MaerzMusik - Festival für aktuelle Musik

22.03.2012
Das Festival für aktuelle Musik MaerzMusik - in diesem Jahr vom 17. bis 25. März - steht unter dem Motto "Pole: John Cage 100 – Wolfgang Rihm 60 - Ihr Werk und die Folgen".
MaerzMusik 2012 gleicht einer Versuchsanordnung: mit den beiden Jubilaren John Cage und Wolfgang Rihm stehen sich zwei künstlerische Haltungen gegenüber, die in ihrer jeweiligen Radikalität kaum gegensätzlicher gedacht werden können. Sie lassen sich als Pole eines musikalischen Kosmos der Gegenwart betrachten, der sich als viel-dimensionales kreatives Spannungsfeld stetig fortentwickelt, ohne doch unter dem vermeintlich schützenden Dach des "Anything Goes"-Pluralismus wirklich versöhnt zu sein.

Das Konzert des für seine stilistische Bandbreite bekannten portugiesischen Remix Ensemble mit der Cellistin Sonia Wieder-Atherton unter der Leitung von Peter Rundel stellt neue Werke von Wolfgang Rihm und Emanuel Nunes radikalen avantgardistischen Positionen aus dem Cage-Umfeld gegenüber: Die "stille" musikalische und zugleich theatralische Aktion Sinfonie No. 2 (1962) von Georg Brecht, einem der frühen und wichtigen Akteure der amerikanischen Fluxus-Bewegung, und das John Cage gewidmete Stück Form 2 (1993) von James Tenney, das seine Harmonik aus dem Obertonspektrum des Tons "e" ableitet, es bis zur 27-Stimmigkeit aufbaut und wieder lichtet, bis nur noch ein einziger Ton übrig bleibt. Die zeitlichen Abläufe sind hier in Anlehnung an Cage durch Zeitklammern offen strukturiert und die Interpreten im Raum um das Publikum positioniert.

www.casadamusica.com
www.soniawiederatherton.com

Das Arditti Quartet widmet sich seit seiner Gründung im Jahr 1974 vor allem der Musik des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart. Viele Komponisten, darunter auch John Cage und seine Weggefährten, haben dem Arditti Quartet ihre Werke anvertraut. Bei MaerzMusik präsentiert das Quartett Kompositionen, die aus verschiedenen Perspektiven gewissermaßen "Urzellen" einer spezifischen Vorstellung von minimalistischen Klangprozessen darstellen – ob musikalisch, physikalisch, räumlich oder poetisch.

John Cage war so beeindruckt von dem Spiel des Arditti Quartets, dass er mit ihm 1988 u. a. die Umsetzung und Uraufführung der Music for Four für das Cage-Festival der Wesleyan University erarbeite. Die Partitur besteht aus vier unabhängig voneinander zu spielenden Stimmen, die vollständig notiert sind. Die Musiker bestimmen mit Stoppuhren die zeitlichen Abläufe. Besondere Elemente dieses Werks sind die Verwendung von Mikrotonalität und die räumliche Positionierung der Musiker, die weit entfernt oder voneinander abgewandt sitzen, um die Unabhängigkeit der Stimmen zu unterstützen.

Auch Navigations for Strings (1991) des experimentellen Komponisten Alvin Lucier ist ein dem Arditti Quartet gewidmetes Werk. Das von atmosphärischen Signalen inspirierte Stück besteht aus einer kleinen melodischen Zelle, die sich zu einer Linie verdichtet und sich mikrotonal, gleichsam unhörbar im Klangraum bewegt.

Die Five Small Pieces for String Quartet (1956) von La Monte Young sind die ersten Stücke, die der Komponist in Anlehnung an Anton Webern mit 12-Ton-Reihen komponierte. Zugleich zeigen sie die beginnende Entwicklung hin zu Minimalismus und »Dream Chords«.

Minimalistisch, mit nur wenigen zwischen piano und pianissimo lang gehaltenen Tönen und Akkorden, ist auch das Streichquartett (1960) von Terry Jennings, ebenfalls ein eigenständiger Vertreter der Minimal Music.

Auch die Visas (1985/1987), die drei literarisch inspirierten Episoden für Streichquartett des im Januar 2012 verstorbenen italienischen Kontrabassvirtuosen und Komponisten Stefano Scodanibbio, sind Zeugnis einer auf ruhig fortschreitende und mehrdimensionale Klangprozesse konzentrierten minimalistischen Kompositionsweise.

www.ardittiquartet.co.uk
www.berlinerfestspiele.de
http://www.youtube.com/watch?v=QmB2bD8FkXQ



MaerzMusik - Festival für aktuelle Musik

Philharmonie Berlin, Kammermusiksaal
Aufzeichnung vom 21.3.12

George Brecht
Symphony No. 2 (1962)

Wolfgang Rihm
"Versuchung"
Hommage à Max Beckmann für Violoncello und Orchester (2009)

James Tenney
"Form 2 - In memoriam John Cage" (1993)
Deutsche Erstaufführung

Wolfgang Rihm
"Will Sound More Again" für Ensemble (2005/2011)
Deutsche Erstaufführung

Sonia Wieder-Atherton, Violoncello
Remix Ensemble
Leitung: Peter Rundel

ca. 21:10 Uhr Konzertpause mit Nachrichten

Philharmonie Berlin, Kammermusiksaal
Aufzeichnung vom 20.3.12

Terry Jennings
String Quartet (1960)

La Monte Young
"remembering a naiad"
Fünf kleine Stücke für Streichquartett (1956)

Alvin Lucier
"Navigations for Strings" (1991)

Stefano Scodanibbio
"Visas"
Drei Episoden für Streichquartett (1985/1987)

Arditti Quartet:
Irvine Arditti, Violine
Ashot Sarkissjan, Violine
Ralph Ehlers, Viola
Lucas Fels, Violoncello