Logistiksysteme der Zukunft

Wenn der Roboter-Paketbote klingelt

06:48 Minuten
Ein vollautomatischer Roboterwagen der japanischen Firma Nuro.ai.
Solche Vehikel könnten auch bald im Modellwohnquartier in Bruchsal herumkurven: ein kleiner Roboterlieferwagen der japanischen Firma Nuro.ai. © picture alliance/dpa/Nuro.ai
Von Dorothee Ackermann · 20.11.2019
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Auf einem Campus in Bruchsal bei Karlsruhe tüfteln Forscher und Unternehmen gemeinsam an umweltfreundlichen und effektiven Lieferservices mit Robotern. Das alte Kasernengelände wird zum Modellwohnquartier von morgen. Aber noch gibt es einige Hürden.
Die alten Backsteingebäude glühen im Licht der Sonne. Direkt am Hang schauen sie über die Stadt Bruchsal, nur eine einzige Straße führt zu dem denkmalgeschützten Ensemble.
In einem Jahr sollen hier, auf dem sechs Hektar großen Gelände der ehemaligen Dragonerkaserne die ersten Roboter fahren. Künftig sollen sie 240 Menschen beliefern, sagt Thomas Anderer, Geschäftsführer des efeuCampus Projekts.
"Das Fahrzeug weiß, wo es hin muss, es wird seine Pakete ausliefern, wird seinen Müll mit zurück nehmen."

Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft

Für das Projekt haben sich sechs Partner aus dem Hochschulbereich und aus der Wirtschaft zusammengeschlossen. Zwei davon haben hier in den quaderförmigen Gebäuden auf dem Kasernengelände einen Außenposten. Für Bruchsals Stadtbaudirektor, Professor Hartmut Ayrle, ist das 120 Jahre alte ehemaligen Kasernengelände der ideale Ort
"In dem Gelände gibt es eine Schule, es gibt ein großes altes Bürogebäude, in dem eine Entwicklungsabteilung sitzt, es gibt städtische Büroräume, es gibt ein Gebäude, in dem die Hochschule Karlsruhe niedergelassen ist, und es gibt einige Wohnhäuser. Es ist wie eine städtische Welt, nur ist sie nicht so kompliziert, wie wenn man in Karlsruhe oder in Berlin in der Innenstadt arbeiten will."

Manchmal kommen sich Fahrzeuge in die Quere

Die Roboter können zu den bewohnten Reihenhäusern fahren, vorbei an quaderförmigen Backsteingebäuden, an Rasenflächen und Fußgängerwegen. Konflikte mit Rad- oder Autofahrern entstehen dort zwar auch, aber besser abgeschirmt vom Rest der Stadt. Gibt es Schwierigkeiten, kann die einzige Straße kurzerhand gesperrt werden.
"Wenn man hier hochfährt, die zwei Kurven hoch, da steht auf der linken Seite eines dieser altern Offiziersgebäude und auf der rechten Seite entsteht dieses Quartiersdepot, das etwa zehn mal fünfzehn Meter groß ist. An diesem Quartiersdepot müssen die Lieferfahrzeuge gut halten können und von diesem Punkt aus geht dann die automatische Verteilung in diesem Areal."

Auf einer dünnen Matte, bedruckt mit dem Lageplan des Kasernengeländes, surren die Roboter bereits herum. Es ist ein erstes Modell, gebaut von der Schüler-Robotikgruppe Cassapeia. Die Legoroboter laden beim Quartiersdepot paketförmige Würfel ein und suchen sich dann ihren Weg zu den Häusern, wo sie die Paketchen ausliefern. Rot und grün leuchten ihre LEDs, sie zeigen an, in welchem Modus sich die Lego-Roboter befinden, was gerade ihr Auftrag ist.
Lisa Pilz von Cassapeia läuft in Socken über die Matte und kontrolliert, ob alles seine Ordnung hat. "Es gibt verschiedene Symbole. Ein Paket, wenn der Roboter gerade ein Paket zum Ausliefern hat, ein Mülleimer und dann ein ‚Ich warte‘, oder ‚Ich habe nichts zu tun‘, damit wir sehen, der Roboter ist frei und die Zentrale könnte ihm einen Auftrag schicken. Die Symbole haben an sich keine Aufgabe für den Roboter selbst, sondern sind für uns und für die anderen Leute, damit sie sehen, der Roboter fährt nicht einfach in der Gegend herum. Der weiß, was er machen muss."
Bei ihrer Fahrt orientieren sich die Legoroboter an schwarzen Linien. Aber bereits etwas Staub oder schlechte Lichtverhältnisse reichen aus und sie verlieren ihren Weg. Dann greift Lisa ein, sie setzt das Gefährt auf die Spur zurück.
Das Foto zeigt eine Grafik, die darstellt, wie die Belieferung durch Roboterfahrzeuge in einem Wohnviertel funktionieren kann.
So könnte das Wohnquartier mit Roboterlieferservice funktonieren: Grafik aus einem Erklärvideo von efeuCampus.© efeuCampus

Auch die Meinung der Schüler ist gefragt

Dass sie und die anderen Schüler mit ihren Robotern einen kleinen Teil zur nachhaltigen Güterlogistik einbringen können, freut die 17-Jährige.
"Themen wie Klimaschutz sind in der Jugend immer präsent. Jeder kennt sich irgendwie damit aus und jeden betrifft das, weil es eben unsere Zukunft ist", sagt die junge Frau. "Und zu sehen, es gibt diese Projekte, ist toll. Zu wissen, wir werden auch gefragt und man möchte uns auch dabei haben, und es sind nicht irgendwelche alten Menschen, die sich in ihre Büros zurückziehen, das ist ein tolles Gefühl."

Eingebettet in Technologieregion Karlsruhe

Für das Land Baden-Württemberg zählt efeuCampus zu den "Leuchtturmprojekten". Die Europäische Union fördert das Innovationsprojekt mit 4,6 Millionen Euro, Baden-Württemberg hat 1,8 Millionen Euro zugesagt. Eingebettet in die Technologieregion Karlsruhe und in direkter Nachbarschaft zum Testfeld "Autonomes Fahren" werfe das Leuchtturmprojekt ein gutes Licht auf die Stadt Bruchsal, findet Bruchsals Oberbürgermeisterin Claudia Petzold-Schick.
"Dass genau dieser Impuls ausgeht, dass Unternehmen und auch andere Menschen sehen: In Bruchsal ist Innovation gefragt und in Bruchsal hat es eine Politik und viele Menschen, die das auch mittragen, um andere Menschen zu inspirieren."

Ringen mit der Politik

Die gemeinsame efeuCampus GmbH ist eine Tochterfirma der Stadt Bruchsal. Ursprünglich war das Projekt auf sieben Jahre angelegt, fünf Jahre hat allein die Planung und die Genehmigung der Fördergelder gebraucht. Jetzt entwickeln die Projektpartner die Lieferroboter und ringen mit der Politik um die rechtlichen Rahmenbedingungen. Die müssen sich zum Teil ändern, sagt Geschäftsführer Thomas Anderer, und nennt Beispiele:
"Die Straßenverkehrsordnung, die besagt, dass Autos nicht autonom fahren dürfen – das heißt, wir müssen möglicherweise einen neuen Fahrzeugtyp beschreiben. Das zweite: Wem gehören eigentlich die Daten? Denn das Paket kann nur weitertransportiert werden, wenn wir über die Daten verfügen, wo es hin muss. Und dann natürlich die rechtliche Bedingung: Wie wird das zukünftig in Städten gehandhabt, dass KEP-Dienste wie UPS oder DHL eben nicht mehr in alle Stadtgebiet fahren dürfen, sondern nur noch in die zugewiesenen Stadtgebiete und dort am Hub abliefern. Das sind alles rechtliche Rahmenbedingungen, die noch geklärt werden müssen."

Mit ihren Lösungen und ihrem Engagement wollen die Projektpartner beweisen, dass die Verkehrswende auch in kleineren Mittelzentren vorangetrieben werden kann. Knapp 870 Tonnen Treibhausgasse wurden laut dem Umweltbundesamt in Deutschland im vergangenen Jahr freigesetzt. Rund ein Fünftel davon entfallen auf den Straßenverkehr. EfeuCampus will einen Beitrag dazu leisten, diese Emissionen zu senken – durch das bewohnbare Testlabor mit den roten Backsteingebäuden mit Blick auf die Stadt Bruchsal.
Thomas Anderer, Geschäftsführer von efeuCampus, hält einen Vortrag. Auf der Leinwand hinter ihm ist eine Präsentation zu sehen.
Thomas Anderer, Geschäftsführer von efeuCampus, muss derzeit noch einige rechtliche Hürden überwinden.© efeuCampus/Thomas Anderer
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