Macht und Verführung
Eine Vielzahl von Zeichnungen aus gut zweieinhalb Jahrzehnten des Schaffens der italienischen Künstlerin Monica Bonvicini ist derzeit in Hamburg zu sehen. Doch nicht nur die Fülle ihrer Arbeiten auf Papier erstaunt - vor allem die thematische und stilistische Vielfalt macht diese Schau zu einer veritablen Überraschung.
Der Auftakt ist besorgniserregend. Monica Bonvicini hat die Schlagzeile einer Boulevard-Zeitung abgezeichnet: "Seit 10 Jahren nicht mehr aufgeräumt - Berliner Architekt im eigenen Müll erstickt” ist da zu lesen. Überhaupt lässt sie sich von medialen Fundstücken, von Nachrichten und Fotos anregen, und gern auch von Rock- und Popsongs: "How does it feel to be like a rolling stone”. In einer ihrer Serien hat sie Blatt für Blatt Musik-Titel aus den 60er- und 70er-Jahren aufgeschrieben, in denen das Wort "run” vorkommt. Ihr Werk ist ein verspielter Kosmos mit vielen Zeitbezügen.
Sie zeichnet in feinen Linien, malt grobe Konturen, collagiert Bildmotive, verwendet Schablonen und greift auch mal zur Sprühdose mit Autolack. Nur wenige dieser Arbeiten sind Entwürfe für Installationen oder andere Projekte, die meisten haben ihre eigene künstlerische Bedeutung. Es müssen ganz besondere Momente sein, in denen Monica Bonvicini zeichnet, malt und collagiert:
"Das sind eigentlich schöne Momente. Zeichnen ist immer sehr beruhigend, ich arbeite sehr konzentriert. Ich bin in den letzten Jahren nicht so sehr dazu gekommen, wie ich es mir gewünscht hätte. Man braucht Ruhe, um zu zeichnen - und die Ruhe muss man sich auch schaffen."
Es sind so andere Seiten dieser Künstlerin, die man in Hamburg - Harburg kennenlernt: nicht die provokativen Großinstallationen aus leuchtenden Buchstaben, nicht die Fotoprojekte oder jene Alltagsutensilien, die - mit Latex überzogen - wie aus einem Sadomaso-Etablissement wirken.
Dennoch spiegeln sich die thematischen Vorlieben der Künstlerin auch in diesem Teil ihres Oeuvres, bei den Darstellungen auf Papier: Auch hier hat sie sich immer wieder mit Bauarbeitern beschäftigt, Inbildern kraftstrotzender Männlichkeit, faszinierend und lächerlich zugleich. Und wenn sie für eine Serie von Collagen aus diversen Katalogen Betten ausschneidet, entsteht eine Kulturgeschichte dieses Liegemöbels, die mit zusätzlichen Körper-Motiven erotisch aufgeladen ist. Auch ihr Interesse an Architektur als Verkörperung von Schönheit und Herrschaft findet sich auf Papier wieder, und es fehlt nicht an Anspielungen zur Rolle der Frau. Und doch gibt es kein dominierendes Thema.
Besonders auffällig immerhin sind die großformatigen, grob nach Fotos gemalten Bilder von der Hurrikan-Verwüstung in New Orleans. Ihr künstlerische Interesse an diesem Sujet ist aus unterschiedlichen Quellen gespeist:
"Ich habe, als ich jung war, immer das Lied ’Like a Hurricane’ von Neil Young total gerne gehört und dazu getanzt. Hurrikane faszinieren mich seit eh und je - und überhaupt diese Idee von Luft, denn die ist ungreifbar und trotzdem ist sie so stark und kann so gewalttätig sein. Und diese Art von Zerstörung ist nicht aus einem Krieg entstanden oder durch eine Autobombe, sondern weil die Natur - die wir natürlich auch beeinflussen - irgendwann mal ausflippt. Und das finde ich schon irre, weil man alles in einer Sekunde verlieren und niemanden dafür verantwortlich machen kann."
In den zerstörten einfachen Häusern sieht Bonvicini nicht zuletzt eine Demontage des "amerikanischen Traums", der auch in anderen Ländern den Lebensstil bestimmt:
"Diese Zeichnungen zeigen immer ‘one family house’, das ist amerikanisch. Das ist bei mir, wenn man so will, auch eine Kritik an einer bestimmten Ideologie, die dahinter steckt."
Eine engagierte Künstlerin ohne politische Parolen. Auf jüngst entstandenen riesigen Blättern legen sich getuschte, diagonale Schlangenlinien über angedeutete Raster und lösen sie auf. Als ausgesparte Flächen erscheinen einzelne Wörter wie zum Beispiel "rage” - "Wut”.
Ein umfangreiches Oeuvre darf hier besichtigt werden: Monica Bonvicini ist selber beeindruckt, ihre Werke aus gut zweieinhalb Jahrzehnten nun in einem einzigen Gebäude versammelt zu sehen:
"Man zeigt schon sehr viel. Das ist ein bisschen, als ob man in ein Gehirn hineingeht - oder ein gutes Buch liest: dann ist man total dabei."
Nicht nur die Fülle ihrer Arbeiten auf Papier erstaunt - vor allem die thematische und stilistische Vielfalt macht diese Schau zu einer veritablen Überraschung. In Hamburg-Harburg spricht man nicht ohne Grund von einer Neubewertung dieser Künstlerin. Man möchte sie aus einer bestimmten "Ecke" herausholen. Kuratorin Miriam Schoofs:
"Natürlich möchte Monica Bonvicini gar nicht bestreiten und es ist auch ganz offensichtlich, dass sie sich seit den achtziger Jahren auch mit feministischer Literatur, mit männlichen Machtstrukturen nicht nur in der Architektur auseinandergesetzt hat. Das ist ein durchgängiges Thema, das sie bis heute beschäftigt. Aber ihr Werk hat sehr viel mehr Ebenen und Ansätze, die wir hoffen, mit diesen Arbeiten auf Papier herauszustellen und vielleicht auch erstmals zum Teil sichtbar zu machen."
Sie zeichnet in feinen Linien, malt grobe Konturen, collagiert Bildmotive, verwendet Schablonen und greift auch mal zur Sprühdose mit Autolack. Nur wenige dieser Arbeiten sind Entwürfe für Installationen oder andere Projekte, die meisten haben ihre eigene künstlerische Bedeutung. Es müssen ganz besondere Momente sein, in denen Monica Bonvicini zeichnet, malt und collagiert:
"Das sind eigentlich schöne Momente. Zeichnen ist immer sehr beruhigend, ich arbeite sehr konzentriert. Ich bin in den letzten Jahren nicht so sehr dazu gekommen, wie ich es mir gewünscht hätte. Man braucht Ruhe, um zu zeichnen - und die Ruhe muss man sich auch schaffen."
Es sind so andere Seiten dieser Künstlerin, die man in Hamburg - Harburg kennenlernt: nicht die provokativen Großinstallationen aus leuchtenden Buchstaben, nicht die Fotoprojekte oder jene Alltagsutensilien, die - mit Latex überzogen - wie aus einem Sadomaso-Etablissement wirken.
Dennoch spiegeln sich die thematischen Vorlieben der Künstlerin auch in diesem Teil ihres Oeuvres, bei den Darstellungen auf Papier: Auch hier hat sie sich immer wieder mit Bauarbeitern beschäftigt, Inbildern kraftstrotzender Männlichkeit, faszinierend und lächerlich zugleich. Und wenn sie für eine Serie von Collagen aus diversen Katalogen Betten ausschneidet, entsteht eine Kulturgeschichte dieses Liegemöbels, die mit zusätzlichen Körper-Motiven erotisch aufgeladen ist. Auch ihr Interesse an Architektur als Verkörperung von Schönheit und Herrschaft findet sich auf Papier wieder, und es fehlt nicht an Anspielungen zur Rolle der Frau. Und doch gibt es kein dominierendes Thema.
Besonders auffällig immerhin sind die großformatigen, grob nach Fotos gemalten Bilder von der Hurrikan-Verwüstung in New Orleans. Ihr künstlerische Interesse an diesem Sujet ist aus unterschiedlichen Quellen gespeist:
"Ich habe, als ich jung war, immer das Lied ’Like a Hurricane’ von Neil Young total gerne gehört und dazu getanzt. Hurrikane faszinieren mich seit eh und je - und überhaupt diese Idee von Luft, denn die ist ungreifbar und trotzdem ist sie so stark und kann so gewalttätig sein. Und diese Art von Zerstörung ist nicht aus einem Krieg entstanden oder durch eine Autobombe, sondern weil die Natur - die wir natürlich auch beeinflussen - irgendwann mal ausflippt. Und das finde ich schon irre, weil man alles in einer Sekunde verlieren und niemanden dafür verantwortlich machen kann."
In den zerstörten einfachen Häusern sieht Bonvicini nicht zuletzt eine Demontage des "amerikanischen Traums", der auch in anderen Ländern den Lebensstil bestimmt:
"Diese Zeichnungen zeigen immer ‘one family house’, das ist amerikanisch. Das ist bei mir, wenn man so will, auch eine Kritik an einer bestimmten Ideologie, die dahinter steckt."
Eine engagierte Künstlerin ohne politische Parolen. Auf jüngst entstandenen riesigen Blättern legen sich getuschte, diagonale Schlangenlinien über angedeutete Raster und lösen sie auf. Als ausgesparte Flächen erscheinen einzelne Wörter wie zum Beispiel "rage” - "Wut”.
Ein umfangreiches Oeuvre darf hier besichtigt werden: Monica Bonvicini ist selber beeindruckt, ihre Werke aus gut zweieinhalb Jahrzehnten nun in einem einzigen Gebäude versammelt zu sehen:
"Man zeigt schon sehr viel. Das ist ein bisschen, als ob man in ein Gehirn hineingeht - oder ein gutes Buch liest: dann ist man total dabei."
Nicht nur die Fülle ihrer Arbeiten auf Papier erstaunt - vor allem die thematische und stilistische Vielfalt macht diese Schau zu einer veritablen Überraschung. In Hamburg-Harburg spricht man nicht ohne Grund von einer Neubewertung dieser Künstlerin. Man möchte sie aus einer bestimmten "Ecke" herausholen. Kuratorin Miriam Schoofs:
"Natürlich möchte Monica Bonvicini gar nicht bestreiten und es ist auch ganz offensichtlich, dass sie sich seit den achtziger Jahren auch mit feministischer Literatur, mit männlichen Machtstrukturen nicht nur in der Architektur auseinandergesetzt hat. Das ist ein durchgängiges Thema, das sie bis heute beschäftigt. Aber ihr Werk hat sehr viel mehr Ebenen und Ansätze, die wir hoffen, mit diesen Arbeiten auf Papier herauszustellen und vielleicht auch erstmals zum Teil sichtbar zu machen."