Magisch belebter Todesraum

Von Dieter David Scholz |
Der italienische Regisseur Stefano Poda, der sich im restlichen Europa längst einen Namen als Regisseur, Bühnenbildner und Lichtdesigner gemacht hat, und dessen Produktionen als ästhetisch bestechende Gesamtkunstwerke gelten, hat im Theater Erfurt mit Verdis "Don Carlo" sein Deutschland-Debüt gegeben.
Auch in der thüringischen Landeshauptstadt hat sich Stefano Poda als origineller Visonär, als Theaterzauberer, Ausstattungs- und Beleuchtungsperfektionst offenbart. Seine Bühne ist ein beeindruckender, schwarzer Raum, in dem schwarz gekleidete Menschen agieren, aber es ist ein magisch belebter Todes¬raum für Todgeweihte, eine modernde Gruft, durch die Nebel kriechen und immer neue Lichtwunder sich ereignen und faszinierende Strukturen der Architekturmaterialien wie der Stoffe freilegen.

Eine alptraumhafte Szenerie, in der Symbole spanischer Macht, Symbole der Kirche, des Todes und des Universums die Themen des Stücks andeuten, ohne es festzulegen auf allzu eindeutig Historisches. Kruzifixe, Leichenberge, ein gewaltiger Weihrauchkessel, der durch den Bühnenraum geschwenkt wird, ähnlich dem in der Kathedrale von Santiago de Compostela, ein gigantisches Modell der Planetenbahnen. Der Mensch erscheint vor solchen Symbolen klein und nichtig. Es sind schrecklich-schöne Vanitas-Bilder, die Poda zeigt. Aber sie leben, denn Hubpodien und Drehbühne sind ständig im Einsatz. Ein Gesamtkunstwerk voller theatralischer Wunder und ohne jede Aktualisierung. Stefano Poda vertraut der zeitlosen Aktualität des Stücks.

Es geht im ""Don Carlos" ja um die Unvereinbarkeit von privatem Glück und Politik, um das absolutistische System Philipps des Zweiten, den Fanatismus der katholischen Inquisition und den Freiheitskampf der Niederlande. Es geht aber auch um einen Vater-Sohn Konflikt und um die Einsamkeit der Herrschenden. Stefano Podas Inszenierung zeigt vor allem eine vom Katholizismus verdüsterte, freud- und trostlose Welt der der Todessüchtigkeit. Die Menschen schleppen sich hinfällig durch ein irdisches Jammertal!

Kruzifixe und die nageldurchbohrte Hand des Gekreuzigten dominiert den Bühnenraum. Eine Metapher über die Grausamkeit und Lebensfeindlichkeit des Lebens unterm Joch eines fanatischen Katholizismus, ja im Grunde über die Einsamkeit des modernen Menschen. Eben darum geht es ja in Verdis Oper. Man spielt sie in Erfurt in der kompakten vieraktigen italienischen (Mailänder) Fassung. Ein Glücksfall ist der Dirigent Manlio Banzi, der Verdis "Don Carlos" als existentiell erschütterndes Musikdrama hörbar macht. Das ist ein düsterer Verdi, der weh tut, geschärft bis zur äußersten Brutalität, die musikalische Beglaubigung der Inszenierung von Stefano Poda.

Was sie Besetzung der Oper angeht, so ist der kurzfristig umbesetzte Philipp von Georg Zeppenfeld ein Glücksfall. Er ist einer der beeindruckendsten jungen deutschen Bassisten. Aber auch der Posa von Kartal Karagedik und der Großinquisitor von Vazgen Ghazaryan nehmen für sich ein. Die Elisabeth von Ilia Papandreou ist hingegen im Verdi-Fach hörbar nicht zuhause. Dariya Knyazyeva als Eboli wirft sich zwar mächtig ins Zeug, stimmlich und darstellerisch, doch ihre Koloraturengelenkigkeit und Höhensicherheit lassen zu wünschen übrig. Dass der Tenor Richard Carlucci wegen Krankheit nur eingeschränkt die Titelpartie des Don Carlo singen konnte, sieht man ihm nach. Immerhin hat er gespielt du gesungen, und damit die Premiere gerettet. Trotz genannter stimmlicher Einschränkungen eine faszinierende Produktion, die vom regietheatemüden Publikum geradezu frenetisch gefeiert wurde.