LKWs an der Oberleitung

Unterwegs auf dem eHighway

13:00 Minuten
Ein LKW fährt mit ausgefahrenem Stromabnehmer während der Inbetriebnahme der ersten deutschen Teststrecke für E-Lastwagen mit Oberleitung auf der Autobahn 5 (A5).
Ein LKW bei einer Testfahrt auf dem eHighway im Mai 2019. © picture alliance / Silas Stein
Von Ludger Fittkau · 06.12.2019
Audio herunterladen
Der Verkehrssektor sorgt in Deutschland für knapp 20 Prozent der Treibhausgasemissionen. Gerade im Güter- und LKW-Verkehr sollen Wege gefunden werden, CO2 einzusparen. In Südhessen läuft ein Großexperiment bereits auf Hochtouren.
"Dann fahren wir mal los." Oliver Rapsch, schält sich aus seiner schwarzen Trucker-Jacke, schwingt sich hinter das Lenkrad seines LKW und startet ihn. Der schlanke 48-Jährige ist seit einem Vierteljahrhundert Lastwagen-Fahrer. Vor mehr als einem Jahrzehnt hat es den Berliner ins Rhein-Main-Gebiet verschlagen. Nun gehört Oliver Rapsch zum ersten deutschen Feldversuch für die sogenannte "eHighway-Technologie". "Es macht auf jeden Fall Spaß, bei so einer Aktion mitzumachen."
Sein LKW hat nämlich neben einem Dieselmotor auch einen Elektroantrieb. Der Elektromotor wird auf einer insgesamt 10 Kilometer langen Teststrecke auf der vierspurigen A 5 zwischen Frankfurt und Darmstadt und zurück während der Fahrt immer wieder aufgeladen - durch Stromoberleitungen über der Fahrbahn.
Von der Raststätte Gräfenhausen, die inmitten der Teststrecke liegt, biegt Oliver Rapsch auf die Autobahn: "So, jetzt sind wir auf der Strecke. Jetzt muss ich nur noch auf meine grüne Lampe hier warten und dann können wir andocken."
Oliver Rapsch steht vor seinem LKW. Im Hintergrund stehen weitere Wagen.
Fahrer Oliver Rapsch vor seinem LKW.© Deutschlandradio / Ludger Fittkau

Der Fahrer muss noch steuern

Andocken heißt – bei Grün auf dem Display fährt auf dem Dach des LKW ein Stromabnehmer – ein sogenannter Pantograph - nach oben und dockt sich an den Draht an, der über der Fahrbahn befestigt ist. Der LKW fährt dann wie ein Oberleitungsbus, die es vor allem in den Nachkriegsjahrzehnten noch in vielen deutschen Städten gab.
Nach dem Andockvorgang, von dem man im Fahrerhaus des LKW nichts merkt, erzählt Oliver Rapsch, wie er gelernt hat, das Testfahrzeug zu fahren: "Das ging eigentlich ganz gut. Wir haben eine Einweisung bekommen, damals von dem Schweden, der das Auto mit entwickelt hat. Er hat uns alles erklärt, wie wir damit verfahren müssen. Und dann war es gut."
Der Fahrer muss dabei immer auf eine Lampe beim Tachometer achten. Wenn sie grün leuchtet, ist alles in Ordnung, so Rapsch: "Wenn ich zu weit links oder rechts bin, dann ist die orange. Dann muss ich wieder ausgleichen." Der Wagen kann das nicht selbst steuern. Ein Hilfesystem ist in Arbeit, sagt Rapsch.

Tägliche Tests bis 2022

Wenige Stunden vorher – ein Bürogebäude am Rhein-Main-Flughafen. Hier treffe ich Achim Reußwig. Beim Landesbetrieb "Hessenmobil" leitet er das Dezernat "intelligente Verkehrssysteme".
Reußwig betreut im Auftrag des Bundesumweltministeriums nun den "Elektro-Highway", auf dem bis 2022 nun täglich mehrere Testfahrzeuge unterwegs sein werden: "Na gut, diese Technologie ist noch sehr neu. Es gibt in Schweden schon eine Versuchsstrecke, etwas kürzer als hier und auch nicht mit so viel Verkehr versehen. Aber dort wurde schon etwa ein Jahr vor uns begonnen, mit Bau, Errichtung und Betrieb der Strecke. Und hier ist der erste Einsatz unter den Verkehrsbedingungen, wie wir sie hier in Deutschland haben."
Es gibt auch einen "Show Room" des Forschungsprojektes. Hier ist auf lebensgroßen, von innen beleuchteten Tafeln erklärt, welche Ziele der "eHighway" in Südhessen verfolgt.
Achim Reußwig, Leiter des Dezernats "Intelligente Verkehrssysteme" beim Landesbetrieb "hessenmobil", vor der Wand mit den erklärten Zielen: 38 Prozent der LKWs sollen bis 2030 elektrisch fahren.
Achim Reußwig, Leiter des Dezernats "Intelligente Verkehrssysteme" beim Landesbetrieb "hessenmobil".© Deutschlandradio / Achim Reußwig

Die Proteste sind verstummt

An einen Stelle springt ein rot- lackierter Spielzeug-Lastwagen ins Auge. Er veranschaulicht, dass etwa ein Drittel des CO2- Ausstoßes auf der Straße aus den Auspuffen von LKW herausgeblasen wird.
Reußwig: "Das System liefert eine mögliche Antwort. Viel Potenzial zur Frage, wie wir beim Klimaschutz im Verkehr vorankommen. Vor allen Dingen im Schwerverkehr, wo wir bisher noch keinen Beitrag leisten konnten. Denn alles, was die Fahrzeuge mit ihren Verbrennungsmotoren an Effizienzgewinnen heute schon haben - es wird immer wieder durch das Verkehrswachstum aufgebraucht. Und man muss dann mit neuen Technologien ran."
Als die Masten für die Strom-Oberleitung auf der A 5 montiert wurden, gab es viele Beschwerden. Die Regierung verschandelt die Landschaft, hieß es. Doch seitdem die Strecke in Betrieb ist, ist auch der Protest weitgehend verstummt. Nur der Steuerzahlerbund hat unlängst noch einmal die hohen Kosten für das Experiment moniert.
"Also bei den Verkehrsteilnehmern, die da fahren, ist die Reaktion überwiegend positiv, weil die Menschen verstehen: Das dient eben dem Klima- und Umweltschutz. Auf der Autobahn ist es sinnvoll, an einer Hochleistungsverkehrsstrecke, um generell etwas für den Klimaschutz zu tun", erklärt Achim Reußwig. "Und es ist eine Möglichkeit, mit der wir den gordischen Knoten durchschlagen können, wie wir den Schwerverkehr da auch auf die Spur bringen."
Ein LKW steht unter der Oberleitung.
Von dem Andockvorgang des LKWs an die Oberleitung merkt der Fahrer nichts.© Deutschlandradio / Ludger Fittkau

Mindestens drei Fahrstreifen benötigt

Die Testfahrt verläuft weiterhin ohne Komplikationen. Der Strom, der bei voller Fahrt aus der Oberleitung in die noch kleine Testbatterie fließt, reicht später, um ein paar Kilometer elektrisch zum nächsten Lebensmittelmarkt zu fahren. Dorthin bringt Oliver Rapsch mit dem Laster frische Ware: "Laden in Kelsterbach- und dann zum Kunden. Hier in der Region, Darmstadt zum Beispiel."
Einmal gibt es kurz eine Fehlermeldung, die über GPS umgehend nach Schweden geleitet wird. Dort kontrolliert ein Entwicklungsingenieur permanent die Daten aus dem LKW.
Der Fahrer Oliver Rapsch ist stolz darauf, in Zeiten von "Fridays for Future" an einem Großexperiment teilzunehmen, das am Ende vielleicht einen relevanten Beitrag zur CO2-Reduktion bringen könnte: "Der Vorteil ist auf jeden Fall, dass du emissionsfrei und vor allen Dingen auch geräuschlos fährst. Es gab auch den Punkt, dass zum Beispiel bei einem Unfall ein Rettungshubschrauber hier schwerer landen kann. Müssen die dann eben ein bisschen genauer machen. Deswegen funktioniert es nur so auf einer breiten Autobahn, also auf einer zweispurigen schon mal gar nicht wegen der Rettungshubschrauber. Wenigstens drei Fahrstreifen brauchen die schon."

Ziel: 38 Prozent Elektro-LKWs bis 2030

Sollten später mehr Oberleitungen im Land gebaut werden, wird es wohl auch neue Rettungskonzepte brauchen – nur einer von vielen Aspekten, die zu bedenken sind. Doch der CO2-Ausstoß zwingt eben zum Handeln: "Ein Drittel LKW - die muss man reduzieren. Die zwei Drittel PKW müssen natürlich auch reduziert werden," sagt Matthias Bormann. Er ist in der hessischen Verkehrszentrale am Frankfurter Flughafen für den Kontrollraum zuständig. Sein Team überwacht seit einem Jahr an Monitoren auch den Verkehrsfluss im Bereich der Teststrecke auf der A 5.
Es gibt keine nennenswerten Probleme, versichert Bormann. Damit wächst die Hoffnung, die Dieselmotoren angesichts der prognostizierten Zunahme von 38 Prozent LKW-Verkehr bis 2030 durch Elektromotoren ersetzen zu können.

Probleme in Schleswig-Holstein

Das man aber von einer landesweiten, problemfreien Umsetzung noch weit entfernt ist zeigt derzeit die Situation in Schleswig-Holstein. Auch dort ist auf der Autobahn bei Lübeck eine Teststrecke gebaut worden. Seit einem halben Jahr sollten dort eigentlich schon LKWs auf dem eHighway fahren. Warum sie das immer noch nicht tun, hat Thorsten Philipps sich angeschaut. Dieses Stück finden Sie im Audio zu diesem Beitrag.
Mehr zum Thema