Grundlage der christlichen Grundwerte“ gar in ihr Leitbild aufgenommen.
In Hamburg-Langenfelde bereitet Pastor Holger Janke derweil seine nächste große Aktion vor. Weil es ihm stinkt, dass Tierschutz beim Kirchentag im Mai kein Thema ist, organisiert seine Gemeinde einfach einen eigenen Kirchentag – für Mensch und Tier. Der findet parallel zu den offiziellen Veranstaltungen ab dem 2. Mai statt. Warum war dafür im Hauptprogramm kein Platz?
Janke glaubt, Tierschutz sei schlicht ein unbequemes Thema. Menschen müssten einerseits ihren verschwenderischen Tierverbrauch selbstkritisch hinterfragen und andererseits ihre Angst vor tierischen Trieben bewältigen. Doch Pastor Janke macht weiter – und er ist nicht allein:
„Gerade in neuerer Zeit sind ja viele Theologen, die dieses Thema aufnehmen, weil sie sagen: Das brennt unter den Nägeln. Das ist das Thema für das 21. Jahrhundert.“