Macht und Leidenschaft

Von Stefan Keim |
Der Briefwechsel der Zarin Katharina der Großen mit dem Fürsten Potemkin ist ein faszinierender Einblick in das Seelenleben der Mächtigen – und ein perfekt inszeniertes Hörbuch.
"Eine Flut unsinniger Worte entströmt meinem Kopf. Ich verstehe nicht, was Du daran findest, deine Zeit mit einem derart verwirrten Wesen zu verbringen. Monsieur Potemkin, über welche verflixte Zauberkunst verfügt Ihr, um einen Kopf, den die Welt einst für einen der besten Europas hielt, derart zu verwirren? Es ist Zeit, höchste Zeit, wieder vernünftig zu werden."

Katharina die Große ist eine aufgeklärte Herrscherin, eine Frau, die mehrere Sprachen spricht und sich für Wissenschaft und Kunst interessiert. Wenn ihr die Gedanken durcheinander geraten, ist das eine außergewöhnliche Sache. Und natürlich ein Politikum, das von ihren Beratern misstrauisch beobachtet wird. Zumal derjenige, der die Gefühlsverwirrung der Zarin auslöst, zwar kein Unbekannter, aber doch ein ehrgeiziger Karrierist ist. Fürst Grigori Alexandrowitsch Potemkin ist zehn Jahre jünger als Katharina.

"Erlaubt mir jetzt, allergnädigste Herrscherin, mich Eurer Majestät zu Füßen zu werfen und Euch zu bitten, mir ein aktives Kommando im Heer des Fürsten Prosorowski zu übergeben, in welcher Funktion es eurer Majestät auch immer beliebt. Ohne mich für immer, sondern nur für die Dauer des Krieges in das Heer abzukommandieren."

Josef Ostendorf ist mit seiner weichen, musikalischen Stimme eine ungewöhnliche Besetzung für Fürst Potemkin. Doch die Überraschung verfliegt schnell. Denn im Kern seines Wesens ist dieser Mann kein Kämpfer, sondern ein Lebemann, den Genüssen gänzlich hingegeben, und gleichzeitig ein kluger Kopf, ein Stratege. Im Theaterensemble des Regisseurs Christoph Marthaler hat Ostendorf oft mit Olivia Grigolli gespielt. Grigolli spricht Katharina selbstbewusst und kraftvoll. Gefühle, das hört man gleich, lässt diese Frau nur so weit zu, wie sie es sich leisten kann. Selten lässt sich Katharina gehen, fast immer ist ein Rest Distanz in ihrer Stimme. Potemkin entpuppt sich als krankhaft eifersüchtig. Die zehn Jahre ältere Zarin schwört ihm Treue, überschüttet ihn mit Auszeichnungen und Geschenken, heiratet ihn sogar heimlich. Aber manchmal platzt ihr der Kragen.

"Lass uns um Gottes willen eine Möglichkeit finden, nie wieder zu streiten. Unsere Streitereien entzünden sich immer an nebensächlichem Blödsinn. Wir streiten um die Macht, nicht um die Liebe."

Die Übersetzung nutzt heutiges Vokabular, der Satzbau folgt manchmal den verschlungeneren Vorgaben des 18. Jahrhunderts. Die Bearbeiter und Regisseure Susanne Kittelberger und Robbie Fischer entwickeln auf zwei CDs intensive Psychogramme von zwei prägnanten Persönlichkeiten. Gelegentlich fließen die Sätze und Gedanken Katharinas und Fürst Potemkins – untermalt von Musik aus der Zeit - collageartig ineinander.

"Erlaube mir, mein Schatz – Ich erlaube es – Dir endlich etwas zu sagen, wodurch wie ich glaube unser Streit ein Ende nehmen wird – Je eher, desto besser. – Wundere dich nicht, dass ich Dir unserer Liebe wegen Sorgen mache. – Sei unbesorgt! – Über die unzähligen Wohltätigkeiten hinaus, die Du mir hast angedeihen lassen – Eine Hand wäscht die andere. – hast Du mich in dein Herz geschlossen.- Fest und für immer. – Ich möchte dort der Einzige sein und den Vorrang haben gegenüber allen, die mir voraus gegangen sind. – Das bist Du und wirst es immer sein. – Da keiner Dich so geliebt hat wie ich."

Potemkins Eifersucht zerstört die Beziehung. Katharina sucht sich neue Favoriten, aber Potemkin ist nie ganz abgemeldet. Er bleibt einer ihrer wichtigsten Berater, vor allem in militärstrategischen Fragen. Potemkin annektiert die Halbinsel Krim und beginnt dort mit dem Aufbau eines Verwaltungssystems nach russischem Vorbild. Aber als das Osmanische Reich die Krim zurück erobern will, zeigt Potemkin Schwäche. Sein luxuriöser Lebensstil fordert Tribut.

"Meine Matuschka. Ich bin am Ende meiner Kräfte. Krämpfe quälen mich. Ich bin zu nichts zu gebrauchen. Kaltblütigkeit ist jetzt von Nöten und nicht diese Empfindsamkeit, wie sie mir zu eigen ist. Seid gnädig, erlaubt mir, mich auszuruhen. Wenigstens ein bisschen. Wahrhaftig, ich kann nicht mehr."

Katharinas Antwort ist zwar freundlich im Ton, aber knallhart in der Botschaft.

"Mein lieber Freund Fürst Grigori Alexandrowitsch. Nichts macht mir solche Angst wie deine Krankheit. Aber in eben diesem Moment, mon cher ami, seid Ihr keine unbedeutende Privatperson, die tun und lassen kann, was ihr gefällt. Ihr gehört dem Staat. Ihr gehört mir."

Katharinas Briefwechsel mit dem Fürsten Potemkin ist ein faszinierender Einblick in das Seelenleben der Mächtigen – und ein perfekt inszeniertes Hörbuch.

"Du weißt, meine unschätzbare Seele – Ich weiß – dass ich ganz dir gehöre und dass ich nur dich allein hab. Das ist wahr. (Musik)"

Besprochen von Stefan Keim

Wir streiten um die Macht – nicht um die Liebe. Katharina die Große & Fürst Potemkin
Übersetzt vom Team Jekaterinoslaw
Kaleidophon 2009
2 CDs, 16,95 Euro