Lösungswort Bargeld

Von Matthias Baxmann |
Es ist wie beim Hütchenspiel – alle wissen Bescheid – und machen dennoch mit. Denn dass man den Versprechungen, besser noch Verlockungen, etwas zu gewinnen oder gewonnen zu haben trotz aller Aufgeklärtheit nicht widerstehen kann, liegt wohl in der Selbsteinschätzung begründet, man würde den Schwindel schon durchschauen, wenn es einer wär.
Sehr geehrter Herr Baxmann, eine erfreuliche Nachricht aus dem Kreuzworträtsel „Rätselspaß für Jung und Alt“, das Sie uns zurückgeschickt haben. Herzlichen Glückwunsch, Herr Baxmann, Sie haben bei diesem Rätsel den Bargeldpreis und einen Ausflug zum Einkaufsparadies „Neue Welten“ gewonnen. Nun wollen wir Ihnen das Geld auch gern persönlich auszahlen. Bitte bringen Sie dazu Ihren Ausweis mit. Eine Quittung haben wir schon vorbereitet, 2000,- € in bar. Darüber hinaus erhalten Sie von uns die abgebildeten Geschenke – siehe Rückseite. Ein Korb gefüllt mit 4Kg delikaten Lebensmitteln, Überraschungsgeschenke. Anmeldung zur Bargeldübergabe: Abfahrt 6:10 , Ort: …

Außer mir steigen nur Senioren in den Bus. Ein Mann in hellem Leinenanzug. Muss über 80 sein, wird beim Einsteigen von zwei anderen in den Bus gehievt.

Frau1: In dem Schreiben da stand doch, ich hätte bei einem Rätsel gewonnen.

Frau 3: Ich kann mich da nicht mehr dran erinnern, aber im Grunde genommen mache ich so was. Und da hätte ich 2000,- € gewonnen…

Ich bin also nicht der Einzige, der gewonnen hat. Alle haben diesen Brief bekommen.

Frau 1: Und sie würden mich herzlich einladen.

Frau 3: …die sollte ich mir dann da abholen

Nach einer guten Stunde ist der Bus in Eberswalde. Ich halte Ausschau nach dem Shopping-Center.

Busfahrer: Wenn wir dort ankommen im Werbelokal, noch einen Moment sitzen bleiben, es kommt dann jemand Sie begrüßen, dem Herrn dann unauffällig folgen.

Frau 3: Aber in dem Brief stand ja drin Einkaufs-Shoppingcenter Eberswalde. Ich hatte eigentlich auch gedacht, dass wir irgendwo hinfahren, dass man sich da auch noch umgucken kann.

Der Bus verlässt die Kleinstadt wieder. Die Straßen werden enger. Auf einem Waldweg geht es zu einer Dorfschenke, Endstation.

Mann 1: So, ich möchte sie erst mal ganz herzlich im Ökodorf und in den Neuen Reisewelten, hier im Einkaufserlebnis-Welten und Reisklub begrüßen, hier natürlich auch im „Schwarzen Adler“, mein Name ist der Thomas.

Frau 2: Ich kam mir vor wie entführt, verschleppt als dieser Bus vor dieser Hütte von diesem kleinen Dorfrestaurant stand.

Frau 3: Dass das praktisch nur da in diesem Landgasthaus da abgeht, davon war ich eigentlich nicht so überzeugt.

Frau 2: Das ist so irreführend, ich hab immer gesagt, wir sind doch längst aus Eberswalde raus. Wo fahren wir denn hin? Verschleppen die uns nach Polen, habe ich noch gesagt.

Mann 1: Dann kommen sie bitte gleich all in den Saal. Ehepaare ganz nach vorn. Wie viel Ehepaare haben wir heute im Bus?

Mann 2: So, Ehepaare ganz nach vorne!

Frau 2: Na ja, dann kommen Sie mal rein und dann wurden wir platziert. Wir konnten uns ja nicht da hinsetzen, wo wir wollten, die haben original gesagt: Und hier setzen Sie sich hin und da setzen Sie sich hin!

Der Saal: Fenster verrammelt, vergilbte Gardinen, Ölsockel bröckelt von den Wänden. Davor: aufgestapelte Tische und Stühle. Kunstblumen. Neonlicht.
Das Frühstück: Ein halbes Brötchen – gewölbte Käsescheibe. Kalter Kaffee. Will trotzdem noch eine Tasse: Nur auf eigene Rechnung.

O-Ton Mann 1: Ich möchte sie eingangs noch mal eben darauf hinweisen, wer während der Veranstaltung zu den Örtlichkeiten möchte, hier einmal vorne zur Linken befinden sich die Damentoiletten und einmal zur Rechten, die Herrenörtlichkeiten.

Zwischen den Klos befindet sich eine Art Bühne mit Tischen. Billigprodukte sind aufgestapelt:

Frau 3: Teddybären, zwei große Teddys und dann ein paar kleine und dann ein Radio mit Kassettenrecorder, das große Kissen. Alles Sachen, die ich im Grunde nicht brauche und die im Grunde gar keiner braucht, weil er sie alle schon hat.

Hinter den Tischen ein Berg von leeren Pappkartons: Das Einkaufsparadies „Neue Welten“.

Frau 3: War das ein Einkaufscenter? Darüber kann man ja wohl lachen!

O-Ton Mann 1: Dann möchten wir Sie bitten, diese Wertmarken ganz deutlich und leserlich auszufüllen, mit allem, was abgefragt ist, weil, wir müssen die gleich wieder einsammeln.

Insgesamt drei Zettel sind vollständig auszufüllen, sonst kann die Geschenkübergabe nicht bearbeitet werden: Name, Adresse, Alter, Telefon, Kinder, chronische Krankheiten, Wochenendgrundstück, Kfz, Freizeitaktivitäten.

Susanne Nowara: Es werden spezielle Dateien in Umlauf gebracht. Also ich kann eine Datei kaufen von Senioren oder mieten, meistens werde Adressen vermietet und nicht verkauft. – Ich bin Susanne Nowara. In der Verbraucherzentrale Berlin zuständig für unlauteren Wettbewerb.

Frau 3: Hat ja auch die eine Frau gefragt, wo haben Sie eigentlich meine Adresse her? Na ja, sie habe doch bestimmt bei Otto oder bei Quelle irgendwas gekauft und von da haben wir die Adresse.

Susanne Nowara: Und das geht in Umlauf.

Mann 2: So, alle die persönlich eingeladen worden sind, sind ja heute zur Rätselgewinnübergabe eingeladen worden. Damit wir das bearbeiten können, sammle ich diese Einladungen jetzt mal schnell ein.

Frau 1: Man hätte das alles kopieren müssen.

Mann 1: So, frisch gestärkt wollen wir jetzt ans Werk gehen und bevor der Moderator in den Saal kommt, möchte ich die Gäste – einige kennen das schon – sich so ein bisschen reindrehen, dass heißt mit der Rückenlehne schön nach hinten. Drehen sie den Stuhl nach hinten, dass die Rückenlehne wirklich nach hinten zeigt.

Der alte Mann im hellen Anzug reagiert nicht. Er sieht teilnahmslos auf den Boden. Die beiden Männer kommen und fordern ihn auf, sich nach vorn zu drehen. Er wehrt ab. Es hilft nichts. Sie packen den Stuhl und bewegen ihn samt Mann eine Viertel Drehung Richtung Bühne.
Denn jetzt tritt der Moderator auf.

Moderator: Liebe Gäste, Sie haben nämlich alle das größte Glück, das man sich denken kann. Und wissen Sie auch warum? Weil wir Sie eingeladen haben mit einem riesengroßen Leistungspaket, weil Sie heute hier bei uns sein dürfen. Ist das was oder ist das nichts?

Frau 2: Das kam mir da alles schon so merkwürdig vor und ich wollte ja dann rausgehen, aber die haben uns ja verboten rauszugehen und bloß noch zur Toilette zu gehen.

Und die geht ja direkt vom Saal ab. Die beiden Männer, die sich als Bernd und Thomas vorstellten, stehen breitbeinig hinter dem Publikum, die Hände auf dem Rücken.

Frau 3: Die standen da wie, wie – ich stell mir so die Aufpasser im Knast vor, die da stehen und aufpassen, was die anderen Leute machen und ob sie sich auch schön artig benehmen. Da kann man ja richtig Angst kriegen.

Der Greis im hellen Anzug steht trotzdem auf und wankt Richtung Ausgang.

Frau 3: Der wollte raus und rausgekommen ist er nicht, weil der seine Sachen da verkaufen wollte und ist er dann ausfallend geworden.

Thomas und Bernd stützen den Greis an den Unterarmen und begleiten ihn wieder zurück an seinen Platz. Die Veranstalter beobachten das Publikum. Es wird nach Leuten gesucht, die Ärger machen könnten, sich beschweren, falsche Fragen stellen.

Frau 3: Und der eine hat das gemacht, den haben sie rausgeschmissen. Der sollte sehen, wie er nach Hause kommt.

Aber niemand weiß, wo er sich überhaupt befindet, geschweige, ob es Verkehrsverbindungen gibt, und wenn, ginge die Rückfahrt auf eigene Kosten.

Moderator: Und denken Sie bitte an eins. Mir ist egal, ob sie hier was Essen oder nicht. Nur, der Verzehr von mitgebrachten Speisen und Getränken – es ist schade, dass man das ansagen muss, aber es ist leider so – ist hier im Hause natürlich nicht gestattet und wenn wir jemand sehen, der hier irgendwas auspackt, dann kassieren wir für den Wirt 20,- € Korkgeld. Wer damit nicht einverstanden ist, geht besser gleich nach Hause.

Frau 1: Man kann ja nicht acht Stunden da drin sitzen und Getränke kaufen, das wird ja viel zu teuer. Ich muss zum Beispiel Medikamente nehmen, na ja, da habe ich ein Schluck aus meiner Flasche gemacht, das haben die aber nicht gesehen. Ich habe bloß am Tisch gesagt, dass sie mich nicht verpfeifen…

Moderator: Wissen Sie, was uns auch aufgefallen ist? ...

Frau 1: …na ja, das ist doch unmöglich.

Moderator: … Meine beiden Kollegen, die sind hier heute morgen von zwei Gästen schon regelrecht angegangen worden. Einmal beim Einweisen, wo die gesagt haben, sind Sie so nett, gehen nach vorne durch, wird der Thomas, wird der Bernd angeherrscht von einem Gast, ich setze mich dahin, wo ich will. Dann beschwert sich einer, dass er die zweite Tasse Kaffe zum Frühstück bezahlen muss – nur da gibt es Leute, reicht man denen den kleinen Finger, reißen sie einem gleich den ganzen Arm aus. Dann muss der Bernd die Einladungsschreiben einsammeln, und ein Gast sagt, wenn ich meine 2000,- € nicht kriege, die Kopie liegt schon beim Anwalt. Und wissen Sie was, deshalb mache ich das hier heute ganz anders. Und wissen Sie was, wir möchten uns heute bei unseren treuen Kunden bedanken. Denn diese tollen Kunden, die darf ich am Ende der Veranstaltung namentlich benennen und für die wird heute Ostern, Weihnachten und Geburtstag von 10 Jahren an, an einem Tag stattfinden. Denn die werden diesen Saal beladen mit tollen Geschenken wie die Packesel wieder verlassen. Ist das was oder ist das etwa nichts?

Susanne Nowara: Die großen Versprechen, die auf der Einladung stehen, die werden noch mal angesprochen Das ist alles ganz billiger Plunder, den man in diesen 99-Cent-Läden findet.

Moderator: Und deswegen wird unsere Firma aus allem, was hier heute passiert, ihre Schlüsse ziehen. Wir werden die Spreu vom Weizen trennen. Die Guten Kunden werden wir belöhnen und …

Frau 3: Also er stand da und da oben in der Decke war ein Loch und da soll er angeblich eine Videokamera gehabt haben, die das aufnimmt, was die Leute denn so machen, die da sitzen.

Frau 1: Warum machen denn die das?

Frau 3: Das war wieder so ein linkes Ding von denen.

Frau 1: Ich verstehe das nicht!

Was denken Sie, wie lange wird das dauern heute?

Moderator: Wir haben Sie doch zu einer Halbtagesfahrt eingeladen. Und wie viel Stunden hat ein halber Tag – zwölf – das wollen wir doch noch ausnutzen!

Thomas hat sich inzwischen mit den ausgefüllten Wertmarken in die hintere Ecke des Saals zurückgezogen. An seinem Labtop gleicht er die persönlichen Angaben der Senioren offensichtlich mit Datenbanken aus dem Internet ab. Immer wieder bekommt der Moderator von Thomas schweigend Zettel überreicht.

Frau 1: Und unter anderem sagt er dann, na ja, es gibt ja auch viele Leute, die Eintragungen bei der SCHUFA haben. Mir gegenüber saß eine Dame und die guckte ihn dann so an, da sagt er, und diese Leute, die kenne ich ganz genau, und die kriegen von mir heute nichts und darunter sind Sie. Und da sagt die dann zu ihm, aber ich habe doch gar keine Eintragung bei der SCHUFA. Wir brauchen gar nicht mehr diskutieren! Der sagt, wenn’s Ihnen nicht passt, dann verlassen sie den Saal und gehen nach draußen.

Moderator: So, liebe Gäste Folgendes…

Frau 1: Na das gehört doch nicht in so eine Verkaufsausstellung!

Moderator: … vielleicht … gerade … Bitte nicht!

Frau 2: Wir durften ja nicht reden!

Moderator: Lieb…lieb…Ich will mich jetzt auch nicht aufregen, Mann, Mann, Mann ...

Frau 3: Ich kam mir original vor als wenn ich da irgendwie unter Kuratel stehe, ja.

Frau 2: Sobald einer geredet hat, da kam der doch aus dem Konzept.

Frau 3: Also angenehm war es jedenfalls nicht.

Moderator: Und ich hoffe, Sie haben Ihr Schreiben auch richtig durchgelesen! Natürlich ist an der Sache ein kleiner Haken.

Frau2: Ich meine, dann muss er sich ein anderes Publikum aussuchen, aber nicht alte Menschen.
Moderator: Man muss nämlich auch immer das Kleingedruckte lesen. Es handelt sich bei ihrem Gewinn um eine Rubbel-, um ein Rubbel-Gewinnspiel. Ist das also was oder ist das nichts?

Thomas und Bernd versuchen immer wieder von hinten den Applaus anzukurbeln. Oft sind sie die Einzigen, die klatschen.

Frau 1: Ich habe gefragt und da hat er gesagt, ich hätte das Kleingeschriebene nicht gelesen.

Frau 3: In dem Brief stand nichts von Rubbellose drin…

Frau 2: Wo ich dann auch noch versucht habe zu fragen…

Frau 3: …dass wir da Rubbellose kriegen.

Frau 1: …und der dann ganz unwirsch gesagt hat, wir sollen ruhig sein.

Moderator: Ich hab Sie nicht nach ihrer Meinung gefragt, ich habe das nur erklärt. Wissen Sie was, liebe Gäste – ja, ich finde das schade, dass einige immer unterbrechen. Manche Leute, die sind ja heutzutage mit nichts mehr zufrieden.

Frau 1: Da stand, behalten sie den Beleg für die Barauszahlung bis Sie das Geld Bar ausgehändigt kriegen.

Frau 2: Warum haben Sie das gleich eingesammelt?

Damit niemand beweisen kann, dass da nichts Kleingedrucktes stand. So hat sich dieses Thema erledigt. Keiner wird jetzt mehr wegen der 2000,- € stören. Die Hauptveranstaltung kann nun endlich beginnen.

Moderator: So, dann habe ich Ihnen den Magic-Mixer mitgebracht…

Staubtücher, Pizzapfannen, ein Handstaubsauger für knapp 300,- €. Alles noch nicht im Einzelhandel oder nur auf Messen erhältlich. Dort würden es dann allerdings das Doppelte kosten. Die Sachen sehen aber eher so aus, als würden sie noch nicht mal von Billigketten ins Sortiment genommen.

Moderator: Liebe Gäste und deswegen mussten wir, was den Bettensektor angeht, uns langjährige Gedanken machen. Das ist also wie eine Klimaanlage für das Bett. Liebes Publikum diese Betten verkaufen wir für 1298,- €. Ja, ist das nun was oder nicht?

Gemeint ist nicht etwa ein ganzes Bett zum Aufstellen, sondern ein Kissen und eine Decke. Das ist aber alles nur Kleinkram, eine Art Einleitung. Denn jetzt beginnt der wissenschaftliche Teil der Hauptveranstaltung.

Moderator: Ich möchte von Ihnen mal eins wissen, was würden sie überhaupt dazu sagen, wenn ich einfach behaupten würde, man kann heute in drei Monaten bis zu 97,6 % aller Stoffwechselkrankheiten, die es gibt, auch Rheuma heilen?

Es folgt ein einstündiger Vortrag über den aktuellen Stand der Zellforschung, über Hormone und Spermien, über Killerzellen und Elektronenmikroskope.

Moderator: Ich habe mir hier die größte Mühe gegeben, Ihnen das ganz kurz nett und freundlich zu erklären und von 31 Gästen antworten drei oder vier mit ja. Hätten Sie Lust sich für drei oder vier Leute hinzustellen? – Siehst du, und genau so geht es mir auch und deswegen gebe ich Ihnen nur noch ein Chance: Wollen Sie es alle sehen? – Ja – Wollen Sie es alle sehen? – Ja! – Es gibt eine Muttermilch, nur eine einzige, in der alle Hormone und Enzyme drin sind, die wir brauchen, um neue Zellen zu bilden. Licht aus! Spot an! – Das ist die Stutenmilch. Stutenmilch kannten schon die alten Römer und Ägypter…

Neben dem Poster einer Stute mit Fohlen leuchtet im Spotlicht ein aufgeklappter Aluminiumkoffer. Im ausgeschnittenen Schaumstoff stecken 20 Tablettenröhrchen mit den Placebos. Denn um was anderes kann es sich, nach dem, was bisher hier abgelaufen ist, kaum handeln. Ich schätze den Herstellungspreis des Köfferchens samt Inhalt auf 30,- € .

Moderator: Sie können ab Oktober diesen Jahres Primates in jeder Apotheke zum Preis von 2989,- € kaufen. Wir verkaufen es auch für 1998,- €. Ja, ist das nun was oder nicht?

Aber er geht noch weiter runter. Auf knapp 1300, ein Schnäppchen also .

Moderator: Und deswegen, liebe Frau … möchte ich Sie jetzt eins fragen – Liebe … – darf ich mal … sagen. Haben Sie Verwendung für die Therapie Primatis Forte? Ja oder nein? – Ja!

Vor dem Moderator steht jetzt der Labtop. Nacheinander wird jeder im Saal mit seinem Namen aufgerufen. Man darf nur mit Ja oder Nein antworten. Die Feierlichkeit, mit der das geschieht, erinnert an ein Hochzeitsritual – sofern man keine Fragen stellt.

Moderator: Dann habe ich …Frau …, haben Sie Verwendung für die Therapie? Können Sie die gebrauchen? – Die hat gar nicht aufgepasst – Ja, was denn nun, Ja oder Nein? Bitte nicht! Nein, ich lass das auch sein, Entschuldigung, dass ich sie angesprochen habe! Also ehrlich, über manche Leute – ich habe extra vorab gesagt, einfach nur Ja oder Nein! So. Haben Sie Verwendung für die Therapie? – Ja! – Ja, war mir klar. Und Sie wären auch bereit, dafür was zu investieren? – Natürlich! – Das sind Kunden, von denen leben wir. Danke schön! Ein Riesenapplaus!

Frau 3: 6, genau 6 Stück waren's…

Frau 2: Das ist das, was ich mir überhaupt nicht verzeihen kann…

Frau 3: … 6 Stück hat er verkauft.

Frau 2: … dass ich von solchen Gangstern so suggeriert bekommen habe, wie gut das ist …

Susanne Nowara: Na das ist der gute Vortrag der Leute.

Frau 2: …und dass ich das brauche.

Susanne Nowara: Wenn der einen guten Vortrag drauf hat, ist gerade in den letzten Monaten sehr beliebt, Nahrungsergänzungsmittel als Wunderheilmittel gegen alle Krankheiten zu verkaufen.

Frau 2: Ich wollte in Raten bezahlen…

Frau 3: Aber allgemein sagen sie doch immer, das kann man auch in Raten bezahlen.

Frau 2: …na ja, dann werde ich sehen, ob ich das Geld geborgt kriege. Ich habe das Geld nicht, woher soll ich das nehmen, was denken sie sich denn überhaupt?

Frau 3: Wie sie das bezahlen, ist uns egal, Hauptsache sie bezahlen das.

Susanne Nowara: Es gibt eine so genannte Kaffeefahrten-Mafia. Das sind vielleicht 10 Personen. Die Einladungen, die ich habe – also jetzt in den letzten 6 Monaten – vielleicht 20, 25 verschiedene Absender. Die nennen sich immer nur Ziehungszentrale, Buchungszentrale, Dienstleistungsservice, Fernsehvorschau, also die haben Phantasienamen und Postfachadressen.

Frau 2: Die wollten mir die Ware liefern, vor der Türe. Also die Ware liefern, Cash auf die Hand.

Frau 3: Dann stehen die da vor der Türe und kloppen und kloppen und kloppen, bis ich dann endlich mal aufmache, ja oder wie?

Susanne Nowara: Den Verkäufern ist klar, dass die Leute irgendwann zur Besinnung kommen und ihr Widerrufsrecht ausüben könnten. Nur, dann an das Geld wieder ranzukommen ist sehr schwierig, die Verkäufer sind nicht auffindbar.

Moderator: Und deswegen müssen sie mir vertrauen können.

Die Halbtagsveranstaltung endet wie angedroht erst gegen 17.00 Uhr. Beladen mit Tüten besteigen die Senioren den Bus – nur das darin keine Geschenke sind. Auf der Rückfahrt kramt man in den Schlemmertüten. Auch mir wurde so was in die Hand gedrückt.

Frau 3: Grobe Leberwurst, dann waren Nudeln drin,

Frau 1: gibt´s bei Aldi für 29 Cent.

Frau 3: Dann war Eistee drin,

Frau 1: ein Päckchen Sauerkraut.

Frau 3: Na, was ist das eigentlich?

Frau 1: Ein Päckchen Reis,

Frau3: na ja, umgebautes Kraftfleisch, in so einer Büchse.

Frau 1: Die Schrippen, die da drin waren …

Frau 3: Genau! Die Baguettes waren da noch drin, sechs Stück oder vier?

Frau 1: …die waren schon im Februar verfallen.

Frau 3: Na ja, eben alles zusammengesuchter Kram.

Moderator: Und jetzt habe ich mal eine Frage: Ist das nun was oder nicht? – Hat´s Ihnen gefallen? Siehste!