Lokale Leibspeisen

Von Stefanie Müller-Frank · 04.10.2013
Auf der Suche nach regionalen Spezialitäten, besonderen Rezepten und der dazugehörigen Geschichte war Stefanie Müller-Frank querfeldein unterwegs, hat mitgekocht und nachgefragt. Wer hat die Eier in Thüringen verloren, was schummelt sich so ins Allerlei in Leipzig und wie schmeckt die Berliner Luft? Einige der Fragen, die heute auf den Teller kommen. Ein Ohrenschmaus.
Die verlorenen Eier

Die Berliner Luft – im Vergleich zu andern Städten – bietet leckersten Geschmack, allerbeste Qualitäten. So singt es die Berliner Band Seeed. Aber wonach schmeckt Berliner Luft? Und welche Köstlichkeiten werden so genannt? Als Küchen-Detektivin auf der Suche nach regionalen Spezialitäten war unsere Autorin Stefanie Müller-Frank unterwegs. Sie hat die Berliner Luft und das Leipziger Allerlei genauer unter die Lupe genommen. Besonders knifflig war die Suche nach den Verlorenen Eiern. Wo sie die gefunden hat?

Mein Freund Hannes stammt aus Jena. Seinen zehnten Geburtstag hat er noch in jenem Park an der Saale gefeiert, der auch heute wieder den idyllischen Namen "Paradies" trägt. Kurz nach dem Geburtstagsfest flohen seine Eltern mit ihm aus der DDR.

Mit diesem Tag verschwand auch ein Gericht aus dem Alltag der Familie, das nur die Großmutter wirklich zu kochen verstand – und an das sich Hannes Mutter erst gar nicht ran getraut hatte: Die verlorenen Eier.

"Meine Mutter hat das nie selbst gemacht. Es gab so ein paar Privilegien meiner Großmutter: Essen, wo klar war, das geht nicht besser als bei ihr. Und deswegen haben wir das auch gar nicht erst probiert, das nachzumachen."

Und so verschwand mit der Zeit im Westen auch der Geschmack der Thüringer Heimat. Bis sich Hannes kürzlich, in einer Berliner Küche, zu einer späten Stunde, an das Gericht seiner Kindheit erinnerte – und zum ersten Mal die Frage gestellt bekam, warum es so heißt, wie es heißt. Und wo sie denn eigentlich verloren gegangen sind, die Eier.

Diese Fragen waren der Startschuss für unsere Suche nach den verlorenen Eiern – in Jena.

"Die werden, ist es dass man die in Suppe so reinfallen lässt?"
"Ich denke, dass das Eier in Senfsauce sein könnten. Gekochte Eier, die in Senfsauce zu Kartoffeln gegessen werden könnten. Ganz schlicht und einfach."
"Und warum heißen die verlorene Eier?"
"Vielleicht weil, wenn Sie in den Topf, in die Sauce geguckt haben, haben Sie ja fast keine gesehen. Denn so viele werden es nicht gewesen sein. Zu unseren Zeiten gab es ein Ei pro Person."
"Sie können es uns gleich sicherlich sagen!"

Konnten wir natürlich nicht. Wir hatten uns ja auf die Reise nach Thüringen gemacht, um die verlorenen Eier hier aufzuspüren. Wenn sich die Lokalen nicht einig sind, dann müssen eben die Historiker ran. So versuchten wir unser Glück im Jenaer Stadtmuseum – und wurden wieder weitergeschickt.

Brigitte Haucke: "In der Gaststätte würde ich die suchen. In einem richtigen Restaurant mit altdeutscher Küche, da finden Sie die verlorenen Eier garantiert."

An unserer Frage nach den verlorenen Eiern war offenbar irgendetwas seltsam. Vielleicht galt das Rezept hier als nicht salonfähig?

Hannes: "Interessant finde ich ja, dass jeder die verlorenen Eier zu kennen scheint, aber niemand richtig weiß, woher sie kommen, wo sie verloren gegangen sind und jeder sagt: Gehen Sie doch mal zum Nächsten! Leichte Peinlichkeit, ein bisschen Gelächter."

Nicht so in der gutbürgerlichen Gastwirtschaft "Noll" in einem Altstadtgässchen von Jena. Hier, erzählte uns der Koch, bestellten vor allem gut beleibte Geschäftsleute die verlorenen Eier zum Frühstück. Derart ermutigt wagen wir uns weiter vor: Wo sind die Eier verloren gegangen?

Andreas Jahn: "Im Sack. Im Sack sind die verloren gegangen. Im eigenen Sack. Das Ei wird in siebzig Grad heißem Wasser mit ein wenig Essig und ohne Salz mit einer Kelle ins Wasser reingetan. Dann hat das Ei ca. 20 cm Zeit, nach unten zu fallen. Und weil das Eigelb schwerer ist als das Eiweiß, zieht sich das nach unten – und das Eiweiß nach oben. Dadurch entsteht so ein Säckchen. Und das ist das verlorene Ei."

So schnell ist es also gelöst, das Rätsel um die verlorenen Eier. Aber mein Freund Hannes schüttelt den Kopf. Das Rezept der Großmutter ist in seiner Erinnerung irgendwie anders. Bodenständiger. Also - auf zu ihr.

Hannes: "Oma, die Eier sind noch nicht verloren, sehe ich gerade."
"Nein, ich habe nur die Vorarbeit geleistet."
"Ich habe nämlich schon Angst gehabt, dass alles fertig ist."
"Nein, das wird frisch gemacht. Ach, Quatsch!"

Auf dem Herd köchelt eine Mehlschwitze vor sich hin, daneben die Eier, frischer Schnittlauch und Kartoffelbrei. Es riecht deftig nach angebratenem Speck, Zwiebeln und Essig. Hannes steckt seine Nase in den Kochtopf – und in seine Kindheit.

Großmutter: "Könnt Ihr gleich mal versuchen! Erst mal umrühren, die ist ja schon fast kalt. Das wird jetzt zum Sieden gebracht, und die Eier lässt man dann stocken. Also nicht
kochen, sondern stocken, damit sie nicht zerfallen. Und zum Schluss kommt der Schnittlauch drüber."

Die Eier gehen also tatsächlich in der Sauce verloren – ohne dabei jedoch ihre Form zu verlieren. Auf dem Dorf in der Rhön, aus dem Hannes Großmutter stammt, warf man die Eier traditionell sogar übers Dach. Gekocht selbstverständlich. Jedes Dorf hatte da seine eigenen Rituale und Rezepte.

Großmutter: "Genauso, wie es verschieden gesprochen wurde – so wurde auch verschieden gekocht. Man kann eigentlich sagen: Jeder Ort hat seinen eigenen Geschmack gehabt."

Verlorene Eier gab es damals praktisch jede Woche einmal zu essen:

Großmutter: "Das konnten sich früher die Leute auf dem Dorf leisten. Die haben die ganzen Zutaten selbst gehabt."

Ein Bauerngericht also. Was erklärt, warum sich heute niemand mehr so recht zu den verlorenen Eiern bekennen mag. Außer Hannes Großmutter.

Leipziger Allerlei

... schade für den Besuch. Stefanie Müller-Frank war auf der Suche nach den verlorenen Eiern von Thüringen. In ganz Deutschland hat sie nach lokalen Leibspeisen Ausschau gehalten. Etwa eine Autostunde nord-östlich von Jena ist sie auf das Leipziger Allerlei gestoßen. Und hat herausgefunden, dass nicht wirklich alles dafür in den Kochtopf kommt.

"Was gehört ins Leipziger Allerlei?"
Das kann ich Ihnen sagen: Und zwar Möhren, Erbsen, Zwiebeln?"
"Nee, Zwiebeln kommen da eigentlich nicht ran – Kartoffeln. Dann Salz, etwas Pfeffer. – Also Allerlei heißt eigentlich: allerlei Gemüse."

Ah ja. Gut gerettet.

"Mohrrüben, Kohlrabi, Erbsen und Spargel."
Erbsen und Möhren. Erbsen und Möhren. Oder ist da noch Blumenkohl mit drin?"
"Tja."
"Erbsen, Möhren, Spargel."
"Spargel hätte ja Saison."
"Jetzt muss ich schwindeln: Möhren, Erbsen, Blumenkohl. Warten Sie mal: Möhren, Erbsen, Blumenkohl – sämtliches Gemüse!"
"Erbsen und Möhren hatten wir schon. Und sonst?"
"Möhren, Erbsen, grüne Bohnen, Spargel – ganz wichtig. Und: Krabben. Krabben? Ja!"
"Ich weiß Krebse, die keiner immer hat. Sonst das übliche Mischgemüse: Erbsen, Möhren, Blumenkohl – aber das Besondere sind die Krebse, so habe ich das in Büchern gelesen. Gekocht habe ich es noch nie."

Eine lokale Leibspeise, die keiner wirklich zu kennen scheint und erst recht niemand kocht. Wie kann das sein?

Tobias Rentzsch/ Daniel Jurisch: "Weil die zwei wichtigsten Zutaten dafür - nämlich Flusskrebsschwänze und Morcheln - relativ schwer zu beschaffen sind. Und in der allgemeinen Vorstellung wird das Leipziger Allerlei dann auf so eine Art Mischgemüse reduziert – also Erbsen und Möhren. Manche Leute sagen noch Spargel. – Blumenkohl kommt klassischerweise noch rein. – Blumenkohl auch? – Ja, aber Kohlrabi nicht. Der ist früher. Im Prinzip ein Potpourri aus Frühlingsgemüsen, die eben in genau dieser Zeit wachsen."

Tobias Rentzsch und Daniel Jurisch kennen offenbar das Originalrezept. Aber das zählt eigentlich nicht. Schließlich sind sie Köche. Und das "Leipziger Allerlei" steht auf dem Lehrplan. Was allerdings nicht bedeutet, dass man es dann auch regelmäßig zubereitet. Denn Morcheln und Flusskrebsschwänze sind nicht nur teuer, sie sind auch schwer zu bekommen. Dabei galt das "Leipziger Allerlei" im 18. und 19. Jahrhundert als Arme-Leute-Essen: Wer kein Jagdrecht besaß, und auch keine eigenen Tiere zum Schlachten – der ging angeblich in den Auwald und sammelte Pilze. Oder fing sich einen Flusskrebs in einem der vielen Gewässer und Kanäle rund um Leipzig. Heute steht der einheimische Edelkrebs das ganze Jahr unter Artenschutz – wenn man überhaupt noch einen findet.

Daniel Jurisch: "Was man dazu bedenken muss, ist natürlich, dass in Leipzig das ursprüngliche Flusskrebsgebiet im Süden - am sogenannten Leipziger Gewässerknoten von Parthe, Pleiße und Elster - Tagebaugebiet gewesen ist zu DDR-Zeiten. Das heißt, dort sind ganz bestimmt keine Flusskrebse mehr aufgetaucht. Und zu DDR-Zeiten ist in den meisten Flüssen außer Schaum, Autoreifen, Stiefeln gar nichts mehr zu finden gewesen."

Flusskrebsfischer sind längst ausgestorben, auch die sächsischen Teichwirtschaften züchten keine einheimischen Edelkrebse mehr. Was man in einer gut sortierten Leipziger Feinkostkette bestellt, das kommt vom Großhändler in Hamburg. Der Preis für ein Kilo Flusskrebse? 50 Euro. Dafür bekommt man acht bis zehn Krebse – macht: acht bis zehn Flusskrebsschwänze.

Tobias Rentzsch/ Daniel Jurisch: "Das heißt, wenn man sagt, die acht Stück aufs Kilo – ist man bei 12,50 Euro Wareneinsatz für die Krebse pro Portion. Das heißt, man dürfte gastronomisch allein die Krebse nicht unter 36 Euro verkaufen. Da ist noch kein Marktgemüse dran, und wir haben auch noch keine Morcheln. Gucken wir mal, wie das noch wird mit dem Preis. – Das wird teurer, ich sehe das kommen."

Zumindest die Morcheln ließen sich kostenlos bekommen. Im Auwald soll es noch Bestände geben – und die Morcheln müssten auch gerade noch Saison haben. Das schon, meint Daniel Jurisch:

"Aber auch Morcheln wachsen nicht so, dass man wie bei Champignons tatsächlich so ein halbes Feld irgendwo ausmachen kann. Irgendwo am Wald- oder Wiesenrand. Das heißt, man muss sich wirklich sehr gut auskennen. Genau das ist der Grund, warum Pilzsammler alles verraten – nur nicht ihre Morchelstellen. – Ich habe vor kurzem welche gesehen, da können wir vielleicht nachher hingucken.
Die verrätst Du?
Ich würde die Stelle verraten, wo ich die zum Verkauf gesehen habe – nicht, wo man die sammeln kann.
Auch das würde ich mir gut überlegen!"

Etwa drei Handvoll Morcheln liegen in der Theke eines Bioladens in der Innenstadt – ansprechend dargeboten in einer weißen, gestärkten Leinenserviette.

"Die sehen aus wie gemalt auf jeden Fall."

100 Gramm Spitzmorcheln kosten hier knapp acht Euro, die Saison dauert gerade mal vier, fünf Wochen. Also kommen sie meist getrocknet aus Italien, Polen oder Litauen.

Peter Rohland, zertifizierter Pilzsachverständiger der Deutschen Gesellschaft für Mykologie, war früh mit dem Rad unterwegs – erst im Auwald, dann in einer der Tagebaufolgelandschaften. Gefunden hat er heute nichts. Aber in den vergangenen Wochen. Fünf, sechs prall gefüllte Gläser stehen aufgereiht in seiner Küche.

Peter Rohland: "Was wir hier drin haben, das sind böhmische Verbeln. Das ist also eine Morchelart, die besonders gut schmeckt. Ich tue die rascheltrocken rein. Riechen sehr aromatisch. Ich mache sie schnell wieder zu. Ich mache die rascheltrocken auf der Heizung – und so können Sie die jahrelang aufheben."

Sobald der Schnee taut, geht Peter Rohland in die Pilze, wie man das hier nennt. Dieses Jahr war der Winter lang, also kam alles drei Wochen später als sonst. Dann aber alles auf einmal. Was heißt: jeden Morgen um drei Uhr früh aufstehen, Beutel, Lupe und Raritätenkarte mitnehmen – vor allem aber: die Standorte für sich behalten.

"Ja, die sind richtig teuer. So wie Trüffeln."
"Verraten Sie auch die Stellen?"
"Nein! - Nur an ganz zuverlässige Leute. Ich habe dieses Jahr eine Kollegin mitgenommen, die wird Pilzsachverständige, und der habe ich die Stellen gezeigt."

Also – kein Arme-Leute-Essen und auch nicht mal eben im Wald gesammelt. Zur Entstehung des Rezepts gibt es noch eine weitere Legende. Genauer gesagt: allerlei Schummelei. Demnach ist das "Leipziger Allerlei" nämlich eine Erfindung von reichen Kaufleuten: Um Bettler und Steuereintreiber loszuwerden, wurde angeblich der Speck versteckt und nur noch Gemüse auf den Tisch gebracht - sonntags vielleicht mal mit einem Krebslein aus der Pleiße dazu. So zogen die potentiellen Gäste lieber weiter nach Dresden. Heute wäre das "Leipziger Allerlei" allerdings nicht mehr zum Tiefstapeln geeignet. Bei DEN Zutaten.

Rentzsch / Jurisch: "Man muss die Gäste schon sehr mögen, damit sie aus unserer Hand ein Leipziger Allerlei bekommen."

Berliner Luft

Wer Allerlei will muss also auch allerlei zahlen. Die Leipziger Spezialität ist demnach nichts für arme Schlucker. Die ernähren sich sprichwörtlich ja eher von Luft und Liebe. Vielleicht war es diese Redensart, die Berliner Köche mal auf den Trichter gebracht hat. Denn in Berlin kann man die Luft essen – und trinken. Stefanie Müller-Frank hat im Sommer auf den Speisekarten der Hauptstadt danach gesucht. Und hatte am Ende keine Luft im Bauch.

Die Kinder sind im Freibad, die Berliner nehmen sich hitzefrei – und ich:

"Ich bin auf der Suche nach der Berliner Luft. Kennen Sie die?"
"Na, hier ist sie doch überall."

Wenn auch nicht auf der Speisekarte. Dafür wird in dem Ausflugslokal an der Spree namens Eierschale tatsächlich noch das Tanzbein durch die Luft geschwungen. Aber halt. Jetzt wird erstmal gearbeitet:

"Wissen Sie, was Berliner Luft ist?"
"Die gibt’s am Alexanderplatz zu kaufen. In so Flaschen."
"Das heißt, es ist etwas zu trinken?"
"Es ist Berliner Luft halt."
"Leere Flaschen also?"
"Genau. Nur die Etiketten sind beschriftet mit Berliner Luft."

Die wollen mich doch verschaukeln! Der Souvenirshop unterm Fernsehturm verkauftdoch nicht tatsächlich reine Luft. Oder doch?

"Unter diesem Deckmäntelchen verbirgt sich einiges. Das hatten wir auch, diese kleinen Dosen, da war also wirklich Berliner Luft drin."

Im Panoramarestaurant auf 203 Metern Höhe wird die Luft da schon knapper. Dafür fällt hier zum ersten Mal das Wort Nachspeise.

"Also die Berliner Luft als Dessert ist eine Crème, Richtung Bayerisch Crème – aber mit Apfelgeschmack."

Bayerisch Crème in Berlin? Das kann es doch nicht gewesen sein. Also bestelle ich noch eine Portion Berliner Luft - diesmal im "Altberliner Wirtshaus" - und bekomme: einen schallplattengroßen Eierpfannkuchen.

"Was ist das Besondere an der Berliner Luft?""

Jacqueline Hammann: ""Dass sie gebacken ist im Prinzip her und in den Ofen getan, also nicht in der Pfanne geschwenkt wird. Und dadurch so luftig ist. Das werden Sie ja schmecken, wenn Sie da jetzt loslegen."

Fluffig schmeckt sie, mit viel Puderzucker. Bezahlen lässt mich die Chefin nicht. Sei ja nur Luft gewesen.

Aber doch ziemlich schwere Luft. Ich könnte einen Schnaps zum Verdauen gebrauchen. Die Kneipe "Zum Umsteiger" an den Yorckbrücken bietet da eine große Auswahl. Unter anderem steht hinter der Theke: Eine Berliner – und sogar: eine Thüringer Luft. Die eine klar, die andere grün.

"Ja, ich habe das hier im Tresen drin, und dann wird es im eiskalten Glas serviert."
"Und ich sehe, Sie haben nicht nur Berliner Luft."
"Auch eine Thüringer. Auch die Farbe macht es manchmal. Der sieht so schön gräuslich grün aus, während der hier klar ist. Die Berliner Luft, die echte, ist halt klar. Gehen Sie raus auf die Yorckstraße, die klare Luft von der Baustelle, da ist es ideal."
"Ja, klar! Ein klarer Pfeffi – pardon: Pfefferminzlikör. Wird von den Gästen angeblich zum Frühstück bestellt. Statt Zähneputzen."
"Wird wirklich gerne getrunken. Riech mal!"
"Oh ja."
"Möchten Sie einen trinken?"
"Nein, ganz sicher nicht."
"Also Mundwasser."
"Riecht so ein wenig wie das 4711 aus dem Schrank meiner Großmutter."
"Ja, da kann ich mich auch noch dran erinnern."

Auf der Speisekarte steht die Berliner Luft dagegen nicht – und der Wirt vom "Umsteiger" hat auch noch nie von einer Nachspeise mit derartigem Namen gehört.

Hans-Werner Sens: "Ja, vielleicht hat man Sie mit der Berliner Luft irgendwie reingelegt."

Ich geb’s auf und mache Feierabend. Auf meinem Balkon sitzt mein Mitbewohner Jan mit einem Glas Weißwein und genießt – allen Ernstes: die laue Berliner Sommerabendluft.

Jan: "Ganz schön eigentlich, dass dieser Begriff Berliner Luft so unterschiedliche Sachen bezeichnet."
"Wie meinst Du das?"
"Na, dass es ja anscheinend für den einen Schnaps ist, für den anderen dann eine Süßspeise und keine Ahnung, was das noch alles sein kann. Finde ich ganz schön, dass so ein Begriff ganz verschiedene Sachen bedeuten kann. Parallel. Also dass es etwas komplett anderes ist – und es hat trotzdem den gleichen Namen."