Lücken im Schulstoff

Die Ferien fürs Lernen nutzen

06:33 Minuten
Eine Lehrerin der Primarschule (1./2. Klasse) Wileroltigen filmt ihren Schulinhalt, den sie anschliessend digital an ihre Klasse als Fernunterricht digital verschickt.
Auch in den Sommerferien soll der fehlende Unterricht nachgeholt werden - wenn möglich, sollen die Lehrenden aber entlastet werden, sagt Birgit Leyendecker. © pa/KEYSTONE/C. Beutler
Birgit Leyendecker im Gespräch mit Miriam Rossius · 03.05.2020
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Damit alle Schülerinnen und Schüler die Lücken im Unterricht aufarbeiten können, will Birgit Leyendecker Studierende an die Schulen holen. Diese sollten wieder Spaß am Lernen vermitteln, sagt die Entwicklungspsychologin – am besten schon in den Sommerferien.
Seit Wochen wird nur notdürftig digital unterrichtet. Schülerinnen und Schüler lernen also zuhause – unter sehr unterschiedlichen Bedingungen.
In Zukunft müsse man dafür sorgen, dass in ähnlichen Situationen genügend Computer und Tablets in den Schulen vorhanden sind, "die die Kinder dann auch mit nach Hause nehmen können", sagt Birgit Leyendecker. Das sei aktuell nicht der Fall, sagt die Leiterin des Interdisziplinären Zentrums für Familienforschung an der Fakultät der Ruhr-Universität in Bochum.

Sommerferien nutzen

Es werde in der jetzigen Situation Zeit brauchen, die Lücken in der Vermittlung des Unterrichtsstoffs aufzuarbeiten. "Auch wenn es langsam wieder losgeht, ist da plötzlich eine sehr viel heterogenere Schülerschaft, die aber nur in kleinen Portionen unterrichtet werden kann", sagt Leyendecker.
"Einige Schülerinnen und Schüler werden zuhause ganz gut aufgeholt haben, was ihnen vermittelt wurde, und andere werden nicht in der Lage sein, diesen Wissensstand mitzubringen."
Für die Aufarbeitung des Schulstoffs zieht Leyendecker deshalb besondere Angebote auch in den Sommerferien in Betracht. "Ich gehe davon aus, dass die meisten Familien nicht in Urlaub fahren können und dass viele zuhause sein werden", sagt sie in unserem Programm.
Sie glaube zwar nicht an eine Verkürzung der Sommerferien, wie von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) ins Gespräch gebracht. "Das ist einfach realistisch nicht durchsetzbar", sagt Leyendecker, auch wenn sie die Idee sympathisch finde. "Was realistisch ist, ist, dass wir die Ferien nutzen."

Studierende an die Schulen

Die Wissenschaftlerin engagiert sich in einer Initiative, die Studierende an die Schulen holen möchte, damit diese die Lehrerinnen und Lehrer in den Sommermonaten und darüber hinaus unterstützen. Ziel solle vielmehr sein, Schülerinnen und Schülern wieder Spaß am Lernen zu vermitteln.
"Ich glaube viele Familien werden froh sein, wenn sie mal eine Woche haben, wo die Kinder gut untergebracht sind und auch wieder angeregt werden", meint Leyendecker.
Da seien auch die Kultus- und Bildungsminister gefragt: "Alle Medizinstudierenden in die Kliniken und möglichst alle anderen, salopp gesagt, an die Schulen holen", das wäre ein praktikable Lösung. "Wir werden die in den Ferien gut gebrauchen können", sagt sie, und auch danach, wenn die Klassen wohl kleiner und der Lernstand der Schüler heterogener sein würden.

Familiensituation unterschiedlich

Der Lernerfolg in der Zeit ohne Unterricht in der Schule hänge auch von den Umständen ab, in denen die Kinder lernen und leben. Da gehe es einerseits um den Zugang zu Tablet und Computer. "Die meisten Kinder gerade aus sozial benachteiligten Familien haben keinen Zugang, die haben bestenfalls die Handys der Eltern, auf die sie mal draufschauen können."
Andererseits gehe es um die Wohnverhältnisse: "Eine besondere Herausforderung für Kinder ist wirklich, sich zu konzentrieren", sagt Leyendecker. Manche Kinder hätten ein eigenes Zimmer mit einem Schreibtisch, um in Ruhe an Aufgaben, die sie online bekommen, arbeiten zu können. Bei anderen Kindern seien noch Geschwister oder andere Familienmitglieder im Raum. Eine solche Lernumgebung überfordere Kinder.
(huc)
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