Lou Doillon: "Soliloquy"

Selbstgespräch im Songformat

Lou Doillon steht mit Gitarre auf der Bühne.
Die Musikerin Lou Doillon © imago/PanoramiC
Lou Doillon im Gespräch mit Oliver Schwesig · 05.02.2019
Lou Doillon ist als Promi-Kind mit Kameras aufgewachsen. Sie arbeitete bereits als Schauspielerin, Model und als Musikerin. Diese Erfahrungen nutzte die Französin als Inspiration für die Songs auf ihrem neuen Album „Soliloquy“.
Oliver Schwesig: Bei uns zu Gast im Studio ist jetzt Lou Doillon. Welcome, Lou!
Lou Doillon: Hello!
Oliver Schwesig: Der Albumtitel "Soliloquy" bezieht sich ja auf ein Selbstgespräch, einen Monolog. Worüber reden Sie mit sich selbst?
Lou Doillon: Was ich an dem Titel mag, ist seine Anspielung aufs Theater. Mit einem Monolog zwingt man normalerweise jemand anders, einem zuzuhören. Ich denke bei "Soliloquy" an Shakespeares Hamlet, ich unterhalte mich mit den Stimmen im meinem Kopf. Gerade die zweite Stimme in mir ist lustig, kritisch und sehr objektiv. Das ist nicht die innere Stimme, auf die man sich ja so intuitiv verlassen soll, sondern eine Stimme, die alles sieht und kommentiert, was ich mache.
Und der Verweis aufs Theater hat auch etwas damit zu tun, von diesem Bild des Mädchens wegzukommen, das Folkmusik macht. Ich will, dass die Leute das, was ich mache, als Arbeit anerkennen und nicht nur als vertontes Tagebuchgeschreibsel.
Schwesig: Und diese zweite Stimme, von der Sie sprechen. Was hat das mit Ihren Texten zu tun? Oder wie benutzen Sie sie in Ihren Songs?
Doillon: Ich mag Muster, ich mag das Gewöhnliche, ich bin gar nicht so begeistert vom Außergewöhnlichen. Ich mag Wiederholungen. Und das Schöne an dieser zweiten Stimme ist, dass sie diese Muster erkennt. Muster in der Liebe, in der Abhängigkeit, im Schmerz, im Abwarten oder in was auch immer. Und damit dringt sie zum Kern der Dinge vor und dann kann ich von der Liebe im Allgemeinen singen, nicht nur von meiner Liebe, das fände ich langweilig.
Wenn ich ganz tief in meine Geschichte eindringe und erkenne, wie ich sie mir selbst konstruiere, wie ich die Fallen, in die ich tappe, selbst aufstelle, dann wird es erst interessant, denn dann erzähle ich von uns allen.

Sympathie für das frühere "Ich"

Schwesig: Also, es geht ein bisschen auch um eine universelle Sicht auf diese Dinge. Ist das richtig?
Doillon: Ja, genau. Ich denke, eine Künstlerin sollte wie ein Radioempfänger sein, aber auch wie ein Sender, der zwischen Menschen und zwischen Geschichten eine Verbindung herstellt. Und ich habe das Glück, dass ich ein hysterisches, brutales Achterbahnleben hatte und ich sehe es als meine Aufgabe an, Dinge vorauszusehen, indem ich meine Erfahrung nutze und das weitergebe. Genauso wie andere Künstler ihre Erkenntnisse an mich weitergegeben haben.
Schwesig: Sie haben ja relativ spät angefangen mit der Musik, 2010, nachdem Sie vorher als Model schon gearbeitet haben, als Schauspielerin. Warum so spät? Warum kam die Musik erst so spät?
Doillon: Ich bin eigentlich ziemlich froh, dass ich nicht früher mit der Musik angefangen habe. Ich habe mit sechs Jahren mit der Schauspielerei begonnen, und mit 14 Jahren habe ich Werbung und Fernsehen und all das gemacht.
Und wenn ich zurückschaue, wurde ich beim Aufwachsen von Kameras begleitet, und viele wirklich peinliche Dinge wurden dabei festgehalten. Aber ich habe große Sympathie für mein früheres Ich, auch wenn es manchmal ziemlich dumm war.
Ich bin in einer seltsamen Umgebung groß geworden. Ich hatte keine Fantasiewelt, in der ich mich selbst erfunden hätte, wie andere Kinder. Ich war wie eine weiße Leinwand, die darauf wartet, bemalt zu werden, ich dachte das sei die Rolle der Frauen in meiner Familie. Und als sich keiner der Regisseure, auf die ich wartete, bei mir meldete, dachte ich, okay, dann ist es das nicht.
Und ich habe, seit ich ein Kind war, schon immer geschrieben, und gezeichnet, und Songs geschrieben. Aber das war mein ganz privater Garten.
Ich war so früh der Presse ausgesetzt, und das war der Ort, an den ich mich zurückziehen konnte. Das wollte ich nicht an die Öffentlichkeit bringen und der Kritik aussetzen.
Und eines Tages habe ich einen wundervollen Produzenten getroffen, der mich fragte, warum ich meine Musik nicht aufnehme. Und ich sagte ihm, ich habe Angst und die Leute werden mich hassen. Und er meinte nur: Darling, das tun sie ohnehin schon.

Bilder sind oft trügerisch

Schwesig: Sie kommen ja aus einer sehr berühmten Familie, Ihre Mutter ist Jane Birkin, Ihr Vater ist der Regisseur Jacques Doillon. Er soll Ihnen die Musik Zuhause vorgespielt haben, habe ich gelesen. Welche Musik lief denn, als Sie klein waren? Was waren ihre Inspirationen?
Doillon: Ich glaube, weil mein Vater ein Regisseur ist, hat er die Menschen immer beobachtet und analysiert, und ich bin auch so, ich schaue lieber als dass ich angeschaut werde. Und er hat mir beigebracht, dass Bilder oft trügerisch sind, der Klang aber die Wahrheit sagt. Er hat sich oft Einstellungen seiner Filme nur angehört, ohne hinzuschauen, und er hat gesagt: "Du hörst, ob ein Schauspieler seine Sache richtig macht oder nicht".
Lou Doillon steht neben ihrem Vater Jacques Doillon von einer Filmwand.
Lou Doillon ist die Tochter des berühmten Filmemachers Jacques Doillon.© imago/United Archives International
Und wir haben Zuhause sehr konzentriert Musik gehört. Wir haben nicht gesprochen dabei. Mein Vater hatte einen besonderen Geschmack. Wir haben Bowies "Ziggy Stardust" gehört, wir haben Nina Hagen gehört, Siouxie and the Banshees, seltsames Zeug für einen Franzosen, der kein Englisch versteht. Auch Bob Dylan, Leonard Cohen, aber auch viele Frauen, besonders Patti Smith.
Schwesig: Könnten Sie sich auch vorstellen Regisseurin zu werden? Ich meine, mit so einem schönen Vorlauf, mit so einer schönen Schule, durch die sie da gelaufen sind.
Doillon: Gerade weil ich damit aufgewachsen bin und viel Zeit an Filmsets verbracht habe, faszinieren mich Schauspieler nicht genug, damit ich sie filmen möchte. Ganz anders mit Musikern, da habe ich mit 16 Jahren eine Karriere als Groupie begonnen. Ich war ein toller Groupie, ich habe mich in jeden Sänger verliebt, den ich gesehen habe. Meine Faszination für Musik ist viel größer als die für Film.
Aber mir ist trotzdem klar geworden, dass ich doch Regisseurin bin, wenn ich meine Musik produziere. Und ich habe mich totgelacht, als mir klar wurde, dass ich meinem Gitarristen dieselben Anweisungen gebe, die mein Vater seinen Schauspielern gegeben hat und mich dabei genauso wie ein Diktator verhalte.

"Ich war noch nie Teil einer Gang"

Schwesig: Vielleicht noch zum Schluss. Jetzt, wo Sie alle Welten gesehen haben – die Modewelt, die Schauspielwelt und die Musikwelt – wo fühlen Sie sich selbst am wohlsten?
Doillon: Ich fühle mich am besten, wenn ich Musik mache, wenn ich auf der Bühne stehe, oder Songs schreibe. Dann bin ich völlig unabhängig, und das gefällt mir, dass ich mir den Kick selbst geben kann und nicht auf andere angewiesen bin. Überhaupt war ich nie ein Teil einer Gang, darin war ich noch nie gut.
Aber die Modeindustrie finde ich auf eine gewisse Weise besonders: Die Leute, die dort arbeiten, sind wirklich verrückt, echte Monster, die vier Kollektionen im Jahr raushauen müssen.
Und sie sind die neugierigsten Menschen, die es auf dieser Welt gibt. Sie sind immer up to date, was die neueste Musik angeht, sie kennen die neuesten Trends in der Kunst und die wichtigsten Ausstellungen, denn das müssen sie sein, um diesen Job machen zu können.
Wenn ich mit meinen Freunden aus der Modebranche zusammen war, haben wir über Fassbinder gesprochen, wir haben tiefe Gespräch über Musik geführt, genauso wie über Egon Schiele. Sowas findet man nicht in der Filmbranche und auch nicht in der Musikindustrie, da dreht man sich nur um sich selbst. Die Leute in der Modebranche ziehen sich alles rein, das hat auch etwas Schreckliches, es grenzt schon an Bulimie, aber ihre Neugier ist einfach wunderbar!
Schwesig: Tollen Blick, den Sie haben auf die Unterhaltungswelt. Vielen Dank, Lou Doillon!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Lou Doillon: "Soliloquy"
Barclay, 2019
CD, 17,99 Euro

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