Mach Dir den Sonntag untertan

Von Karlheinz A. Geißler |
Bayerns Ministerpräsident Stoiber verändert die Welt. Das aber kann man, zumindest ist das seine Sicht der Dinge, nur von München aus machen. In Berlin, da läuft ja bekanntlich nichts - man sieht’s ja täglich. Da geht nichts weiter, da wird blockiert: Es tagt und tagt und wird nicht heller.
Da wird nach Mehrheiten gesucht die vorab jeder kennt, und wertvolle Zeit wird in sinnlosen und daher überflüssigen Ausschusssitzungen verplempert. Nein, das ist nichts für Herrn Stoiber, den großen Entscheider und nicht ganz so großen Redner. Dort wo man eher ausgelacht als bewundert wird, wenn man mal kräftig auf den Tisch haut, wo das demonstrative Bierkrugstemmen keine Mehrheiten sichert, und wo ordens- und trachtengeschmückte Gebirgsschützenhauptmänner, die es gerne so richtig krachen lassen, nicht allzu frenetisch bejubelt werden, dort fühlt sich der Stoiber Edmund nun wirklich nicht wohl. Das muss man verstehen. Wer’s aber nicht versteht, kann gleich dort bleiben wo er herkommt.

Seit knapp einem Jahr wieder zurück in Bayern und nach einigen profanen und religiösen Bußaktivitäten, u. a. auch einer Wallfahrt in den Vatikan, hat der bayrische Ministerpräsident jetzt wieder seine über alles geliebte weißblaue Volksbühne betreten. Schaut nur her, wie er das gemacht hat! Zapperlopp! Er hat – Oh Benedict erklär uns das! - Gottes Gebot: "Du sollst den Feiertag heiligen", kurzerhand außer Kraft gesetzt. Er hat den Allmächtigen seiner temporalen Richtlinienkompetenz beraubt, und der bayrischen Bevölkerung an dessen Stelle verordnet: "Am siebten Tage sollst Du Dein Auto heiligen".

Seit einigen Wochen nun, so der Beschluss des Landtages in namentlicher Abstimmung, stehen bayerische (!) Waschstraßen auch an Sonn- und Feiertagen für den Karossen-Kult mit seinen diversen Reinigungsritualen zur Verfügung. So ganz wollte man es sich dann doch nicht mit dem lieben Gott und seinem irdischen Bodenpersonal verderben – sorgen die doch für etliche Wählerstimmen – und hat das Sonntagswaschen erst vom Mittagsläuten an erlaubt. Verhindert werden soll, im vormittäglichen Glockengeläut einen Weckruf zu sehen, sich vom Schmutz dieser Welt fortan in der Waschstraße und nicht mehr in den Gotteshäusern zu befreien. Ein mögliches Missverständnis, das durch die bayerische Gesetzesinitiative ja überhaupt erst real werden konnte, da erst seit der Gesetzesänderung, am Tag des Herrn die Seelen und die angeschmutzten Karossen gemeinsam gereinigt werden können. Nicht ganz gleichzeitig, aber zumindest in einem Aufwasch. So geht’s denn zuerst mit schmutzigem Wagen in die Messe und hinterher sogleich zu den rotierenden Bürsten in der nächstliegenden Servicestation.

Seelenwäsche, das ist der wahre bayrische Fortschritt, geht jetzt ohne Zeitverlust in Autowäsche über. Prima! Gelobt sei die bayerische Staatsregierung! Hallelujah!

In naher Zukunft, das ist abzusehen, werden wir dann auf kirchliche Gemeindezentren mit voll integrierter Autowaschanlage treffen. So könnte das seelsorgerische Serviceprogramm der Kirchen multitaskingfähig und kundenfreundlich ergänzt und abgerundet werden. Der Kirchgang würde attraktiver, die Waschanlagen rentabler, die Autofahrer glücklicher. Das ist doch mal wirkliche Kundenorientierung. Was will man mehr – die nächste Wahl ist gesichert.

Ja, ja die bayerische Staatsregierung, sie sorgt sich vorbildlich um die Probleme ihrer Landsleute. Und im Gegensatz zu denen da oben in Berlin, löst sie diese sogar. Soll noch einer sagen, die Bayern wären rückständig. Und heilig ist ihnen auch nichts – zumindest nicht mehr der Sonntag. Wer das alles nicht versteht, sollte sich daran erinnern, dass das Bayerische Fernsehen sein Programm 1953 aus dem Blindenheim (!) der Stadt München gestartet hat. Ja, so san’s eben die Bayern.


Karlheinz Geißler wurde 1944 in Deuerling/Oberpfalz geboren. Er studierte Philosophie, Ökonomie und Pädagogik in München. Seit 1975 Universitätsprofessor für Wirtschafts- und Sozialpädagogik an der Universität der Bundeswehr in München. Gastprofessuren u. a. in Linz, Bremen und Innsbruck. Karlheinz Geißler hat zahlreiche Bücher zum Thema Zeit publiziert, darunter "Zeit leben" (1997), "Zeit" (1998) und zum Thema Bildung "Der große Zwang zur kleinen Freiheit" (1998). Kürzlich erschienen ist das Buch "Wart mal schnell - Minima Temporalia", das auch als Hörbuch (Komplett-Media Verlag) vorliegt.