Malen mit der Kraft der Gedanken
Malen können, auch wenn man keinen Finger mehr rühren kann: das ermöglicht "Brain Painting", ein Computersystem, das mit einem EEG Hirnströme misst und mittels dessen bestimmte Zeichenbefehle auf einem Bildschirm ausführt. Der Maler Adi Hoesle sagt, er sei beim Malen mit dem Programm selbst oft überrascht, wie er unbewusst bestimmte Formen auswählt und diese plötzlich auf der Leinwand erscheinen.
Susanne Führer: Der Dialog zwischen Mensch und Maschine ist ein Thema, seitdem es Maschinen gibt. Die Maschinen wurden immer ausgefeilter, die Bedienung durch den Menschen aber blieb im Wesentlichen dieselbe: Drücken hier, Kurbeln dort. Doch neuerdings gibt es Systeme, die eine Kommunikation zwischen Gehirn und Computer ermöglichen, das Brain-Computer-Interface oder auch die Gehirn-Computer-Schnittstelle.
(…)
Heute beginnt in Berlin ein Workshop über die neusten Forschungsergebnisse auf diesem Gebiet. Da sind nicht nur Wissenschaftler vertreten, sondern auch Künstler, denn eines der Projekte, die vorgestellt werden, heißt "Brain Painting", also in etwa, mit Gedanken malen. Und einer der Entwickler ist der Künstler Adi Hoesle. Guten Tag, Herr Hoesle!
Adi Hoesle: Guten Tag, Frau Führer!
Führer: Ja, erzählen Sie mal, wie geht denn das, Brain Painting? Also ich komm zu Ihnen und sag, ich will mit Gedanken malen. Was passiert dann?
Hoesle: Sie könnten jederzeit zu mir kommen und mit - wie Sie sagen - mit Gedanken malen. Dann würden wir Sie einladen nach Tübingen oder nach Würzburg in ein EEG-Labor und würden sagen, das ist eine Art neues futuristisches Atelier eines Malers, und Sie würden dort mit einer bestimmten Hardware, mit einem EEG versorgt werden und es würden Ihre Hirnströme gemessen werden.
Führer: Eine Haube?
Hoesle: Eine EEG-Haube, ja. Die ist sozusagen die Schnittstelle Gehirn/Maschine in dem Moment. Und dort würden wir Ihre Hirnströme abnehmen, messen, und über eine von uns entwickelte Software könnten wir Sie in das Brain Painting dann einweisen. Und über eine kleine Trainingseinheit, ein Screening von einer Stunde, vielleicht ein halb, können Sie danach schon beginnen, vielleicht die ersten roten Rechtecke zu malen.
Führer: Und wie geht das mit diesen roten Rechtecken? Male ich da jetzt so frei rum oder gibt's da ein Malprogramm, so einzelne Tools, oder wie stelle ich mir das vor?
Hoesle: Sie müssen sich vorstellen, Sie haben anstelle der Leinwand vor sich einen Monitor, den Screen. Sie sind verbunden mit dem EEG, und auf dem Screen sehen Sie eine Art Matrix, auf der verschiedene Tools, die jeder Künstler im Grunde genommen wie eine Malerpalette benutzt, um ein Bild zu malen. Darauf sehen Sie Pinselgrößen, darauf sehen Sie verschiedene Farben, rot, gelb, blau, darauf sehen Sie Transparenzen, da sehen Sie Grundformen der Malerei, ein Rechteck, ein Quadrat, einen Kreis. Mit all diesen Tools können Sie im Grunde genommen via ihre Gedanken malen. Das heißt, Sie wählen letztendlich gedanklich, rein gedanklich, also ohne die Kraft der Muskeln - und das ist auch wirklich das ganz Innovative - wählen Sie rein gedanklich verschiedene Tools aus und manifestieren sie dann auf der Leinwand.
Führer: Also nicht mit der Kraft der Muskeln, haben Sie gesagt, sondern mit der Kraft der Gedanken. Wie ist das Herr Hoesle, haben Sie das mal ausprobiert, ist das anstrengend, ist das sozusagen ein Gedankenkrafttraining?
Hoesle: Es ist in der Tat anfangs sehr anstrengend und irritierend, weil es zu einem eigenartig faszinierenden Bio-Feedback kommt. Ich habe es natürlich als Allererstes ausprobiert, und inzwischen ich würde mal sagen rund 60 Stunden gebrainpaintet, also Bilder entstehen lassen. Das sind etwa zehn große Arbeiten, die ich inzwischen gemalt habe.
Peu à peu, je länger man mit so einer Art der Kreativität arbeitet, umso weniger wird das dann anstrengend. Man kann im Grunde genommen relativ relaxt wie der Maler an der Leinwand losmalen, und je länger eine Sitzung dauert, umso fast meditativer wird es, umso intensiver nimmt man sich selber wahr und beginnt wie in seinem eigenen Gehirn zu surfen und ist selber immer wieder überrascht, wie plötzlich ein rotes Rechteck vielleicht rechts oben erscheint, das man zwar gedanklich ausgewählt hat, aber nicht ganz bewusst wahrgenommen hat, was man ausgewählt hat.
Führer: Herr Hoesle, mit wem machen Sie das, dieses Brain Painting?
Hoesle: Begonnen habe ich in Zusammenarbeit mit der Universität in Tübingen, später mit Frau Professor Andrea Kübler, mit der ich inzwischen seit rund drei Jahren zusammenarbeite, von der Universität Würzburg. Es gibt natürlich dazu einen Bioinformatiker, einen Ingenieur, Sebastian Halder, und Dirk Franz, das ist so das Team, das man hier um sich sammelt. Aber dann haben wir auch begonnen, uns Gedanken zu machen, in welcher Praxisrelevanz denn so in dieser intensiven Forschung etwas erscheinen könnte oder weiterentwickelt werden könnte.
Und natürlich war eine meiner Ideen - ich kannte ja Jörg Immendorff sehr gut, der an der schrecklichen Krankheit ALS erkrankt war, amyotrophe Lateralsklerose, und völlig gelähmt war. Und ich sagte immer zu ihm: Jörg, ich entwickle für dich eine Möglichkeit, damit du ohne die Kraft deiner Hände, ohne die Kraft deiner Muskeln wieder malen kannst. Und das war einer der Motivatoren, würde ich sagen, um so ein Projekt weiterzuentwickeln. Und leider ist ja Jörg Immendorff kurz vorher, bevor wir das in die Praxis umsetzen konnten, verstorben.
Aber zwischenzeitlich haben wir das dann doch in die Praxis überführen können, und es arbeiten momentan drei ALS-Patientinnen bzw. ein Patient mit diesem Brain-Painting-Programm, und Sie können sich vorstellen, dass die plötzlich eine ganz neue Möglichkeit für sich entdeckt haben, um wieder produktiv, kreativ an einer Gesellschaft teilzunehmen. Das macht denen unglaublich Spaß, sie sind motiviert, fast euphorisch gehen sie ran und sagen, ja, ist toll, ich kann endlich wieder ein Bild malen oder auch Emotionen zum Beispiel mit Farben ausdrücken und so weiter.
Führer: Herr Hoesle, ist das denn das Ergebnis für Sie, die so entstandenen Bilder, ist das für Sie sozusagen Kunst oder ist das Therapie?
Hoesle: Es ist beides. Es ist einerseits Kunst, der ganze Prozess ist Kunst. Das Bild als solches ist ja erst mal - Sie müssen sich vorstellen, es ist ja Pionierarbeit, es hat niemand vorher auf der Welt getan. Es sind im Grunde genommen relativ einfache, fast konkrete Malerei oder konstruktivismusnahe Malerei, das darf man so, das Ergebnis, das Bild als solches, nicht unter diesen strengen Kriterien der Kunst betrachten, sondern der ganze Prozess ist natürlich ein künstlerischer Prozess, weil er ganz explizit die Schnittstelle Geist und Körper behandelt, und das könnte man auch anders übersetzt sagen, die Schnittstelle zwischen Produktion und Rezeption.
Andererseits dient es natürlich dazu, Patienten eine Möglichkeit zu geben - und da wird es natürlich auch zur Therapie - die Möglichkeit zu geben, sich kreativ beschäftigen zu können in einem - Sie müssen sich vorstellen, ALS-Patient ist in einem gewissen Endstadium in einem sogenannten Locked-in-Stadium, wo er nichts mehr bewegen kann, weder Hände noch Arme noch sprechen kann.
Führer: Kann ich denn mit Ihrem Programm auch so frei zeichnen, könnte ich jetzt zum Beispiel ein Porträt zeichnen, wenn ich es könnte mit der Kraft der Gedanken, aber jetzt von den technischen Voraussetzungen her?
Hoesle: Auch das wäre möglich, da arbeiten wir gerade daran, dass wir eine zweite Ebene der Software machen, die nicht über das Klassikkonstrukt der P300-Welle funktioniert, sondern das über sogenannte Sensomotorikrhythmen funktioniert. Da kann man dann grundsätzlich eine Art, man könnte sagen, Bleistift rein gedanklich via der gedanklichen Handbewegung steuern, und dann können Sie in der Tat zeichnen.
Führer: Was glauben Sie, Herr Hoesle, ist das eine Art der Kommunikation, auch der Kunst, die Zukunft hat, also nicht nur für Patienten, sondern für alle?
Hoesle: Ich glaube, das ist eine Pionierarbeit und das wird ein Weg sein, den man durchaus visionär beschreiten muss und auch visionär definieren darf und auch artikulieren darf. Schon Ephraim Lessing hat bei "Emilia Galotti" den Prinzen fragen lassen, wäre Raphael ein Genie gewesen, auch wenn er ohne Hände geboren worden wäre? Das ist eine sehr spannende Frage. Und wenn man das jetzt übersetzt und vielleicht eine Vision hat, könnte man sagen, die Vision wäre die, dass im Grunde genommen das Kunstwerk oder der Künstler mit seinen Gedanken, mit seinen mentalen Aktivitäten im Grunde genommen ein Kunstwerk in Echtzeit schaffen könnte, das eine Art Omnipräsenz hätte.
Also stellen Sie sich vor, ich brainpainte hier in Berlin, und gleichzeitig entstehen diese Bilder an fünf verschiedenen Orten - in einem Museum, in einem Kunstverein, in einer Galerie - weltweit. Das wäre sozusagen Malen in Echtzeit omnipräsent, der Künstler ist absent, aber das Bild selber ist präsent. Und vielleicht wird es möglich sein, dass es direkt sozusagen aus dem Kopf heraus des Künstlers in die Rezeption, in den Geist, in den Kopf des Rezipienten gelangen kann.
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Heute beginnt in Berlin ein Workshop über die neusten Forschungsergebnisse auf diesem Gebiet. Da sind nicht nur Wissenschaftler vertreten, sondern auch Künstler, denn eines der Projekte, die vorgestellt werden, heißt "Brain Painting", also in etwa, mit Gedanken malen. Und einer der Entwickler ist der Künstler Adi Hoesle. Guten Tag, Herr Hoesle!
Adi Hoesle: Guten Tag, Frau Führer!
Führer: Ja, erzählen Sie mal, wie geht denn das, Brain Painting? Also ich komm zu Ihnen und sag, ich will mit Gedanken malen. Was passiert dann?
Hoesle: Sie könnten jederzeit zu mir kommen und mit - wie Sie sagen - mit Gedanken malen. Dann würden wir Sie einladen nach Tübingen oder nach Würzburg in ein EEG-Labor und würden sagen, das ist eine Art neues futuristisches Atelier eines Malers, und Sie würden dort mit einer bestimmten Hardware, mit einem EEG versorgt werden und es würden Ihre Hirnströme gemessen werden.
Führer: Eine Haube?
Hoesle: Eine EEG-Haube, ja. Die ist sozusagen die Schnittstelle Gehirn/Maschine in dem Moment. Und dort würden wir Ihre Hirnströme abnehmen, messen, und über eine von uns entwickelte Software könnten wir Sie in das Brain Painting dann einweisen. Und über eine kleine Trainingseinheit, ein Screening von einer Stunde, vielleicht ein halb, können Sie danach schon beginnen, vielleicht die ersten roten Rechtecke zu malen.
Führer: Und wie geht das mit diesen roten Rechtecken? Male ich da jetzt so frei rum oder gibt's da ein Malprogramm, so einzelne Tools, oder wie stelle ich mir das vor?
Hoesle: Sie müssen sich vorstellen, Sie haben anstelle der Leinwand vor sich einen Monitor, den Screen. Sie sind verbunden mit dem EEG, und auf dem Screen sehen Sie eine Art Matrix, auf der verschiedene Tools, die jeder Künstler im Grunde genommen wie eine Malerpalette benutzt, um ein Bild zu malen. Darauf sehen Sie Pinselgrößen, darauf sehen Sie verschiedene Farben, rot, gelb, blau, darauf sehen Sie Transparenzen, da sehen Sie Grundformen der Malerei, ein Rechteck, ein Quadrat, einen Kreis. Mit all diesen Tools können Sie im Grunde genommen via ihre Gedanken malen. Das heißt, Sie wählen letztendlich gedanklich, rein gedanklich, also ohne die Kraft der Muskeln - und das ist auch wirklich das ganz Innovative - wählen Sie rein gedanklich verschiedene Tools aus und manifestieren sie dann auf der Leinwand.
Führer: Also nicht mit der Kraft der Muskeln, haben Sie gesagt, sondern mit der Kraft der Gedanken. Wie ist das Herr Hoesle, haben Sie das mal ausprobiert, ist das anstrengend, ist das sozusagen ein Gedankenkrafttraining?
Hoesle: Es ist in der Tat anfangs sehr anstrengend und irritierend, weil es zu einem eigenartig faszinierenden Bio-Feedback kommt. Ich habe es natürlich als Allererstes ausprobiert, und inzwischen ich würde mal sagen rund 60 Stunden gebrainpaintet, also Bilder entstehen lassen. Das sind etwa zehn große Arbeiten, die ich inzwischen gemalt habe.
Peu à peu, je länger man mit so einer Art der Kreativität arbeitet, umso weniger wird das dann anstrengend. Man kann im Grunde genommen relativ relaxt wie der Maler an der Leinwand losmalen, und je länger eine Sitzung dauert, umso fast meditativer wird es, umso intensiver nimmt man sich selber wahr und beginnt wie in seinem eigenen Gehirn zu surfen und ist selber immer wieder überrascht, wie plötzlich ein rotes Rechteck vielleicht rechts oben erscheint, das man zwar gedanklich ausgewählt hat, aber nicht ganz bewusst wahrgenommen hat, was man ausgewählt hat.
Führer: Herr Hoesle, mit wem machen Sie das, dieses Brain Painting?
Hoesle: Begonnen habe ich in Zusammenarbeit mit der Universität in Tübingen, später mit Frau Professor Andrea Kübler, mit der ich inzwischen seit rund drei Jahren zusammenarbeite, von der Universität Würzburg. Es gibt natürlich dazu einen Bioinformatiker, einen Ingenieur, Sebastian Halder, und Dirk Franz, das ist so das Team, das man hier um sich sammelt. Aber dann haben wir auch begonnen, uns Gedanken zu machen, in welcher Praxisrelevanz denn so in dieser intensiven Forschung etwas erscheinen könnte oder weiterentwickelt werden könnte.
Und natürlich war eine meiner Ideen - ich kannte ja Jörg Immendorff sehr gut, der an der schrecklichen Krankheit ALS erkrankt war, amyotrophe Lateralsklerose, und völlig gelähmt war. Und ich sagte immer zu ihm: Jörg, ich entwickle für dich eine Möglichkeit, damit du ohne die Kraft deiner Hände, ohne die Kraft deiner Muskeln wieder malen kannst. Und das war einer der Motivatoren, würde ich sagen, um so ein Projekt weiterzuentwickeln. Und leider ist ja Jörg Immendorff kurz vorher, bevor wir das in die Praxis umsetzen konnten, verstorben.
Aber zwischenzeitlich haben wir das dann doch in die Praxis überführen können, und es arbeiten momentan drei ALS-Patientinnen bzw. ein Patient mit diesem Brain-Painting-Programm, und Sie können sich vorstellen, dass die plötzlich eine ganz neue Möglichkeit für sich entdeckt haben, um wieder produktiv, kreativ an einer Gesellschaft teilzunehmen. Das macht denen unglaublich Spaß, sie sind motiviert, fast euphorisch gehen sie ran und sagen, ja, ist toll, ich kann endlich wieder ein Bild malen oder auch Emotionen zum Beispiel mit Farben ausdrücken und so weiter.
Führer: Herr Hoesle, ist das denn das Ergebnis für Sie, die so entstandenen Bilder, ist das für Sie sozusagen Kunst oder ist das Therapie?
Hoesle: Es ist beides. Es ist einerseits Kunst, der ganze Prozess ist Kunst. Das Bild als solches ist ja erst mal - Sie müssen sich vorstellen, es ist ja Pionierarbeit, es hat niemand vorher auf der Welt getan. Es sind im Grunde genommen relativ einfache, fast konkrete Malerei oder konstruktivismusnahe Malerei, das darf man so, das Ergebnis, das Bild als solches, nicht unter diesen strengen Kriterien der Kunst betrachten, sondern der ganze Prozess ist natürlich ein künstlerischer Prozess, weil er ganz explizit die Schnittstelle Geist und Körper behandelt, und das könnte man auch anders übersetzt sagen, die Schnittstelle zwischen Produktion und Rezeption.
Andererseits dient es natürlich dazu, Patienten eine Möglichkeit zu geben - und da wird es natürlich auch zur Therapie - die Möglichkeit zu geben, sich kreativ beschäftigen zu können in einem - Sie müssen sich vorstellen, ALS-Patient ist in einem gewissen Endstadium in einem sogenannten Locked-in-Stadium, wo er nichts mehr bewegen kann, weder Hände noch Arme noch sprechen kann.
Führer: Kann ich denn mit Ihrem Programm auch so frei zeichnen, könnte ich jetzt zum Beispiel ein Porträt zeichnen, wenn ich es könnte mit der Kraft der Gedanken, aber jetzt von den technischen Voraussetzungen her?
Hoesle: Auch das wäre möglich, da arbeiten wir gerade daran, dass wir eine zweite Ebene der Software machen, die nicht über das Klassikkonstrukt der P300-Welle funktioniert, sondern das über sogenannte Sensomotorikrhythmen funktioniert. Da kann man dann grundsätzlich eine Art, man könnte sagen, Bleistift rein gedanklich via der gedanklichen Handbewegung steuern, und dann können Sie in der Tat zeichnen.
Führer: Was glauben Sie, Herr Hoesle, ist das eine Art der Kommunikation, auch der Kunst, die Zukunft hat, also nicht nur für Patienten, sondern für alle?
Hoesle: Ich glaube, das ist eine Pionierarbeit und das wird ein Weg sein, den man durchaus visionär beschreiten muss und auch visionär definieren darf und auch artikulieren darf. Schon Ephraim Lessing hat bei "Emilia Galotti" den Prinzen fragen lassen, wäre Raphael ein Genie gewesen, auch wenn er ohne Hände geboren worden wäre? Das ist eine sehr spannende Frage. Und wenn man das jetzt übersetzt und vielleicht eine Vision hat, könnte man sagen, die Vision wäre die, dass im Grunde genommen das Kunstwerk oder der Künstler mit seinen Gedanken, mit seinen mentalen Aktivitäten im Grunde genommen ein Kunstwerk in Echtzeit schaffen könnte, das eine Art Omnipräsenz hätte.
Also stellen Sie sich vor, ich brainpainte hier in Berlin, und gleichzeitig entstehen diese Bilder an fünf verschiedenen Orten - in einem Museum, in einem Kunstverein, in einer Galerie - weltweit. Das wäre sozusagen Malen in Echtzeit omnipräsent, der Künstler ist absent, aber das Bild selber ist präsent. Und vielleicht wird es möglich sein, dass es direkt sozusagen aus dem Kopf heraus des Künstlers in die Rezeption, in den Geist, in den Kopf des Rezipienten gelangen kann.