"Man kann Wetten abschließen, ob nicht irgendwo eine undichte Stelle ist"
Der Historiker und Autor des Buches "Die Päpste. Von Petrus zu Johannes Paul II.", Horst Fuhrmann, berichtet über die Geschichte des Konklaves. Die erste Papstwahl in einem abgeschlossenen Raum fand 1241 statt, damit die Wählenden nicht mehr unter Druck gesetzt werden konnten.
Hettinger: Heute Nachmittag beginnt in der Sixtinischen Kapelle in Rom das Konklave zur Wahl des neuen Papstes. 115 Kardinäle stimmen ab, bis dann schließlich der weiße Rauch aus dem Schornstein der Kapelle steigt und es heißt, "Habemus Papam" (Wir haben einen Papst). Woher kommt die Institution Konklave? Wie ist die wandelvolle Geschichte dieser Einrichtung und was sind die Besonderheiten eines Konklaves im Medienzeitalter? Hierüber sprechen wir nun mit Professor Horst Fuhrmann, er ist Historiker und hat ein Buch über das Papsttum geschrieben, ein Standardwerk, "Die Päpste. Von Petrus zu Johannes Paul II.", heißt es. Herr Professor Fuhrmann, Konklave kommt vom lateinischen cum clave, mit Schlüssel, ein ziemlich direkter Hinweis darauf, dass die Abstimmenden förmlich weggeschlossen wurden. Woher kommt diese Praxis?
Fuhrmann: Sie ist nicht eigentlich kirchlich. Das haben andere schon vorgemacht, nämlich die norditalienischen Städte im 12. Jahrhundert. Der Doce von Venedig ist im Konklave gewählt worden. Konklave ist eigentlich abschließbarer Raum, kommt schon bei Cicero vor, ist also ein antiker Ausdruck, der sich dann einschrumpfte auf einen abschließbaren Raum, in dem entschieden wird, und zwar bleibt er so lange geschlossen bis die Entscheidung gefallen ist.
Hettinger: Warum hat man das gemacht? Um Beeinflussungen vorzubeugen oder wollte man das Ganze ein bisschen beschleunigen, wenn die wissen, die kommen so schnell nicht raus, dann reißt man sich mehr am Riemen?
Fuhrmann: Es sind ja mehrere Bestandteile, die man sich vor Augen halten muss. Wir haben hier also Kardinäle. Ursprünglich war die Wahl des Papstes, die Wahl des Bischofs von Roms und die Wahl war Klerus und Volk. Da hat man dann 1059 gesagt, das gibt ja ein tolles Tohuwabohu, außerdem haben sich die italienischen Adligen eingemischt, die haben Päpste durchgedrückt. Der deutsche König setzte drei Päpste ab und setze selber einen ein. Um dieses zu verhindern, hat man ein Gremium gebildet. Die Teilhaber waren die Kardinäle. Cardo ist die Angel, der Presbyter Cardinalis ist ein Priester an der Hauptkirche. Als Nächstes muss man ja festlegen, mit welcher Zahl man gewählt ist. Da gibt es den grotesken Fall von Alexander III., 1159, der ist von zwölf Kardinälen gewählt worden und ein Gegenpapst, Victor IV., ist von zwei Kardinälen gewählt worden. Da hat der mit den zwei Kardinälen gesagt, bei mir ist der bessere Teil, die besseren Kardinäle und hat also ein Schisma herbeigeführt. Daraufhin hat dieser Alexander III., ein juristisches Genie, in einem ökumenischen Konzil 1179 bestimmt, es ist jemand gewählt mit zwei Drittel Mehrheit. Das zieht sich dann durch bis in unsere Tage, mit kleinen Modifizierungen. Nun kommt das, worauf Sie angespielt haben, um auf die Kardinäle Druck auszuüben. Es kam eben vor, dass die sehr lange tagten und dann gingen sie auseinander und dann haben sie sich Kräfte geholt, die das dann unter Druck setzten und so weiter. So hat man sie dann in einem geschlossenen Raum eingesperrt. Das erste Konklave, von dem wir wissen, 1241, war gleichzeitig das schlimmste.
Hettinger: Das war dieses so genannte Schreckens-Konklave, glaube ich?
Fuhrmann: Ja, ja, da hat also der Matteo Rosso, das ist ein Senator von Rom gewesen, der Urvater der Orsini, der berühmten Familie Orsini, der hatte in einen Prachtbau eingesperrt, der schön aussah und nichts taugte. Über dem Raum der Kardinäle waren die Wachmannschaften, die dort ihre Notdurft verrichteten, da fiel der Urin runter und wenn es regnete, war die Jauche im Raum und so weiter. Furchtbar. Zwei Monate haben die es ausgehalten, dann haben sie einen Papst gewählt. Aber der Matteo Rosso hatte Pech gehabt, der lebte nur 17 Tage, dann war er aufgrund der Anstrengungen tot.
Hettinger: Dann fing das ganze Elend von vorne an.
Fuhrmann: Es fing wieder an. Da war dann das berühmte Viterbo 1271 und da hat selbst ein Heiliger eingegriffen, der heilige Bonaventura und hat der Bevölkerung gesagt, da müsst ihr Druck ausüben. Dann haben die das Dach abgedeckt und dann haben sie die Essensrationen weggelassen und so weiter und so weiter. Wer da zur Regierung gekommen ist, dessen Pontifikat begann, war Gregor X., und der war vorher nicht Kardinal. Der hat dann eine strenge Konklaveordnung verkündet und diese Konklaveordnung, die hat wirklich gewirkt bis in unsere Tage. Jetzt ist das natürlich alles modernisiert. Man muss eines festhalten, zunächst war die Zahl dieser Kardinäle nicht festgelegt. Das ist dann beim Konzil von Konstanz, so um 1415, auf 50 festgelegt worden. Sixtus V., der hat gesagt, es gibt den Alten Bund, das ist das Alte Testament und der Neue Bund, das ist das Neue Testament, das sind wir. So wie es die Ältesten im Israel gab, 70, gibt es 70 Kardinäle. Das hat erst Johannes XXIII. verändert, indem er die Zahl dann angehoben hat. Wie Sie wissen, gibt es jetzt 120 Kardinäle unter 80, insgesamt sind es, glaube ich, im Augenblick, wenn nicht einer weggestorben ist, 183 Kardinäle.
Hettinger: Dieses Konklave hinter verschlossenen Türen klingt ja nach absoluter Abschirmung, nach größtmöglicher Diskretion. Dennoch hört man ja in der Presse immer wieder von Gerüchten, von Spekulationen, der und der wird es. Wie authentisch sind denn solche vermeintliche Innenansichten?
Fuhrmann: Da ist immer etwas Wahres dran. Sie mussten ja sogar einen Eid auf die Bibel ablegen, dass sie nichts nach außen dringen lassen. Aber das hat noch nie funktioniert. Wir wissen sogar ziemlich genau, wie viel für wen waren, obwohl die Wahlzettel, die werden ja dann, - mit verstellter Schrift hat der Kardinal das dann hingeschrieben -, werden dann verbrannt. Trotzdem kam immer was raus. Die gesamten letzten Wahlen sind ohne Geheimnisbruch nie vonstatten gegangen. Das war immer so. Hier hat man ja etwas Besonderes gemacht. Gucken Sie, in der Sixtinischen Kapelle wird seit 1592 gewählt. Das ist ein Raum, ich glaube 13 mal 40 Meter, da sind 120, und die Sitze sind ganz eng, weil man sich ja dann auch noch bewegen muss, dann sind also dienstbare Geister und so weiter. Das ist jetzt in einem festen Bezirk zu dem Bezirk, in dem die Kardinäle schlafen. Früher war das ja so furchtbar schwierig, die Stanzen Raffaels, da wurden dann die Nachttöpfe hingestellt und Bretterverschläge gemacht und so weiter. Wenn das ein heißer Sommer war, die Fenster waren zugehängt, teilweise auch zugestrichen, da war das nicht auszuhalten. Und es ist ja, ich glaube bei Johannes XXIII., da ist auch ein Kardinal gestorben an Belastung durch diese Atmosphäre. Jetzt gibt es ein, man möchte fast sagen, ironisch, ein Kardinalswohnheim, das ist das Domus Sanctae Marthae. Nun gehen die Kardinäle, entweder sie sind fußschwach, mit einem Bus fahren sie um die Peterskirche herum und dann dringen sie seitwärts in die Sixtinische Kapelle oder sie gehen quer durch Sankt Peter durch, die Treppe runter und gehen dann in die Sixtinische Kapelle. Es ist keine Außenberührung mehr, wie jetzt kürzlich versichert wurde. Es wurden auch alle Räume und Gänge nach Wanzen untersucht. Also, man kann ja richtig Wetten abschließen, ob dennoch nicht irgendwo eine undichte Stelle ist.
Fuhrmann: Sie ist nicht eigentlich kirchlich. Das haben andere schon vorgemacht, nämlich die norditalienischen Städte im 12. Jahrhundert. Der Doce von Venedig ist im Konklave gewählt worden. Konklave ist eigentlich abschließbarer Raum, kommt schon bei Cicero vor, ist also ein antiker Ausdruck, der sich dann einschrumpfte auf einen abschließbaren Raum, in dem entschieden wird, und zwar bleibt er so lange geschlossen bis die Entscheidung gefallen ist.
Hettinger: Warum hat man das gemacht? Um Beeinflussungen vorzubeugen oder wollte man das Ganze ein bisschen beschleunigen, wenn die wissen, die kommen so schnell nicht raus, dann reißt man sich mehr am Riemen?
Fuhrmann: Es sind ja mehrere Bestandteile, die man sich vor Augen halten muss. Wir haben hier also Kardinäle. Ursprünglich war die Wahl des Papstes, die Wahl des Bischofs von Roms und die Wahl war Klerus und Volk. Da hat man dann 1059 gesagt, das gibt ja ein tolles Tohuwabohu, außerdem haben sich die italienischen Adligen eingemischt, die haben Päpste durchgedrückt. Der deutsche König setzte drei Päpste ab und setze selber einen ein. Um dieses zu verhindern, hat man ein Gremium gebildet. Die Teilhaber waren die Kardinäle. Cardo ist die Angel, der Presbyter Cardinalis ist ein Priester an der Hauptkirche. Als Nächstes muss man ja festlegen, mit welcher Zahl man gewählt ist. Da gibt es den grotesken Fall von Alexander III., 1159, der ist von zwölf Kardinälen gewählt worden und ein Gegenpapst, Victor IV., ist von zwei Kardinälen gewählt worden. Da hat der mit den zwei Kardinälen gesagt, bei mir ist der bessere Teil, die besseren Kardinäle und hat also ein Schisma herbeigeführt. Daraufhin hat dieser Alexander III., ein juristisches Genie, in einem ökumenischen Konzil 1179 bestimmt, es ist jemand gewählt mit zwei Drittel Mehrheit. Das zieht sich dann durch bis in unsere Tage, mit kleinen Modifizierungen. Nun kommt das, worauf Sie angespielt haben, um auf die Kardinäle Druck auszuüben. Es kam eben vor, dass die sehr lange tagten und dann gingen sie auseinander und dann haben sie sich Kräfte geholt, die das dann unter Druck setzten und so weiter. So hat man sie dann in einem geschlossenen Raum eingesperrt. Das erste Konklave, von dem wir wissen, 1241, war gleichzeitig das schlimmste.
Hettinger: Das war dieses so genannte Schreckens-Konklave, glaube ich?
Fuhrmann: Ja, ja, da hat also der Matteo Rosso, das ist ein Senator von Rom gewesen, der Urvater der Orsini, der berühmten Familie Orsini, der hatte in einen Prachtbau eingesperrt, der schön aussah und nichts taugte. Über dem Raum der Kardinäle waren die Wachmannschaften, die dort ihre Notdurft verrichteten, da fiel der Urin runter und wenn es regnete, war die Jauche im Raum und so weiter. Furchtbar. Zwei Monate haben die es ausgehalten, dann haben sie einen Papst gewählt. Aber der Matteo Rosso hatte Pech gehabt, der lebte nur 17 Tage, dann war er aufgrund der Anstrengungen tot.
Hettinger: Dann fing das ganze Elend von vorne an.
Fuhrmann: Es fing wieder an. Da war dann das berühmte Viterbo 1271 und da hat selbst ein Heiliger eingegriffen, der heilige Bonaventura und hat der Bevölkerung gesagt, da müsst ihr Druck ausüben. Dann haben die das Dach abgedeckt und dann haben sie die Essensrationen weggelassen und so weiter und so weiter. Wer da zur Regierung gekommen ist, dessen Pontifikat begann, war Gregor X., und der war vorher nicht Kardinal. Der hat dann eine strenge Konklaveordnung verkündet und diese Konklaveordnung, die hat wirklich gewirkt bis in unsere Tage. Jetzt ist das natürlich alles modernisiert. Man muss eines festhalten, zunächst war die Zahl dieser Kardinäle nicht festgelegt. Das ist dann beim Konzil von Konstanz, so um 1415, auf 50 festgelegt worden. Sixtus V., der hat gesagt, es gibt den Alten Bund, das ist das Alte Testament und der Neue Bund, das ist das Neue Testament, das sind wir. So wie es die Ältesten im Israel gab, 70, gibt es 70 Kardinäle. Das hat erst Johannes XXIII. verändert, indem er die Zahl dann angehoben hat. Wie Sie wissen, gibt es jetzt 120 Kardinäle unter 80, insgesamt sind es, glaube ich, im Augenblick, wenn nicht einer weggestorben ist, 183 Kardinäle.
Hettinger: Dieses Konklave hinter verschlossenen Türen klingt ja nach absoluter Abschirmung, nach größtmöglicher Diskretion. Dennoch hört man ja in der Presse immer wieder von Gerüchten, von Spekulationen, der und der wird es. Wie authentisch sind denn solche vermeintliche Innenansichten?
Fuhrmann: Da ist immer etwas Wahres dran. Sie mussten ja sogar einen Eid auf die Bibel ablegen, dass sie nichts nach außen dringen lassen. Aber das hat noch nie funktioniert. Wir wissen sogar ziemlich genau, wie viel für wen waren, obwohl die Wahlzettel, die werden ja dann, - mit verstellter Schrift hat der Kardinal das dann hingeschrieben -, werden dann verbrannt. Trotzdem kam immer was raus. Die gesamten letzten Wahlen sind ohne Geheimnisbruch nie vonstatten gegangen. Das war immer so. Hier hat man ja etwas Besonderes gemacht. Gucken Sie, in der Sixtinischen Kapelle wird seit 1592 gewählt. Das ist ein Raum, ich glaube 13 mal 40 Meter, da sind 120, und die Sitze sind ganz eng, weil man sich ja dann auch noch bewegen muss, dann sind also dienstbare Geister und so weiter. Das ist jetzt in einem festen Bezirk zu dem Bezirk, in dem die Kardinäle schlafen. Früher war das ja so furchtbar schwierig, die Stanzen Raffaels, da wurden dann die Nachttöpfe hingestellt und Bretterverschläge gemacht und so weiter. Wenn das ein heißer Sommer war, die Fenster waren zugehängt, teilweise auch zugestrichen, da war das nicht auszuhalten. Und es ist ja, ich glaube bei Johannes XXIII., da ist auch ein Kardinal gestorben an Belastung durch diese Atmosphäre. Jetzt gibt es ein, man möchte fast sagen, ironisch, ein Kardinalswohnheim, das ist das Domus Sanctae Marthae. Nun gehen die Kardinäle, entweder sie sind fußschwach, mit einem Bus fahren sie um die Peterskirche herum und dann dringen sie seitwärts in die Sixtinische Kapelle oder sie gehen quer durch Sankt Peter durch, die Treppe runter und gehen dann in die Sixtinische Kapelle. Es ist keine Außenberührung mehr, wie jetzt kürzlich versichert wurde. Es wurden auch alle Räume und Gänge nach Wanzen untersucht. Also, man kann ja richtig Wetten abschließen, ob dennoch nicht irgendwo eine undichte Stelle ist.

Horst Fuhrmann: Die Päpste© Beck