Lyrische Splitter

Notizen eines Filmstars

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Sam Shepard ist 70 Jahre alt geworden © picture-alliance/ dpa
Von Jörg Magenau · 27.12.2013
Der Schauspieler Sam Shepard hat Homo Faber in einer Schlöndorff-Verfilmung gespielt, Theaterstücke und Drehbücher geschrieben, mit Bob Dylan auf der Bühne gestanden, außerdem war er noch mit Patti Smith liiert. In seinem neu erschienen Buch kreiert Shepard ein Stimmungsbild der USA.
Sam Shepard ist der coole Hund unter den Schauspielern, gern in der Rolle des Lonesome Rider, hierzulande auch bekannt als Homo Faber in der Verfilmung von Volker Schlöndorff. Als Schlagzeuger spielte er mit Mick Jagger, er ging mit Bob Dylan auf Tour, war mit Patti Smith liiert, er schrieb zahlreiche Theaterstücke und Drehbücher – unter anderem für "Paris Texas" von Wim Wenders –, er arbeitete als Filmregisseur, und es scheint nichts zu geben, was er nicht kann.
Jetzt hat er einen Band mit "Stories" vorgelegt, in dem er als Autor von Prosaminiaturen, kleinen lyrischen Splittern und Dialogen zu entdecken ist. Um klassische Kurzgeschichten oder Stories handelt es sich dabei nur ausnahmsweise. Shepard versammelt Momentaufnahmen, Stimmungsbilder zwischen Highway und Maisfeldern, melancholische Blicke aus dem Fenster auf ein staubiges, verrottendes Amerika.
Schreiben verleiht der Leere einen Sinn
Auch der Titel "Drehtage" führt in die Irre, falls man erwartet, etwas über Erlebnisse am Set zu erfahren, oder Selbstauskünfte des Schauspielers vor der Kamera oder des Regisseurs dahinter zu bekommen. Vielmehr handelt es sich wohl eher um Aufzeichnungen, die in Drehpausen entstanden sein könnten, rasche Notizen in eine Schreibkladde, kleine Einfälle zwischendurch. Das Schreiben ist eine Tätigkeit, die all die unvermeidlichen Wartemomente und unbestimmten Augenblicke während der Filmarbeit zu füllen vermag und damit der Leere einen Sinn verleiht.
Zusammengehalten werden die einzelnen Texte durch die Stimmung, vor allem durch eine alles grundierende Einsamkeit. Die schönste, traurigste Geschichte handelt von einem Mann, der im Schneetreiben in der Lobby eines Motels strandet, wo in Endlosschleife Bilder eines Banküberfalls aus dem Fernseher dröhnen, Gewehrsalven und die Schreie der Opfer.
Hier begegnet er einer schönen Frau, die sich als einstige Geliebte zu erkennen gibt. Doch das ist lange her; er kann sich nicht an sie erinnern und lässt sie ungerührt abblitzen. Am Ende der Geschichte aber ist er es, der von Sentimentalität überwältigt in den Telefonhörer schluchzt. Und so lässt Shepard ihn stehen in seinem ihn plötzlich überwältigenden Schmerz.
Banale Bruchstücke
Neben diesen Einzelbildern durchzieht eine seltsame Mordserie das Buch: Menschen werden geköpft, ein Killer zieht einem seiner Opfer die Haut vom Gesicht, ein Mann findet am Straßenrand einen Kopf in einem Korb, der zu ihm spricht und weggetragen werden möchte. Kopf und Leib, so scheint es, fallen in dieser Welt auseinander, und es ist für die, die da herumziehen, nicht möglich, den Zusammenhang wiederherzustellen.
All die Erzählsplitter Shepards handeln vom fragmentierten Ich, das sich von Moment zu Moment durchs Dasein bewegt, ohne zu wissen, wie das alles miteinander zusammenhängt, was eines Tages dann das eigene Leben gewesen sein wird. Die einzelnen Bruchstücke sind notwendigerweise oft banal oder belanglos, manchmal dramatisch und sehr oft nur traurig. Man sollte sie gut dosiert lesen, um diesen Stimmungen gewachsen zu sein.

Sam Shepard: Drehtage. Stories.
Aus dem Amerikanischen von Uda Strätling
S. Fischer, Frankfurt/Main 2013
320 Seiten, 9,99 Euro