M wie Monsalvat

    Von Gerald Felber |
    Die Gralsritterburg "Monsalvat", von der schon der Schwanenritter Lohengrin so ergreifend zu erzählen weiß, symbolisiert Wagners Sehnsuchtsziel.
    Ein Sehnsuchtsziel in kristallen blauer Ferne – aber wo liegt es wirklich? Irgendwie Spanisch klingt der Name, den Wagner sich aus Wolfram von Eschenbachs "Parzival"-Epos entlieh. Der allerdings kannte Spanien allenfalls vom Hörensagen, seine Quellen führen in den keltisch-bretonischen Sprachraum zurück, und wer es in Wikipedia allzu genau wissen will, landet am Ende nur bei den vielfältigen Verzweigungen eines einschlägig benamsten Hundezwingers.

    Lassen wir es also dabei: die Gralsburg Monsalvat, wo jener Kelch bewahrt und angebetet wird, in den am Karfreitag das Blut Jesu floss, ist ein Phantasieraum, und kein Mensch wird ihn jemals real sehen. Hören freilich können wir ihn durchaus – wiederum dank Wagner, der uns in seiner letzten Oper nach eben jenem mittelalterlichen "Parzival"-Stoff mitten hineinführt und zu den kultischen Ritualen der im Gralsdienst grau und starr gewordenen Ritter düster-feierlich prunkende Musiken von magischer Suggestionskraft komponiert hat:

    Was sich den genau so großartigen wie gewaltsamen Klängen eben schon anhören lässt: Die Gralsritterschaft auf Monsalvat ist nicht gerade ein Verein von Sympathieträgern. Richard Wagner hatte mit dem Christentum und speziell mit dessen amtskirchlicher Ausformung lebenslang seine Probleme. Die wahre Menschheitsreligion war für ihn ohnehin die Kunst – am besten natürlich die eigene. Dafür dann freilich entnahm er der christlichen Welt, die ihn umgab, durchaus allerlei Brauchbares – und war ihm die menschliche Erlösung lange Zeit nur über den Untergang alles bisher Bestehenden möglich erschienen, so kommt nun im "Parsifal" ganz überraschend doch noch einmal etwas Neues hinzu: die erlösende Kraft des Mit-Leidens, eine Rückbesinnung auf den humanen Kern der christlichen Lehre. Für sie steht das erneuernde Wunder des "Karfreitagszaubers", bei denen die Ereignisse des heutigen Tages eben nicht in Trauer und Ausweglosigkeit münden, sondern als Vision des alten Mönchsritters Gurnemanz eine neue Einheit von Mensch und Natur beschwört.