Lust und Leid

Rezensiert von Michael Opitz |
In „Liebesgedichte“ buchstabiert Peter Hacks die unterschiedlichsten Variationen von Liebeslust und Liebesleid durch. Er nimmt kein Blatt vor den Mund und ist zupackend, wenn er, von Lust besessen, dem Fleischlichen zuspricht. Ebenso kann er melancholische Töne anschlagen, wenn er an schmerzvolle Abschiede denkt.
Mit dem Stück „Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe“ (1976) hat sich Peter Hacks, neben Heiner Müller und Volker Braun einer der bekanntesten Dramatiker aus der DDR, einen Namen in Ost und West gemacht. Doch Hacks galt immer auch als Antipode zu Müller und Braun. Während er mit seinen Antikeadaptionen einem Literaturbegriff verpflichtet war, der sich an den Vorstellungen einer sozialistischen Klassik orientierte, wobei er nach Schönheit und Harmonie suchte, zeigten seine beiden Kontrahenten die Hemmnisse und Widersprüche der Entwicklung in der DDR auf. Von daher verwundert es nicht, dass Hacks in der DDR weniger Schwierigkeiten hatte als Müller und Braun, die für das System wesentlich unbequemer waren.

Peter Hacks galt in der literarischen Landschaft der DDR als eine durchaus widersprüchliche Figur. Er war bekennender Lukácsianer, von daher kritisch eingestellt gegenüber der Romantik und der Moderne, er befürwortete die Biermann-Ausbürgerung und stand als überzeugter Sozialist der Wende von 1989 äußerst kritisch gegenüber. Aber er war eben auch ein glänzender Sprachvirtuose, der Literatur in vollendeter Form zu schreiben verstand. Von dieser Widersprüchlichkeit kann sich ein Bild machen, wer die im Reclam Verlag erschienenen Gedichte Hacks’ zur Hand nimmt. Zuweilen kokett, manchmal schmachtend, doch stets Eros preisend, buchstabiert Hacks die unterschiedlichsten Variationen von Liebeslust und Liebesleid in seinen Gedichten durch. Er nimmt kein Blatt vor den Mund und ist zupackend, wenn er, von Lust besessen, dem Fleischlichen zuspricht.

Und er kann ebenso melancholische Töne auf seiner Lyra anschlagen, wenn er an schmerzvolle Abschiede denkt, die zur Liebe gehören. Wer ein Verlangen nach solchen Versen hat, wird in dem Gedichtbändchen „Liebesgedichte“ von Peter Hacks fündig werden. Seltsam allerdings mutet an, wie wenig gebrochen diese Verse sind, die, wüsste man nicht, wann sie entstanden sind, zuweilen eigenwillig unbekümmert daherkommen. Da gibt es Anklänge an die Anakreontik, auch Klassisches scheint in den Versen durch und, fixiert auf die Liebste, entschwindet jegliche Realität aus den Gedichten, die die Wirklichkeit des Liebeslagers stören würde. Versucht Hacks sich dennoch daran, die Liebe und das Dasein wie in dem Gedicht „Venus und Stalin“ miteinander zu verschränken, scheitert der Versuch, weil er im Bestreben nach Harmonie das Widersprüchliche negiert.

Peter Hacks war ein streitbarer Literat, den man wegen seines „lichten, heiteren Tons preisen“ kann, aber zu viel Wohllaut kann zuweilen auch schmerzen.


Peter Hacks:
Liebesgedichte

Hrsg. v. F. W. Bernstein,
Reclam Leipzig 2006,
141 Seiten.