"Männer waren an sich das schöne Geschlecht"

Körperkult war eine Männer-Domäne, lange bevor Frauen die Mode entdeckten.
Körperkult war eine Männer-Domäne, lange bevor Frauen die Mode entdeckten. © dpa / pa / Vennenbernd
Barbara Vinken im Gespräch mit Klaus Pokatzky · 26.09.2013
Seit der Französischen Revolution wird Mode den Frauen zugeschrieben. Vorher aber haben vor allem Männer mit ihren Beinen, ihrem Po und ihrem Geschlecht modisch geprotzt, sagt die Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken. Heute habe Mode eine andere Bedeutung - und die sei nicht immer nur positiv.
Klaus Pokatzky: Jetzt mal eine sehr persönliche Frage: Wie sind Sie gerade gekleidet? Wie viel legen Sie dabei von Ihrem Körper frei? Wenn Sie Mann sind, tragen Sie Anzug? "Der Anzug konstituiert den Bürger. Der männliche Anzug ist die Uniform der Demokratie." Das steht im Buch "Angezogen. Das Geheimnis der Mode". Geschrieben hat es Barbara Vinken, Professorin für französische und allgemeine Literaturwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, die ich nun im Studio in München begrüße. Guten Tag!

Barbara Vinken: Guten Tag!

Pokatzky: Frau Vinken, wenn ich keinen Anzug trage, inwieweit bin ich dann überhaupt noch Bürger?

Vinken: Sie sind schon noch Bürger, Sie können ja zum Beispiel kreativer sein oder irgendwie so was. Es müssen ja nicht alle Leute in der Frankfurter Uniform rumlaufen.

Pokatzky: Also mit Frankfurter Uniform meinen Sie die Banker-Uniform! Aber jetzt mal historisch: Was hat der Anzug bedeutet für die Entwicklung des europäischen Mannes vom Untertanen zum Bürger?

Vinken: Ich glaube schon, dass der Anzug da eine ganz entscheidende Rolle gespielt hat und es nicht übertrieben ist, zu sagen, dass er das ikonische Kleidungsstück der Moderne ist und, wie wir sehen, war ihm irgendwie auch wirklich ein universaler, also ein globaler, weltweiter Erfolg beschieden. Im Anzug ist es dem Bürger eigentlich gelungen, seinen Körper in Korporationen zu verschmelzen oder eben in gesellschaftliche Korporationen, in den politischen Körper, in den body politic, und dadurch seinen individuellen Körper praktisch aufzuheben zu größeren Machteinheiten, die dann auch tatsächlich über diesen individuellen Körper hinaus Beständigkeit haben.

Das vollständige Gespräch mit Barbara Vinken können Sie als MP3-Audio nachhören oder hier nachlesen.
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