Lyriksommer - Dichter empfehlen Gedichte (3)

    Marion Poschmann: Land des dunklen Körpers

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    Die deutsche Schriftstellerin Marion Poschmann © Jürgen Bauer
    Eva Christina Zeller über Marion Poschmann
    Ich bin der Mönch X. auf der Reise nach Matsushima –
    So würde ein Nō-Spiel beginnen.
    Unter der Mönchsmaske reise ich, Pilger und
    Wanderpoet auf den Pfaden der alten Meister
    der Dichtkunst. Unruhig, wie Wolken vorüberziehen,
    bin ich gen Norden geeilt, sah ich Berge in Schleier gehüllt,
    welcher Fuß war der Fuji – ich wußte es nicht.
    Schlierenaufnahmen, Rauchfadenbilder,
    du siehst wieder deine
    Schwarzweißreisen, einst.
    Kiefernwald
    durch beschlagene Scheiben, entgleitende
    Haltepunkte, die einen zubetonierten
    Hintergrund nachziehen.
    Nebelregale, Reiseregen, du hältst es für Übungswetter,
    bei dem du nicht weißt, was du anziehen sollst. Dein
    Vergänglichkeitstrainer rät dir zu langen Gewändern,
    vollgesogen mit Gräsern und Dämmern.
    Sämtliche
    Wolkenbänke wollen durchstoßen sein, flüchtiger
    Stuck an der Decke des Alls.
    Du, Astronaut eines Hallraums
    Knackender Plastikverpackungen,
    blätterst im Schlaf deines Nebenmannes,
    gleitest von einem Wartesaal
    in den nächsten,
    erinnerst dich an elektronisches
    Vogelgezwitscher im Bahnhof, an
    Bashōs Grab in Ōtsu:
    Mücken!
    nur Mücken!
    Suche nicht, heißt es, nach Spuren der Alten,
    suche das, was die Alten suchten.
    Schnell bin ich gereist mit dem Superexpreßzug,
    Meilen um Meilen, nur ein Gedanke, schon
    komme ich an. So reisen Geister.
    (Verlag Suhrkamp 2016)