Maler des Unheimlichen

Von Michael Köhler · 14.04.2008
Der schottische Maler Peter Doig, der vorwiegend in Trinidad lebt, gilt als einer der wichtigsten Vertreter der Gegenwartskunst. Als solcher ist er in Köln mit dem Wolfgang-Hahn-Preis der Gesellschaft für Moderne Kunst am Museum Ludwig ausgezeichnet worden. Einsame Landschaften in grellen Farben sind sein Markenzeichen.
Der Wolfgang-Hahn-Preis wird seit vielen Jahren in Erinnerung an den gleichnamigen Kölner Sammler verliehen und ist ein Ankaufspreis, den zeitgenössische Künstler erhalten. Wolfgang Bornheim von der Gesellschaft für Moderne Kunst am Museum Ludwig erklärt Sinn und Zweck:

"Er soll dem Museum dienen, das ist der ganz wesentliche Punkt, und als er vor vierzehn Jahren ins Leben gerufen worden ist, war der Kunstmarkt noch ein wenig anders als er heute ist. Letztlich soll er einen Künstler ehren, dessen Oeuvre über Jahre gewachsen ist, der international eine Reputation erworben hat, dessen Arbeiten im Museum Ludwig nicht in der Weise repräsentiert sind, wie es dieser Sammlung entspricht."

Der international angesehene und zeitweilig teuerste Gegenwartsmaler Peter Doig hat dem Museum quasi entgegenkommenderweise ein Bild überlassen, das den Titel trägt "Man dressed as Bat", Mann als Fledermaus verkleidet. Es ist eine aufrecht stehende schwarze Figur auf lindgrünem monochromem, nebelartigem Grund, die einen Arm ausgestreckt hat. Unter dem Flügel ist es blutig rot. Peter Doig gibt zu, vom Karneval beeinflusst zu sein. In Trinidad ist die Fledermaus ein traditionelles Karnevalskostüm. Obgleich er seit drei Jahren in Düsseldorf lehrt, hat Doig noch nie einen Rosenmontagszug erlebt.

Dieses Jahr wurde gerade eine Peter Doig Ausstellung in London eröffnet. Iwona Blazwick von der Londoner Whitechapel Gallery hat ihn als Preisträger ausgewählt.

"Im Feld der Malerei hat er eine neue Sensibilität mitgebracht und für uns ist es geradezu zwingend ihn auszuzeichnen. Überdies hat er der Malerei Neuland erschlossen."

Peter Doig, der in Schottland geboren wurde und in der Karibik und Kanada aufgewachsen ist, hat in England studiert und lebt seit einigen Jahren wieder in Trinidad. Dort, wo es abends um sechs Uhr dunkel wird, scheint eine größere Nähe zum Unheimlichen zu bestehen. Gerne greift er für seine traumartig entrückten Bilder auf Motive aus Kinofilmen zurück.

In seiner Arbeit ist ein neuer Kosmopolitismus, ein neuer Blick auf die Weltkultur, der nichts mit Exotik zu tun hat. Es geht um die alltägliche Kultur, die Landschaften, Traditionen, Erfahrungen und wie man sie zusammenbringt, fusioniert, sie auf der Leinwand destilliert.

Peter Doigs Bilder sind einem Motivkreis verpflichtet. An stillen Gewässern, an Seen oder in Landschaften, die regungslos und geschichtslos scheinen, tut sich etwas - wie bei einer kriminalistischen Spurensuche. Kleine Häuser hinter Bäumen oder Menschen am Strand, allein im Wasser und häufig ein Kanu, sie künden von rätselhaft unheimlichen Ereignissen. Auf die Frage, ob das magischer Realismus sei, wie man gelegentlich über Peter Doigs Malerei liest, entgegnet der Preisträger:

"Nein das würde ich nicht sagen, das ist mir lästig und peinlich. Ich glaube nicht, dass das magische oder realistische Malerei ist."

Er hat auch keine besondere Beziehung zum Abgründigen oder steht mit der dunklen Seite des Lebens auf besonders gutem Fuße. Dafür sind seine Bilder auch zu groß, zu farbig. Sie spielen natürlich mit unserer Weise des Sehens, der Sicht auf die Dinge und die Welt, und der Repräsentation von allgegenwärtigen Bildern. Was wir sehen, sehen wir immer nur im Horizont unserer kulturellen Herkunft. Wasser, Schilf, Kanu, See sind für einen Karibikbewohner etwas anderes als für den Kölner.

Doig ist kein Gauguin fürs Internetzeitalter, sondern ein guter und kluger Maler, der zeigt, dass unsere Erfahrungen unsere buchstäbliche Sicht, immer gebrochene Sicht ist. Nie ist der Blick frei und unschuldig.

"Für mich sind die Bilder nicht besonders glücklich oder magisch-dunkel."

Das meiste, was wir heute erleben, erleben wir aus zweiter Hand, ist medienimprägniert. Da macht es Sinn, dass Peter Doig Fotografien und fotografische Quellen benutzt. Sie bilden über weite Strecken das Arsenal unserer Erinnerungen. Manchmal erscheinen seine Bilder, als hätten Gustav Klimt und Ferdinand Hodler bei Edward Steichen einen Fotokurs gemacht. Im Wasser von Seen spiegeln sich Beine und Füße und am oberen Bildrand ist der Rest einer menschlichen Figur zu erahnen. Bilder, die uns begleiten, sind immer nur Abbilder, nie nur Dokument, sondern Zeugnisse des Fortlebens.

Peter Doig schreibt mit seinen unheimlichen Bildern quasi Briefe über das Sehen. Briefe aus einer anderen Weltgegend, anderen Erfahrungsgegend und anderen Seelengegend. Das macht ihn zu einem der gegenwärtig interessantesten, herausragenden Maler. Wie es dazu kommt?

"Die Bilder passieren halt, ereignen sich. Ich nehme die Situationen, die sich dafür eignen. Und ich sehe mich nicht als Landschaftsmaler oder Stilllebenmaler. Was angemessen ist für das bestimmte, Bild nehme ich."

Aber es kann nicht jedes Ereignis, jeder Anlass, gleich gut für ein Bild sein. Es ist der Blick des Künstlers, des Schriftstellers, auf die Welt, wie er das liest und sieht, nur eben mit Farbe und Leinwand:

"Nicht einfach was passiert, sondern in einer Art wie ein Schriftsteller ein Ereignis betrachtet oder Zeuge wird, so mache ich das in den Bildern."