Problem für den Betriebsfrieden
Karoline Beck kritisiert den Vorstoß von Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) für eine verkürzte und staatlich subventionierte Elternwoche. Die sei eine versteckte Steuererhöhung für alle anderen.
André Hatting: Kaum im Amt, macht die neue Bundesfamilienministerin schon von sich reden. Manuela Schwesig möchte, dass Kleinkinder ihre berufstätigen Eltern nicht nur zum Frühstück und zur Gutenachtgeschichte sehen. Ihre Idee: eine 32-Stunden-Woche mit Lohnausgleich vom Staat. Die Bundeskanzlerin hat den Vorschlag der SPD-Ministerin sofort abgelehnt, es sei nur ein persönlicher Debattenbeitrag gewesen, hieß es. Auch die Wirtschaft reagierte reserviert. Ein Sprecher der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände sagte zum Beispiel, Zitat: "Wir brauchen keine starren staatlichen Vorgaben zur Arbeitszeit. Die betriebliche Realität ist längst von flexiblen Arbeitszeiten geprägt.“ Ob das so stimmt, wollen wir jetzt mal nachprüfen. Karoline Beck ist Geschäftsführerin der Firma Isolier Wendt. Das Berliner Familienunternehmen ist Spezialist für Industrieisolierung. Guten Morgen, Frau Beck!
Karoline Beck: Einen schönen guten Morgen!
Hatting: Wie flexibel dürfen denn Ihre Mitarbeiter die Arbeitszeit handhaben?
Beck: Also wir haben, seitdem ich mich daran erinnern kann – und ich persönlich bin in der Verantwortung seit knapp 20 Jahren –, schon immer die Möglichkeit flexibler Arbeitszeitregelungen gehabt. Das heißt, jeder Mitarbeiter, jede Mitarbeiterin kann zu jedem Zeitpunkt zu mir kommen und mit mir besprechen, inwieweit wir in der Lage sind, auf ihre Bedürfnisse einzugehen. Und wir haben schon immer alle möglichen Arbeitszeitmodelle ausprobiert und angeboten – das geht von 20 Stunden los, 30, 32, 36 und dann natürlich 40, 42, je nachdem.
Hatting: Und können die, die dann zeitweise weniger arbeiten wollen, auch immer wieder zurück auf die 40 Stunden?
Beck: Davon gehen wir aus. Wir haben … Natürlich wenn wir mit unseren Mitarbeitern so ein Modell besprechen, dann liegt uns sehr viel daran, dass unsere Mitarbeiter dann dennoch möglichst viel für uns zur Verfügung stehen, und wir freuen uns natürlich jedes Mal, wenn dann die Arbeitszeit wieder erhöht wird. Obwohl natürlich das auch im Vorhinein einen gewissen organisatorischen Aufwand bedeutet. Das heißt, wir müssen uns schon als Unternehmen darüber Gedanken machen, wie wir die fehlenden Stunden in der Zeit, wo die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter die Arbeitszeit verkürzt, irgendwie organisieren.
Hatting: Zum Beispiel durch eine neue Stelle?
Beck: Das wäre ein sehr teures Modell. Das würden wir machen natürlich, wenn es sich um eine tatsächliche Teilzeitstelle handelt, aber ansonsten müssten wir das ausgleichen zum Beispiel mit Zeitarbeit.
Hatting: Haben Sie selbst – Sie haben zwei Kinder – auch schon mal weniger gearbeitet zeitweise, haben Sie das auch schon mal gemacht?
Beck: Nein, ich hab noch nie verkürzt gearbeitet. Ich hab entweder gar nicht gearbeitet – ich kann mich gar nicht erinnern, ich glaube, ich hab, glaube ich, drei oder vier Wochen insgesamt nach der Geburt nicht gearbeitet und ansonsten als Unternehmer immer Vollzeit.
"80 Prozent unserer Unternehmen bieten flexible Arbeitszeitmodelle an"
Hatting: Ihr Unternehmen ist mit etwa 50 Mitarbeitern eher klein, Sie sind auch, Frau Beck, Vizepräsidentin des Verbandes deutscher Familienunternehmen. Wie ist denn die Erfahrung in anderen, etwas größeren Firmen – sind die alle so flexibel?
Beck: Wir haben Umfragen gemacht, und wir können mit Sicherheit sagen, dass 80 Prozent unserer Unternehmen, Mitgliedsunternehmen, flexible Arbeitszeitmodelle anbieten, und zwar nicht kürzlich, sondern auch schon ziemlich lange. Das hat auch etwas mit dem Selbstverständnis von Familienunternehmern zu tun. Die Unternehmer selbst sind auch Väter und Mütter und haben ein Bild von den Mitarbeitern, was leider noch nicht so kolportiert ist. Wir versuchen, ein wirklich partnerschaftliches Verhältnis mit unseren Mitarbeitern aufzubauen, und wir haben jedes Verständnis für Eltern. Wie gesagt, also seit Jahrzehnten schon sind diese flexiblen Arbeitsmodelle bei uns Usus, und gleiche Zahlen habe ich auch gelesen vom DIHK, also es ist wahrscheinlich deutschlandweit, kann man sagen, 80 Prozent schon angekommen.
Hatting: 80 Prozent, das finde ich erstaunlich, denn die Erfahrungen aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis sind andere. Da hieß es, entweder du arbeitest 40 Stunden oder gar nicht. Kann das vielleicht mit der Branche zusammenhängen?
Beck: Also wir repräsentieren 50 Prozent aller größeren börsennotierten Unternehmen – die sind nämlich Familienunternehmen, erstaunlicherweise. Insofern neige ich dazu, unseren Erfahrungen und unseren Zahlen zu trauen, und ich persönlich kenne es auch nicht anders. Also meine Unternehmerfreunde bieten ihren Mitarbeitern ohne Ausnahme Arbeitszeitmodelle an, und – das wäre jetzt ein anderes Thema – sind auch inzwischen sehr daran interessiert, Mitarbeiter auch zum Beispiel über den Rentenzeitpunkt, also über 63. oder 65. Lebensjahr, weiterhin einen Arbeitsplatz vorzuhalten.
Hatting: In den Modellen, die wir jetzt besprochen haben, bedeutet weniger Arbeiten auch weniger Geld. Die Familienministerin will ja genau das ändern und mit Steuergeldern auffangen. Was halten Sie davon?
Beck: Davon halte ich überhaupt gar nichts. Zum einen ist mir nicht klar, wie sie das tatsächlich finanzieren will. Wenn das bedeuten würde Steuererhöhung, muss ich sagen, ich glaube, die Zeit ist da wirklich daran, derzeit zu sparen und Schulden abzubauen. Wenn sie das umtopfen will, also aus bestehendem Steueraufkommen, dann halte ich das auch für sozial ungerecht, weil de facto haben wir dann eine temporäre Gehaltserhöhung, die diejenigen bezahlen, die nicht verkürzt arbeiten können oder nicht verkürzt arbeiten wollen. Und ich halte das auch für ein Problem im Betriebsfrieden, muss ich ganz ehrlich sagen.
Hatting: Also, Familienzeit nur für die, die sich das auch finanziell leisten können?
Beck: Ich beispielsweise hätte als jemand, der schon auf Staats- oder Steuerkosten ein Studium genossen hat und sicherlich einer etwas höheren Einkommensklasse zugehöre, hätte mich geschämt, wenn ich zusätzlich noch Steuermittel angenommen hätte, um meine Kinder zu betreuen. Also ich behaupte schon, dass das gerade bei den Besserverdienenden und Akademikern eine Sache ist, die man ihnen durchaus zumuten kann. Wir können darüber reden, welche Verbesserung der Betreuungsmöglichkeiten es gibt für die unteren Einkommensgruppen.
"Wir müssen über Ganztagsangebote der Kinderbetreuung reden"
Hatting: Wollte ich gerade sagen, nicht jeder Angestellte ist Akademiker.
Beck: Ja, ja, gar keine Frage, nur diese Diskussion vermisse ich, dass da ganz klar unterschieden wird, zum Beispiel zwischen Akademikern, wo wir auch oft hören, Frauen werden in ihrer Karriere ausgebremst, ich halte das für ein Eliteproblem. Worüber wenig gesprochen wird, ist beispielsweise, welche Unterstützung erfahren alleinerziehende Frauen, inzwischen auch gibt es wieder alleinerziehende Männer, mit einem oder sogar mehreren Kindern. Und da sind sicherlich die Betreuungsmöglichkeiten deutlich zu gering noch.
Hatting: Was würden Sie da vorschlagen, was muss man machen? Eine Möglichkeit ist – das gibt es aber in der Regel nur bei ganz großen Betrieben – der betriebliche Kindergarten.
Beck: Ja, das ist richtig. Also jedes dritte Unternehmen leistet tatsächlich schon Unterstützung bei der Betreuung, da gibt es sehr interessante Modelle. Ich hab selber beispielsweise auch mal versucht, einen Betriebskindergarten anzubieten, aber das ist aus administrativen Gründen gescheitert, und – muss ich auch ganz ehrlich sagen – wir haben einfach nicht genügend Kinder gehabt zum jeweiligen Zeitpunkt, damit das Sinn gemacht hätte. Also wir müssen auf jeden Fall über Ganztagsangebote der Kinderbetreuung reden und wir müssen auch noch über Öffnungszeiten reden, gerade in den Abendstunden. Also beispielsweise auch damals zu meiner Zeit waren die Kita-Öffnungszeiten noch so starr, dass eine Betreuung eines in Vollzeit arbeitenden Menschen, also die Kinderbetreuung, gar nicht leistbar war.
Hatting: Karoline Beck, Geschäftsführerin eines Berliner Familienunternehmens und Vizepräsidentin des Verbandes deutscher Familienunternehmen. Ich bedanke mich fürs Gespräch, Frau Beck!
Beck: Sehr gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.