Love Parade-Prozess

Wer verantwortet die "organisierte Verantwortungslosigkeit"?

Besucher versuchen dem Gedränge bei der Loveparade am 24. Juli 2010 in Duisburg zu entkommen.
Besucher versuchen dem Gedränge bei der Loveparade 2010 in Duisburg zu entkommen. © dpa / picture-alliance / Erik Wiffers
Julius Reiter im Gespräch mit Ute Welty  · 08.12.2017
Mehr als sieben Jahre nach der Loveparade-Katastrophe in Duisburg beginnt der Strafprozess. Das Gericht soll klären, wer die Schuld für 21 Tote und 650 Verletzte trägt. Opferanwalt Julius Reiter hofft, dass dies gelingt, denn 2020 verjähren die Straftaten.
Am 24. Juli 2010 waren viele zehntausend Menschen nach Duisburg zur Love Parade gekommen, um zu feiern. Aber was fröhliche Party geplant wurde, endete in einer Katastrophe: Als zu viele Besucher gleichzeitig zum einzigen Ein- und Ausgang des Veranstaltungsgeländes drängten, wurden 21 Besucher zwischen 17 und 38 Jahren an einer engen Rampe erdrückt. Mindestens 652 Menschen wurden verletzt, viele sind bis heute traumatisiert.
Nun beginnt der Strafprozess gegen vier Mitarbeiter des Veranstalters Lopavent und sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg, darunter der ehemalige Stadtentwicklungsdezernent sowie die damals zuständige Leiterin des Amtes 62 für Baurecht und Bauberatung der Stadt Duisburg. Sie sind wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung angeklagt.
Gedenkstätte zur Loveparade 2010 am Karl-Lehr-Tunnel in Duisburg. Der Karl-Lehr-Tunnel und die Rampe des Loveparade-Geländes sind die Orte der Katastrophe vom 24. Juli 2010. 
Gedenkstätte am Karl-Lehr-Tunnel in Duisburg. © picture alliance / Revierfoto/Revierfoto/dpa

Suche in der zweiten Reihe

Der Opferanwalt Julius Reiter spricht im Deutschlandfunk Kultur von "organisierter Verantwortungslosigkeit". Er vertritt rund hundert Opfer und deren Angehörige vor Gericht, die nun nach sieben Jahren erwarten, dass die damaligen Ereignisse endlich aufgeklärt und die Verantwortlichen verurteilt werden. Es stelle sich die Frage, wer an den Schalthebeln gesessen habe und die Veranstaltung geplant und genehmigt habe, sagte Reiter. "Da kommen sie natürlich an die zweite Reihe", sagte er. "An die Leute, die beim Veranstalter gearbeitet haben und an die Beamten in der Stadtverwaltung, die gesehen haben, welche Gefahren, welche Risiken für die Besucher der Loveparade bestehen werden, aber nicht eingegriffen haben."

Schlimme Hängepartie für die Opfer

Für die Opfer und deren Hinterbliebene sei es eine "schlimme Hängepartie", dass sich das Verfahren so in die Länge gezogen habe. Für Reiter ist es kein gewöhnliches Mandat, sondern gehe ihm sehr nahe. "Da ist natürlich Verantwortungsgefühl für die Opfer und Hinterbliebenen", sagte der Anwalt. "Da sind inzwischen sogar Freundschaften entstanden und man muss wirklich sagen, dass diese Leute einen Anwalt brauchen." Es sei sehr schwer, mit diesen Nachwirkungen fertig zu werden. "Wenn sie selber Kinder haben, können sie sich damit identifizieren, wenn die Leute ihnen erzählen, dass sie ihr Kind das letzte Mal freudestrahlend auf diese Veranstaltung haben fahren sehen und dann diese Katastrophe erlebt haben."
Die Zeit drängt: "Das Gericht muss fertig werden bis Juli 2020, dann allerdings verjähren alle Taten", sagte Reiter. Aber er hoffe, dass sich alle so diszipliniert verhielten, dass dieser Prozess durchgezogen werden könne und es zu Verurteilungen komme.
Mehr zum Thema