M. Schindhelm: Merkels Mut zur Ehrlichkeit hat sich nicht ausgezahlt

Der langjährige Bekannte und ehemalige Kollege von Angela Merkel (CDU), Michael Schindhelm, sieht die Spitzenkandidatin der Union als Opfer ihrer eigenen Ehrlichkeit. Er sagte am Dienstag im Deutschlandradio Kultur, ihr Mut, vor der Wahl nichts zu versprechen, habe sich nicht ausgezahlt.
Ihre ehrliche Enttäuschung darüber habe man ihr angesehen, aber jetzt sei sie in den nächsten Akt eingestiegen. Merkel sei ein Mensch, der großen Druck aushalten könne und darüber hinaus überzeugend wirken könne. Dies habe sie in der Vergangenheit bereits bewiesen: Beispielsweise vor drei Jahren, als sie Edmund Stoiber bei der Kanzlerkandidatur den Vortritt lassen musste.

Auf die Frage, ob Merkel dazu bereit sei, bei den Koalitionsverhandlungen auch schwierige Kompromisse einzugehen, sagte Schindhelm: "Ich glaube, dass sie schon vor dem Wahlausgang damit gerechnet hat. Da ist sie Naturwissenschaftlerin und Logikerin genug, um mit allen möglichen Optionen zu rechnen."

Den Erfolg der SPD bei der Bundestagswahl schreibt Schindhelm der medialen Präsenz Gerhard Schröders zu. Dieser beherrsche die Medien-Selbstinszenierung perfekt. Bei Merkel hingegen sehe er noch eine mediale Unsicherheit und Verletzlichkeit, die sie aber sympathisch mache.

Als Theaterregisseur bewertete Schindhelm den Wahlkampf der Union negativ: "Die CDU hat im Vorfeld der Wahl ihre Titelheldin nicht unumschränkt anerkannt. Weitere Darsteller, wie Stoiber, Schönbohm und andere, haben dazu beigetragen, dass das Drama nicht den gewünschten Verlauf genommen hat."

Mit Blick auf die anstehenden Koalitionsverhandlungen zog er die so genannte Jamaika-Lösung einer großen Koalition vor. Die große Koalition würde sich nur mit sich selbst beschäftigen, anstatt die Probleme des Landes zu lösen.

Sie können das vollständige Gespräch in der rechten Spalte als Audio hören.