"Lone Ranger"

Von Hans-Ulrich Pönack · 07.08.2013
Uneinheitlich, ohne Rhythmus und so richtig spannend ist er auch nicht: "Lone Ranger" mit Johnny Depp ist ein eher enttäuschender Streifen. Aber kurz vor Schluss gibt er noch einmal so richtig Gas - das entschädigt fast.
Er ist der wohl dümmlichste, penetranteste, aufdringlichste, unappetitlichste Film-Held aller Zeiten: Armand Douglas "Armie" Hammer aus Los Angeles, der am 28. August dieses Jahres 27 wird. Er liefert in diesem Film seinen peinlichsten Auftritt überhaupt ab, als dämlicher Titelnaiv-Held, dem man ständig wünscht, dass ihn der Oberschurke doch endlich erlösen, sprich erschießen, möge. Doch wir müssen sehr lange durchhalten. Welch eine Unterhaltungsschande!

An seiner Seite taucht der gerade 50 Jahre alt gewordene "ewige Pirat" Johnny Depp ("Fluch der Karibik") mit blasser, grimmiger, lakonischer sowie extravaganter Indianer-Maske auf, mit einem toten Raben auf dem Kopf und mit seinen obligatorischen, also sarkastischen, Ulk-Sprüchen grummelnd und zieht damit diese 250 Millionen Dollar teure "Piraten"-Westernnummer als kuddelmuddelartige Zirkus-Show durch.

Zuerst tauchte er Ende Januar 1933 in einer Radiosendung aus Detroit auf: der Lone Ranger, der "einsame Hüter". Dieser Hörfunk-Held jagte im alten amerikanischen Westen die Bösen, unterstützt von seinem loyalen indianischen Kumpel Tonto und dessen Superpferd Scout. Zwischen 1949 und 1957 jagte der "Lone Ranger" dann auch in einer populären US-TV-Serie 221 Mal Banditen. Drei Hollywood-Spielfilme aus den Jahren 1956 ("Der weiße Reiter"), 1958 ("Der Held mit der Maske") sowie von 1980 ("The Legend of Lone Ranger" von William A. Fraker) runden das amerikanische Fieber um diesen Maskenmann ab.

Nun wurde er von Disney lieblich-brutal reaktiviert. Dabei plündert der 48-jährige Regisseur Gore Verbinski, der mit Johnny Depp bereits die drei Piraten-Filme zum Big Business entwickelte, die Genrefilmgeschichte. Es werden benutzt und zitierend verheizt: Bud Spencer und Terence Hill, die Sergio Leone-Klassiker "Für ein paar Dollar mehr", Zwei glorreiche Halunken" und "Spiel mir das Lied vom Tod", das Arthur Penn-Meisterwerk "Little Big Man" (mit Dustin Hoffman) sowie die stoische Buster Keaton-Mimik von Depp Tonto. Dies alles kommt rein in den Eintopf, es wird kräftig gerührt und fertig ist das Western-Gangster-Märchen-Brutalo-Humor-Kapitalismus-Ding mit einer winzigen Prise Romantik.

Gedreht wurde in herrlichster klassischer Hollywood-Western-Landschaft und man bedauert, dass diese wunderschöne Region durch die Menschen nun so beschädigt wird, weil wieder einmal Gewinn winkt. Nicht durch Gold, sondern diesmal durch Silber. Das befindet sich auf Indianer-Territorium, was aber Butch Cavendish nicht daran hindert, es sich mit seinen dreckigen Handlangern brutalstmöglichst aneignen zu wollen.

Es ist außerdem die Zeit der beginnenden Industrialisierung. Die Eisenbahn drängt in das unberührte Land. Dem korrupt-listigen Ober-Boss Latham Cole geht Riesen-Gewinn und Eigennutz über alles. Er hat auch schon das Militär "gekauft" beziehungsweise dessen tumben Uniformanführer Captain Jay Fuller. Motto: Mit Gewalt Macht schaffen und den Pöbel vernichten. Das ruft nun den rechtschaffenden, in Wirklichkeit aber naiven Anwalt John Reid auf den Plan. Der glaubt, kraft seines Amtes das Gerechtigkeitssagen zu haben. Bis er so viel auf Prügel einsteckt, dass er sich eine Augenmaske aufsetzt, um zum "Lone Ranger" mit Weißem Texashut und Augenmaske zu mutieren.

Bis hierher - wegen viel zu rüder und beliebig zerfließender Showabenteuer und vor allem wegen diesem grottenschlechten Haupthansel und diesem papageienartigen, manirierten Nebenhelden vom Piratenschiff ein eher Unentschieden-Film. Ohne homogenen Rhythmus und in Sachen überschaubarer Szenerie nur verwirrende wie blässliche Spannungsspuren. Gore Verbinski verliert viel zu oft die Figurenfäden. Wirkt uneben in dem aufgeplusterten Eintopf aus Action, Klamauk, Drama, also Politik, und Sinn-Spaß.

Dann aber explodiert der Film auf einmal in der letzten Dreiviertelstunde und wird zu einem bombastischen Augenberserker. Der Ranger verzieht sich hinein ins Ensemble, jetzt tobt sich das Bild wie tollwütig wunderbar und prachtvoll aus: Es beginnt eine rasante Musikalität in Bild und Ton. Rossinis schmissige "Wilhelm Tell"-Klänge, schon in der damaligen TV-Serie verwandt, bilden die stimmungsvolle Motiv-Grundlage für eine ausufernde phantastische Action- und überhaupt furiose Bewegungschoreographie. Die ist wirklich sensationell "hysterisch" arrangiert und zielt toll auf die Augen - in und auf Zügen, auf dem Rücken der Pferde, mit allen Figuren in rasanten letzten Positionen, mit sagenhaften Effekten, spannenden circensischen Arrangements. Hier vereinen sich Kamera, Schnitt, musikalischer Taumel zu einem hippen Erlebniskino, das prächtig Emotionen rockt.

Das genaue Gegenteil zum "Davor", wo die Zusammenmischung aus "liebem (Disney-)Kinderchenfilm", Western-Ironie und extremen Bluttaten enorm wie eklig überfrachtet daherkommt.

"Lone Ranger" ist ein ganz und gar uneinheitlicher aufwändiger Hollywood-Unterhaltungsradau, der leider nur in der letzten Unterhaltungsdreiviertelstunde enorm wuchtig funktioniert und mächtig imponiert.

"Lone Ranger"; USA 2013; Regie: Gore Verbinsky; Darsteller: Johnny Depp, Armie Hammer, Helena Bonham Carter; 149 Minuten, ab 12 Jahren

Film-Homepage: "Lone Ranger"
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