Lösung der politischen Dauerkrise?

Von Christina Nagel · 24.11.2010
Am kommenden Sonntag wählen die Moldauer mal wieder ein neues Parlament, besser gesagt, sie versuchen es zumindest. Die Aussicht, dass sich im ärmsten Land Europas dadurch etwas zum Besseren wendet, ist nicht groß. In der Republik Moldau regiert seit April 2009 der Stillstand, es gibt kein ordentlich gewähltes Staatsoberhaupt, die Parteien zoffen sich untereinander, wollen aber trotzdem gern in die EU, Nachbar Rumänien ist ja schließlich auch drin.
Wieder ist von einer Richtungswahl die Rede. Wieder kämpfen dieselben Protagonisten um die Macht. Zum dritten Mal in nur anderthalb Jahren versuchen die regierenden liberal-demokratischen, westlich ausgerichteten Parteien und die Kommunisten, die in der Opposition sind, eine klare Mehrheit im Parlament zu bekommen. Um so die innenpolitische Krise überwinden zu können. Das Problem sei nur, sagt Gennadij Konenko vom GUS-Institut in Moskau bedauernd, dass auch dieses Mal ein erneutes Patt prognostiziert werde:

"Eine eindeutige Bewertung ist momentan natürlich sehr schwierig. Aber die Kräfte der liberal-demokratischen Allianz und die Kräfte der Kommunisten liegen zurzeit ungefähr gleichauf."

Die Patt-Situation zwischen den widerstreitenden Parteien hat in den vergangenen anderthalb Jahren so gut wie jede politische Entscheidung unmöglich gemacht. Seit Monaten hat die Republik Moldau kein Staatsoberhaupt, weil im Parlament keine Mehrheit für einen Kandidaten gefunden werden konnte. Die Geschäfte des Präsidenten führt seither der Parlamentspräsident.

Versuche der regierenden Vier-Parteien-Koalition "Allianz für die europäische Integration", mit Hilfe eines Referendums die Direktwahl des Präsidenten wiedereinzuführen, scheiterten ebenfalls. Die meisten Moldauer boykottierten die Abstimmung, sehr zur Zufriedenheit der Kommunisten, die an der Rechtmäßigkeit des Referendums zweifelten.

Weil die Parteien mehr mit sich und gegenseitigen Blockaden beschäftigt waren, blieben notwendige Reformen auf der Strecke. Die Wirtschaft liegt weiter am Boden. Wer kann, sucht sich einen Job im Ausland, um die Familie über Wasser zu halten. Schätzungen gehen davon aus, dass rund eine Million Moldauer ihr Geld legal oder illegal im Ausland verdient. Also gut ein Viertel der rund 3,6 Millionen Einwohner. Ihre Überweisungen sind maßgeblich für die moldauische Wirtschaft. Die Republik gilt weiter als das Armenhaus Europas. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei rund 150 Euro. Die internationale Wirtschaftskrise habe die Situation zusätzlich verschärft, sagt Konenko:

"Die entwickelten Länder haben die Krise etwa ein Jahr früher zu spüren bekommen als Moldau. Was daran liegt, dass das Land nicht so eng in die internationalen Beziehungen eingebunden ist. Die Krise kam also später, hatte aber wesentliche Folgen. Vor allem hat die Arbeitslosigkeit weiter zugenommen."

Viele gut ausgebildete junge Menschen zieht es direkt ins benachbarte Rumänien. Einen rumänischen Pass zu bekommen, ist nicht schwer. Allein in den ersten vier Monaten dieses Jahres sollen 12.000 Moldauer die Staatsbürgerschaft des Nachbarlandes, das EU-Mitglied ist, erhalten haben.

"Das zweite große Problem besteht darin, dass in den vergangenen 20 Jahren eine neue Generation herangewachsen ist, die sich selbst als Rumänen, nicht als Moldauer empfinden und mit der Identität ihre Lebens- und Berufspläne verbinden. Von daher stellt sich auch die Frage nach der Staatlichkeit, nach dem Weiterbestehen Moldaus als selbstständiger Staat."

Während die liberale Allianz eine Annäherung an Rumänien befürwortet, vor allem aber einen Beitritt in die EU anstrebt, spielen die Kommunisten mehr die nationale Karte. Sie wollen ein eigenständiges Moldau, das sich wieder mehr in Richtung Russland orientiert. Denn das sei letztlich der Markt, von dem das Agrar-Exportland Moldau abhängig sei.

Den Menschen in Moldau ist Wahlkampf-Rhetorik der Parteien nur zu gut bekannt. Viele sind wahlmüde und enttäuscht von beiden Blöcken. Trotzdem werde eine Mehrheit am Sonntag wählen gehen, meint Konenko. In der Hoffnung, dass dieses Mal vielleicht etwas anderes als eine Patt-Situation herauskommt. Und im Land endlich wieder politische Entscheidungen möglich werden.