Magazin des mündigen Verbrauchers

Von Winfried Sträter |
Während Anbieter von Waren und Dienstleistungen immer wieder gerichtlich gegen die Stiftung Warentest zu Felde ziehen, genießt das unabhängige Institut bei den Verbrauchern hohes Ansehen. Immerhin 96 Prozent der Deutschen kennen die Stiftung Warentest und rund ein Drittel verlässt sich bei Kaufentscheidungen auf ihre Testergebnisse. Vor 40 Jahren wurde die Stiftung Warentest gegründet und veröffentlicht seitdem ihre Qualitätsprüfungen im "test".
Im Januar dieses Jahres hatte Franz Beckenbauer, der Präsident des Organisationskomitees für die Fußball-Weltmeisterschaft, einen seiner berühmt-berüchtigten Wutausbrüche. Der Anlass: Die Stiftung Warentest hatte die Sicherheit der WM-Stadien untersucht und Mängel entdeckt. Vor allem in Paniksituationen seien nicht alle Stadien sicher. Franz Beckenbauer polterte, ihm reiche es jetzt mit dem Heer der Besserwisser und Wichtigtuer, die Stiftung Warentest sei normalerweise für Gesichtscreme und Toilettenpapier zuständig; was sie sich hier erlaube, sei eine Frechheit.

Die Stiftung Warentest war etwas überrascht über derart aggressive Reaktionen auf ihre Studie – aber im Grunde war das nichts Neues. Immer wenn sie Waren und Dienstleistungen auf ihre Qualität hin untersucht und die Ergebnisse in den Test-Heften veröffentlicht, bewegt sie sich auf vermintem Gelände. Schlechte Testergebnisse erfreuen keinen Hersteller und keinen Anbieter von Dienstleistungen. Im Zweifelsfall werden die Gerichte angerufen – denn an den schlechten Ergebnissen ist selbstverständlich nicht der Hersteller, sondern die Stiftung Warentest schuld.

Eigentlich sollte es die Stiftung gar nicht geben. Das fand schon die bundesdeutsche Industrie in den 50er Jahren, als die Gründung einer solchen Stiftung diskutiert wurde.

"Die Hersteller sind ... zu entsprechenden Anstrengungen und Qualitätsprüfungen genötigt. Sie unterrichten auch die Verbraucher in ausreichendem Maße durch Prospekte, Anzeigen und sonstige Werbung über die Eigenschaften und Verwendbarkeit der Geräte."

Mit diesen Argumenten wandte sich der Bundesverband der Deutschen Industrie gegen die Gründung eines unabhängigen Warentests. Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard aber kämpfte für die Stiftung – denn die war für ihn ein Element der Marktwirtschaft, zu der ein mündiger Verbraucher gehörte:

"Er soll wach sein, er soll auf dem Markt sich nicht so benehmen wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird, sondern soll erkennen lassen, dass er Widerstand leistet gegen allzu leichtfertige Bewegungen im Markt. Er soll sich nicht darüber ärgern, wenn irgendwo etwas teurer ist, sonder soll sich darüber freuen, dass es auch billigere Einkaufsmöglichkeiten gibt. Er soll wählen. Er soll seiner Verärgerung, wenn sie so wollen, Luft machen. Sie sollen spüren, dass sie es nicht mehr mit einer fühllosen Masse zu tun haben, sondern mit bewusst gewordenen Verbrauchern."

Es dauerte Jahre, bis der Widerstand der Industrie gegen eine unabhängige Warentest-Institution überwunden war. 1962 verkündete Bundeskanzler Adenauer in seiner Regierungserklärung:

""Der Bundesminister für Wirtschaft wurde beauftragt, möglichst bald die Errichtung einer Körperschaft für neutrale Warenteste zu veranlassen." (Applaus)"

Ein erster Versuch hatte gezeigt, wie groß das Interesse der Verbraucher war: Seit 1961 erschien die Zeitschrift "DM" mit Testergebnissen. Die Hefte fanden reißenden Absatz – aber die Industrie überzog die Tester mit so vielen Prozessen, dass die Zeitschrift eingestellt werden musste. 1964 setzte die Bundesregierung schließlich die Gründung der Stiftung Warentest durch, und zwei Jahre später erschien die erste Ausgabe der Zeitschrift "test", deren Auflage von 200.000 auf über 700.000 gestiegen ist. Auseinandersetzungen um Testverfahren und -ergebnisse endeten immer wieder vor Gericht – aber in mehreren Grundsatzurteilen bestätigte der Bundesgerichtshof die Arbeit der Warentester.