Lynne Schwartz' "Für immer ist ganz schön lang"

Noch immer mit den gleichen Bandagen

Zwei Kopfkisen liegen auf einem Bett
"Bis dass der Tod euch scheidet" wird versprochen, aber selten eingehalten. Von den Mühen des Ehelebens erzählt auch Lynne Schwartz in "Für immer ist ganz schön lang". © picture alliance / dpa / Maximilian Schönherr
Von Manuela Reichart · 13.10.2015
Vor 35 Jahren bereits erschien Lynne Schwartz' "Für immer ist ganz schön lang" - damals ihr Debüt. Auch ins Deutsche wurde der Roman bereits übertragen. Nun aber hat Ursula-Maria Mössner das Werk neu übersetzt: eindrucksvoll, höchst unterhaltsam und noch immer zeitgemäß.
"Bis dass der Tod euch scheidet" wird versprochen, aber selten eingehalten. Wo man auf der Liebesstrecke stolpert und wie man sich wieder aufrappelt, davon erzählt dieser kluge und unterhaltsame Eheroman.
Sie liegt noch wohlig im Bett, er verlässt die Wohnung, um seine tägliche Laufrunde zu absolvieren. Gerade hatten sie Sex, der Morgen ist schön, die Kinder sind im Ferienlager. Die Beiden sind ein erfahrenes, mittelaltes Paar, gut aussehend, gut situiert. Als die Zeit verstreicht, und er nicht wieder kommt, nicht anruft, beginnt sie sich auszumalen, welche Schrecken ihm zugestoßen sein könnten, wie das Leben mit einem Invaliden, wie es als Witwe aussehen könnte.
Aber dann stellt sie sich plötzlich vor, dass er einfach das Weite gesucht, sie auf diese Weise verlassen haben könnte. Eine überraschende Trennung, letzter Sex, keine Tränen, sie zukünftig alleine mit den beiden Töchtern, er auf dem Sprung in ein neues, familienunabhängiges Leben. "Er war einfach verschwunden wie Gauguin. Sie ließ sich von dieser absurden Idee einhüllen wie von einer weichen Decke. Wie jemand, der sich mit einer Grippe herumschleppt und schließlich kapituliert und sich ins Bett legt, empfand sie es als Erleichterung, sich geschlagen zu geben." Als er schließlich nach Hause kommt und eine simple Erklärung für sein langes Fortbleiben hat, ist sie am Ende ihrer Kräfte.
Warum denkt er so wie er denkt?
Mit einer solchen bekannten Situation aus dem Paarleben beginnt dieser eindrucksvolle Roman, der in einer Rückblende, in einer großen Erinnerungsstrecke von einer langen Ehe erzählt, davon wie die Liebe begann und wie sie im Laufe von 20 Jahren alle Krisen überdauert hat. Es geht um eine zufällige Begegnung, aus der eine lebenslange Bindung wird, um die Frage, wie verändert sich das Paarleben, wenn Kinder kommen, wie geht man damit um, dass der andere so anders ist als man selber und wie damit, dass er bald nicht mehr der verführerische Fremde ist, wie übersteht man eine aufregende Affäre und – vor allem – warum sollte man sich all der Mühe unterziehen.
Die 1939 geborene amerikanische Autorin erzählt in diesem (ihrem 1980 erschienenen Debüt-) Roman eindrucksvoll und höchst unterhaltsam von all den Fragen, die man sich täglich im Zusammenleben stellt: Warum ist er immer unpünktlich, warum denkt er so wie er denkt, warum wird die Beziehung mit den Jahren fader, wie kann man die Liebe in und über den Alltag retten. Und wie schafft man es, das gemeinsame Leben trotzdem als ein großes Glück anzusehen. Dass dabei immer noch – der Roman erschien vor 35 Jahren - Humor und Sympathie helfen, sind unbezweifelbare Erkenntnisse in diesem harten (wie der Originaltitel - besser - lautet: "Rough Strife") Kampf, der über die Jahrzehnte hinweg immer noch mit ähnlichen Bandagen gekämpft wird.
Lynne Schwartz: Für immer ist ganz schön lang
Aus dem Amerikanischen von Ursula-Maria Mössner
Kein & Aber, Zürich 2015
255 Seiten, 20 Euro
Mehr zum Thema