Märchen für Erwachsene

25.01.2011
In "Die Kinder der Elefantenhüter" muss sich ein 14-Jähriger mit Witz und Humor mit sehr philosophischen Fragen herumschlagen. Der neue Roman des Dänen Peter Høeg wirkt absurd und übertrieben. Aber genau das erzeugt Neugier und macht Spaß beim Lesen.
Der dänische Erfolgsschriftsteller Peter Høeg hat stets betont, dass er sich mit jedem neuen Buch eine neue Welt erschließen möchte. Das ist ihm auch diesmal gelungen. Die Geschichte des 14-jährigen Pfarrersohns Peter ist in Høegs Werk ohne Vorbild. Er hat sich diesmal in die Gedankenwelt eines Heranwachsenden versetzt, der wenig Ähnlichkeit mit Gleichaltrigen besitzt – dazu ist er viel zu klug, bisweilen altklug. Er zeigt Einsichten und Überlegungen, die normalerweise viel Erfahrung und Menschenkenntnis voraussetzen.

Es geht um Freiheit und den verantwortungsvollen Umgang damit, um die Befreiung von Zwängen und den Aufbruch in ein selbstbestimmtes Leben. Und es geht um das Glück im Leben: was es bedeutet, wie man es erlangen kann, was es gefährdet. Alles sehr philosophische Fragen, die der Autor mit viel Humor und Wortwitz aufgreift. Sein Protagonist weiß jedenfalls bestens zu formulieren und flott zu erzählen. Für einen 14-Jährigen hat er einen ungewöhnlich umfangreichen Wortschatz.

Peter spricht uns, die Leser, direkt an. Er duzt uns und erzählt, was ihm und seiner etwas älteren Schwester zugestoßen ist. Peters Vater ist ein Pastor, der seine Gemeinde gern mit Wundern überrascht, wie sie in der Bibel stehen. Verantwortlich dafür ist seine Frau, eine geschickte Elektronikbastlerin, die ihre Haushaltsgeräte per Stimme steuert. Die falschen Wunder bringen den beiden ein enormes Medienecho und sehr viel Geld ein. Den Kirchenoberen sind sie jedoch ein Dorn im Auge. Als das Ehepaar urplötzlich verschwindet, setzt sich eine ganze Heerschar von Verfolgern auf ihre Spur: eine Bischöfin, ein Professor der Psychiatrie, eine Gemeindedirektorin, der Schuldirektor, die Polizei, der Geheimdienst.

Peter und seine Schwester sollen von der Suche ausgeschlossen werden. Das misslingt, die beiden sind den anderen immer eine Nasenspitze voraus. Sie wollen ihre Eltern vorm Gefängnis bewahren, denn so viel ist den Jugendlichen rasch klar: Die beiden hecken irgendeinen Deal aus, der nicht ganz sauber ist. Dabei kommen ihnen einige Schurken in die Quere. Es geht um millionenteure Juwelen, die bei einem Kongress aller Weltreligionen ausgestellt werden sollen. Peter und Tilte haben eine ganze Reihe haarsträubender Abenteuer zu überstehen mit Verkleidungen, Verfolgungsjagden, lebenden Toten, Entführungen, Lug und Betrug, Computerspionage, Erpressungen und einem Sprengstoffanschlag.

Peter Høeg hat sich eine Geschichte ausgedacht, die so absurd und übertrieben daherkommt, dass man neugierig wartet, welche verrückte Volte diese Räuberpistole als Nächstes schlägt. Sie ist völlig unrealistisch, quasi ein Märchen für Erwachsene, das denn auch gut ausgeht. Man amüsiert sich prächtig. Peter Høeg hat einen Roman geschrieben, der seinem Leser zuzwinkert: es ist alles nicht so ernst gemeint, du darfst ruhig lachen, und das tut man denn auch ständig. Ein großer Lesespaß.

Besprochen von Johannes Kaiser

Peter Høeg: Die Kinder der Elefantenhüter
Aus dem Dänischen von Peter Urban-Halle
Carl Hanser Verlag, München/Wien 2010
488 Seiten, 21,90 Euro