Luxus und Statussymbole

Protzen war gestern

Die Luxusjacht MV Tatoosh von Microsoft-Mitgründer Paul Allen in Venedig, Italien.
Die Luxusjacht von Microsoft-Mitgründer Paul Allen: Es geht auch deutlich subtiler! © imago/stock&people/Manfred Segerer
Lambert Wiesing im Gespräch mit Nana Brink · 17.03.2016
In einer ausdifferenzierten Welt verändern sich auch Luxus und Statussymbole. Das Zeigen der Kaufkraft durch die Rolex am Handgelenk ist längst nicht mehr der einzige Weg, den eigenen Status zu betonen, hat der Luxus-Forscher Lambert Wiesing beobachtet.
Statussymbole verwenden Menschen zur Darstellung von sich selbst. Das müsse aber nicht immer die Kaufkraft sein – auch Überzeugungen, Einstellungen und Stile könnten der Selbstdarstellung dienen, sagte der Philosoph Lambert Wiesing im Deutschlandradio Kultur. "Wir haben Statussymbole oft nur auf das Zeigen von Kaufkraft und Kreditwürdigkeit reduziert – das scheint mir heute deutlich subtiler zu sein", betonte er. Die Menschen symbolisierten ihre Persönlichkeit inzwischen viel "feinfühliger" als früher.
Interessant ist, dass sich die Philosophie noch kaum um den Luxus gekümmert hat – wo seine Disziplin doch sonst immer zur Stelle sei, wenn es um die Klärung schwieriger Begriffe gehe, sagte Wiesing: "Selbst der Kitsch-Begriff ist schon ausführlich thematisiert worden, das Erhabene – und da hat man in der Tat die Situation, dass der Luxus-Begriff bisher kaum bis gar nicht thematisiert wurde, und wenn, eigenwilligerweise, bewertend."

Das Gespräch im Wortlaut:

Nana Brink: Als diese beiden Einladungen auf den Tisch hier bei uns in der Redaktion flatterten oder besser gesagt im E-Mail-Fach landeten, muss man ja heute sagen, nämlich die "Baselworld", das ist die Prestigemesse für Uhren und Schmuck, und die "Retro Classics", das ist die größte Oldtimermesse Europas, in Stuttgart, beide beginnen heute - da haben wir uns natürlich gefragt, sollen wir uns den Luxus leisten, darüber zu berichten, wo es doch so viel anderes gibt? Und damit sind wir schon mitten drin im Thema und hatten eine ganz lebhafte Diskussion nach dem Motto: Sind das Luxusmessen oder sind das nicht eher Statussymbole einer Vergangenheit?
Einer, der sich auskennt mit dieser Materie, das ist Professor Lambert Wiesing. Er hat den Lehrstuhl für Bildtheorie und Phänomenologie am Institut für Philosophie der Friedrich-Schiller-Universität in Jena inne, und er hat ein Buch über den Luxus geschrieben. Schönen guten Morgen!
Lambert Wiesing: Guten Morgen, Frau Brink!
Brink: Jetzt nehmen wir doch mal diese beiden Luxusmessen, die heute beginnen. Alte Autos, teure Uhren. Es gibt auch Zeitungen, die schon ganz aufwendige Beilagen heute gemacht haben. Sind das immer noch Luxusgüter und Statussymbole?

Statussymbole wurden auf die Kaufkraft reduziert

Wiesing: Ich glaube, das Entscheidende für Luxusgüter und Statussymbole ist, dass man es nicht durch Messen oder optisch oder physikalisch herausbekommen kann. Sowohl der Luxus ist immer ein Luxus für jemanden, wie auch Status – für Statussymbole gilt, was für Symbole überhaupt gilt: Sie sind dadurch, dass Menschen sie zur Darstellung von sich selbst verwenden. Und jetzt die Dinge, die auf diesen Messen angeboten werden, sind sicherlich teilweise dafür hergestellt worden, zur Selbstdarstellung und damit für eine bestimmte Verwendung.
Aber der Status eines Statussymbols, also dass man das nutzt, um sich darzustellen … was nicht nur die Kaufkraft sein muss, übrigens, sondern auch vielleicht politische Ansichten oder Überzeugungen, eine Einstellung, ein Stil. Wir haben Statussymbole oft vielleicht nur auf das Zeigen von Kaufkraft und Kreditwürdigkeit reduziert. Das scheint mir heute deutlich subtiler zu sein. Personen symbolisieren ihre Persönlichkeit viel feinfühliger durch das Verwenden und Besitzen von Gegenständen.
Aber der entscheidende Punkt scheint mir zu sein, dass Statussymbole immer an die Öffentlichkeit gerichtet sind, also man zeigt sie auch im Öffentlichen, benutzt sie dort, und dass Luxus doch auch ein Phänomen ist, eine Erfahrung ist, die jemand mit Gegenständen macht, die im Privaten möglich ist.
Brink: Aber ich möchte noch mal ein bisschen bei diesen Statussymbolen bleiben. Ich habe nämlich gerade diese Beilage hier aus einer großen Tageszeitung, und da sieht man Uhren, die einfach 1,2 Millionen Euro kosten. Und das muss man doch zeigen. Das ist doch Protz, wenn ich es jetzt mal negativ ausdrücke. Prestige. Ich will mich doch damit einer gewissen Klasse zugehörig fühlen?
Wiesing: Der erste Satz, "das muss man doch zeigen", der scheint mir nicht überzeugend zu sein. Nein, das muss man nicht zeigen. Ich gebe Ihnen recht, man fragt sich, warum man es dann hat. Aber man muss es nicht. Und sie werden erst in dem Moment zu einem Statussymbol und symbolisieren etwas, wenn man sie dazu verwendet. Aber es bleibt doch noch an die Verwendung gebunden, und man will doch auch nicht ausschließen, dass so eine Uhr in irgendeinem Safe schlummert oder irgendwo privat liegt.
Brink: Oder man guckt sie sich einfach an, wie ein Bild?

Man kann eine teure Uhr auch einfach nur angucken

Wiesing: Ja, ganz genau. Das würde ich nicht ausschließen. Ich glaube, wir haben es hier mit ästhetischen Phänomenen zu tun, wie es so oft bei ästhetischen Phänomenen ist, wo wir oft Mischformen haben, Übergänge haben. Das kann Protz sein, das kann Luxus sein, das kann Dekadenz sein, das kann kitschig sein, das kann schön sein. Aber trotzdem ist jedes Mal mit diesen Begriffen und mit diesen Beschreibungen nicht dasselbe gemeint.
Brink: Also ich sehe schon, es hat sich unser Begriff komplett verändert. Er hat sich irgendwie aufgespalten. Können Sie denn heute noch eindeutig definieren, was Luxus ist?
Wiesing: Na ja, gut, eindeutig definieren ist bei diesen Begriffen immer schwer. Das Eigenwillige, das würde ich allerdings gern einschieben, ist, dass wir eigentlich traditionellerweise immer die Philosophen dafür zuständig hatten, wenn es um Begriffe geht, die schwer zu definieren sind. Wenn man sich nur anschaut, wie viele Philosophen sich schon mit dem Begriff der Schönheit – oder auch selbst der Kitsch-Begriff ist schon ausführlich thematisiert worden, das Erhabene. Und da hat man in der Tat die Situation, dass der Luxus-Begriff bisher kaum bis gar nicht thematisiert wurde, und wenn, eigenwilligerweise bewertend.
Brink: Ich wollte gerade sagen, eher negativ, nicht?
Wiesing: Das, muss man sagen, ist schon beides gleichermaßen. Wir haben einen ganz eigenwilligen Begriff beim Luxus-Begriff, ein Begriff, der sowohl als Kompliment vorkommt, denken Sie an die ganze Werbewelt. Es ist ja was Normales, ein Plakat zu sehen, wo Luxushotel drauf steht – und das Hotel möchte sich nicht schlecht machen, sondern will damit werben.
Aber Sie haben auch die negative Bewertung. Wir haben das Eigenwillige, dass es sowohl – dass der Begriff meistens bewertend verwertet wird, und zwar interessanterweise, bevor man sich die Gedanken gemacht hat, was denn überhaupt ein Luxusobjekt sein soll, und dann kann das sowohl negativ wie auch positiv sein.

Für viele ist auch Zeit haben ein großer Luxus

Brink: Es gab eine ganz interessante Umfrage in der Zeitung "Die Welt" vor zwei Jahren, da wurde nach Luxus gefragt. Sie kennen Sie natürlich auch, und heraus kam: Beim Streben nach Status schauen die meisten, also zumindest die meisten Deutschen, die da befragt worden sind, gar nicht so sehr auf die Dinge, die man kaufen kann, sondern sie haben ganz überraschenderweise oder vielleicht nicht überraschenderweise gesagt, Luxus ist, wenn ich Zeit habe. Luxus ist, wenn ich eine gute Ehe führen kann, wenn ich Kinder haben kann. Was sagt uns das?
Wiesing: Auf der einen Seite ist das sicherlich auch eine metaphorische Verwendung. Man möchte damit eine besondere Wertschätzung signalisieren. Aber das Gemeinsame zwischen Luxusgütern und bestimmten Verhaltensweisen ist, dass sie eben nicht mehr zweckrational orientiert sein können.
Ich selbst würde sagen, gut, wir haben noch andere Begriffe, man denke zum Beispiel an "Müßiggang". Aber wenn man zum Beispiel, Sie sprachen es an, "Bildung" nimmt, dann scheint mir das Gemeinsame zu sein, dass man einen Aufwand für etwas betreibt, der über das rein Zweckrationale, Vernünftige, Angemessene, Passende hinausgeht. Und das ist dann in der Tat eine Gemeinsamkeit, die wir zum Beispiel mit Müßiggang haben oder Bildung haben und Luxusgütern haben.
Also die Bildung ist jedenfalls traditionellerweise – und manche Politiker möchten das ja, glaube ich, nicht wahrhaben – was anderes als Ausbildung. Also eben nicht nur zweckorientiert einen bestimmten Beruf zu erlangen, sondern die Bildung ist eben zweckfrei, hat ein Ausmaß, das mehr als notwendig ist und teilt damit eine Eigenschaft von Luxusgütern.
Brink: Also wenn ich mir zum Beispiel den Luxus erlaube, mich auf der Buchmesse weiterzubilden, die gerade in Leipzig stattfindet.
Wiesing: Ja.
Brink: Abschließend noch mal die Frage: Was ist für Sie der größte Luxus?
Wiesing: Morgens früh Interviews zu führen.
Brink: Das lassen wir jetzt so stehen! Der Luxusforscher Lambert Wiesing. Schönen Dank für das Gespräch!
Wiesing: Ja, ich bedanke mich auch. Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Lambert Wiesing: Luxus
Suhrkamp Verlag, Berlin 2015
223 Seiten, 24,95 Euro

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