Maler Frank Walter

Ein Kampf um Identitätsbildung

05:05 Minuten
Bilder des Malers Frank Walter hängen in der Ausstellung des MMKs.
Starke Farben und zahlreiche Variationen eines Motivs, des eigenen Gesichts zum Beispiel, sind exemplarisch für Frank Walters Bilder. © MMK/Axel Schneider
Von Rudolf Schmitz |
Audio herunterladen
Der auf der Karibikinsel Antigua geborene Maler Frank Walter haderte zeitlebens mit seiner Herkunft. Die Frage der Identität findet sich auch in vielen seiner Bilder wieder. Das Frankfurter Museum für Moderne Kunst widmet ihm nun eine große Ausstellung.
Zweifellos sind das Himmelskörper, Sterne, Planeten, mit Feuerschweif versehene Erscheinungen, die Frank Walter in ekstatischen Farben und oft strikter Geometrie auf kleine Holztafeln gemalt hat.
Abstrakte Formen, durchglüht von einer inneren Vision. Damit eröffnet diese Ausstellung im Frankfurter Museum für Moderne Kunst (MMK). Unwillkürlich fühlt man sich an die schwedische malende Mystikerin Hilma af Klint erinnert.
"Ich glaube, das Interessante ist, dass es eigentlich nicht im klassischen Sinn einen typischen Frank Walter gibt. Wenn man die Ausstellung betritt, sieht man zunächst die kosmologischen Arbeiten, dann gibt es abstrakte Formationen, die wirklich aussehen wie Hilma af Klint", sagt Susanne Pfeffer, Direktorin des MMKs. "Spätestens bei seinen Naturdarstellungen, bei seinen figurativen Werken, merkt man, wie eigenständig und auch wie unterschiedlich sein Werk ist".

Kunst in Miniaturgröße

Susanne Pfeffer hat das komplette Museum freiräumen lassen, um diesen Karibikkünstler zu präsentieren. Und das ist eine gewagte Nummer, denn Walters Malereien sind oft nicht größer als eine Handfläche, haben das Format eines Bierdeckels oder allenfalls die Kantenlänge eines Ellenbogens.
Aber merkwürdigerweise fliegen sie im leer geräumten Museum nicht weg. Oft zeigen sie untrügliches Farbgefühl, oft gibt es zahlreiche Variationen eines Motivs – des eigenen Gesichts zum Beispiel – in denen Frank Walter experimentierend seine Identität überprüft.
Blick in die Ausstellung.
Die meisten Bilder von Frank Walter sind klein: Sie haben das Format eines Bierdeckels oder allenfalls die Kantenlänge eines Ellenbogens.© MMK/Axel Schneider
"Es gibt sehr viele Selbstporträts von ihm selbst in der Landschaft, aber es gibt auch die Selbstporträts, wo er sich selbst als Weißer malt und zeichnet. Was davon zeugt, wie schwierig es ist, als letztendlich gebürtiger kolonialisierter Mensch überhaupt in der Welt des 20. Jahrhunderts eine eigene Identität, eine eigene Kultur zu behaupten und sie auch selbst zu bestimmen und zu definieren. Und ich glaube, dieser Kampf um Identitätsbildung ist ganz wichtig bei Frank Walter. Und der schlägt sich vornehmlich in seinen Selbstporträts nieder", sagt Pfeffer.

Die Deutungshoheit eines Museums

Was sehen wir hier? Art brut in der Zeit der Dekolonisierung? Das jedenfalls ist der Kontext, in den Walters Malerei durch entsprechende künstlerische Kommentare gestellt wird. Schon im Eingang des Museums überrascht eine Palmenallee von Marcel Broodthaers, die den kolonialen Dekorbaum des bürgerlichen 19. Jahrhunderts thematisiert. Er schmückte vor allem die Museen.
"Marcel Broodthaers ist ein Künstler, der in seinem kompletten Oeuvre thematisiert hat: Was ist ein Museum, was ist die Deutungshoheit, was zeigt ein Museum und was verschweigt ein Museum?", erklärt Pfeffer.
Filme von Isaac Julien über den algerischen Psychiater, Theoretiker und Befreiungskämpfer Frantz Fanon oder über den karibischen Karneval in West London thematisieren den Kampf der Kolonisierten um die eigene Stimme, um politische Selbstbestimmung und Identität.
Mehrere bunte Bilderrahmen gestapelt.
Künstlerrahmen: Eine Installation in der Ausstellung.© Rudolf Schmitz/Deutschlandfunk Kultur
Wie bei Susanne Pfeffer nicht anders zu erwarten, ist auch die Ausstellung des Malers Frank Walter ein Statement. Zum oftmals eingeschränkten Blick der Museen und ihrer Sammlungen.

Eine katastrophische Idylle

"Aber ich finde schon wichtig, dass sich der Blick öffnet und man sich bewusst ist, dass in der Sammlung des MMK sehr stark westliche männliche Positionen vertreten sind", sagt Susanne Pfeffer. "Die auch wunderbar sind. Aber ich glaube, die Welt ist noch viel reicher und bunter und das sollte ein Museum auch repräsentieren und damit auch sichtbar und zugänglich für die Besucher machen".
Die Malerei von Frank Walter mag durch diesen Kontext der Dekolonisierung überfrachtet erscheinen. Andererseits aber fühlt man sich an die Charakterisierung erinnert, mit welcher der Kurator Harald Szeemann seinerzeit das Werk des Art brut Künstler Adolf Wölfli beschrieb: "Keine Idylle ohne Katastrophe, keine Katastrophe ohne Idylle".
Die katastrophische Idylle des Frank Walter jedenfalls lohnt das Kennenlernen. Unbedingt.

Frank Walter. Eine Retrospektive.
16. Mai bis 15. November 2020
Museum für Moderne Kunst, Frankfurt a.M.

Mehr zum Thema