LKW-Fahrerinnen und -Fahrer

Unterbezahlte Helden in der Coronakrise

06:50 Minuten
Ein LKW-Fahrer geht zwischen zwei parkenden Lastwagen hindurch.
Systemrelevant, aber wenig beachtet: LKW-Fahrer. © picture alliance / dpa / David Inderlied
Von Uschi Götz · 21.04.2020
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Die Sanitäranlagen und Restaurants an den Raststätten geschlossen, lange Staus an den Grenzen und außerdem weniger Aufträge: Die LKW-Fahrerinnen und –Fahrer haben in der Coronakrise besonders zu kämpfen. Dabei sind gerade sie unverzichtbar.
A 81, Raststätte Schönbuch: Alle LKW-Parkplätze sind belegt, einige Fahrer schlafen in ihren Kabinen, manche telefonieren oder stehen beieinander. Die meisten Fahrer auf diesem Rastplatz kommen aus Polen, Litauen und der Ukraine, einige auch aus Deutschland. Es habe sich einiges getan, sagen zwei Fahrer.
"Die Toiletten sind auf, das ist das Wichtigste", berichtet dieser polnische Fahrer, der Speiseöl geladen hat. Ein Kollege aus Norddeutschland ergänzt: "Schon einmal ein Fortschritt gegenüber vorher. Vorher war es ja nicht so besonders." Viel mehr möchten die beiden nicht dazu sagen.
Werner Bicker kennt die chaotischen Zustände der vergangenen Wochen. Er ist Vorstand bei Docstop, einem gemeinnützigem Verein, der Bus- und Berufskraftfahrerinnen und -fahrern bei der medizinischen Versorgung unterwegs unterstützt und sich jetzt auch im Rahmen der Initiative #Logistikhilft engagiert:
"In den ersten Corona-Krisentagen war es wie eine Hysterie, dass auch die Autobahnraststätten plötzlich zugemacht haben. Dass die im ersten Schock, kann man sagen, ihre Toiletten und Duschmöglichkeiten zugemacht haben. Dass LKW-Fahrer vor diesen verschlossenen Türen standen und nicht mal ihren einfachsten Bedürfnissen nachkommen konnten."

Keine Toilette, keine Duschen und 15-Stunden-Schichten

Wie dramatisch die Situation noch vor wenigen Tagen für LKW-Fahrerinnen und -fahrer in Zeiten von Corona war, zeigt auch eine Nachricht, die uns ein Fahrer per Email geschickt hat. Hier ein Auszug: "Haben Sie schon einmal das dringende Bedürfnis gehabt, auf die Toilette gehen zu müssen, und Sie werden – weil man Sie als potenziellen Virusüberträger ansieht – auf Autohöfen abgewiesen? Schilder, wie ‚Zur Zeit nicht geöffnet‘ oder ‚Aus hygienischen Gründen vorübergehend geschlossen‘ sind die Regel. Gesetzlich erlaubte Schichtzeiten von 15 Stunden regelmäßig zwei bis drei Mal in der Woche, Termindruck, weil Idioten 500 Rollen Klopapier hamstern müssen und deshalb die Regale in den Supermärkten leer sind, täglicher Kampf um die Parkplätze, miserable und überteuerte Versorgung an den Raststätten."

Ende März erklärte CSU- Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer in Berlin: "Ich weiß, was die LKW Fahrer leisten: Extremsituationen. Und da erwarte ich auch von jedem, der ein Logistikzentrum managet und dafür Verantwortung hat, dass für die LKW-Fahrer auch die hygienischen Bedingungen da sind und sanitäre Einrichtungen auch für die freigeschaltet werden, die als Externe an die Rampe hinfahren und die Ware entgegennehmen." Scheuer kündigte an, Duschcontainer auf Rastplätzen aufstellen zu lassen.
Ein LKW-Fahrer entlädt einen LKW der Kanister mit Desinfektionsmittel geladen hat.
Ohne LKW-Fahrer kein Coronaschutz: Ein Trucker entlädt Desinfektionsmittel.© dpa / Andreas Arnold

Die Situation hat sich verbessert

Mitte April, Parkplatz Höllberg-Nord an der A8 westlich von Stuttgart: Steffen Bilger, CDU-Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, würdigt die Arbeit der LKW-Fahrerinnen und –Fahrer und weiht symbolisch einen ersten Duschcontainer in Baden-Württemberg ein.
"Weil wir von vielen LKW-Fahrern zurückgespiegelt bekommen haben, dass es Missstände gibt, in Zeiten, wo wir so angewiesen sind, dass die Logistik läuft."
Auch Baden-Württembergs grüner Verkehrsminister Winfried Hermann ist zur Einweihung des Duschcontainers gekommen. Vier Duschen und vier Waschbecken stehen in dem sechs Meter langen und drei Meter breiten Container gleich neben den Toiletten des Parkplatzes zur Verfügung. Die Nutzung ist kostenlos. Die Tür kann von innen verriegelt werden, was LKW-Fahrerinnen vorbehalten ist.

Hermann steht in dem Container. Mit Blick auf die LKW-Fahrer und -fahrerinnen räumt er Versäumnisse ein: "Ja, am Anfang ist das übersehen worden, aber dann schnell gehandelt worden. Und was mir schon wichtig ist: Man erlebt in diesen Tagen eine andere Art von Anerkennung, Respekt gegenüber diesen LKW-Fahrern, die man gerne mal als Hindernis sieht, wenn man selber Auto fährt, aber nicht bedenkt, dass die dafür sorgen, dass man im Laden einkaufen kann. Insofern glaube ich, dass diese Krise auch dazu einen Beitrag leistet, dass systemrelevante Berufe wertgeschätzt werden."
Nicht weit vom Duschcontainer entfernt schnippelt ein Fahrer aus der Türkei Tomaten in seiner ausgeklappten Bordküche. Er deutet auf den Container und zeigt mit dem Daumen nach oben. Ein Fahrer aus Ungarn gibt die Antwort auf die Frage, ob er unterwegs wieder auf offene Sanitäreinrichtungen treffe, in sein Handy ein: "Badezimmer und Toiletten sind in Ordnung."
Auch andere LKW-Fahrer und -Fahrerinnen bestätigen, die Situation habe sich in den letzten Tagen verbessert. Viele Sanitäranlagen seien nun kostenfrei zugänglich und werden häufiger gereinigt. Ein bundesweiter Betreiber von Rasthöfen bietet mittlerweile warme Mitnahmegerichten, eine Brummi-Hotline für Anregungen und Beschwerden wurde ebenfalls eingerichtet. Die Arbeitsbedingungen haben sich so für viele LKW-Fahrer und -Fahrerinnen verbessert.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer während der Einweihung eines der ersten Dusch- und WC-Containern auf der Autobahnraststätte Großbeeren.
Schnelle Abhilfe: Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer während der Einweihung eines Dusch- und WC-Containers.© dpa / Soeren Stache

Logistikbranche unter Druck

Doch längst steht die Logistikbranche in Deutschlang unter extremen Druck. Rund 1000 LKW etwa zählt der Fuhrpark des baden-württembergischen Logistikunternehmens Mosolf. Etwa 1200 Fahrerinnen und Fahrer sind bei dem Unternehmen beschäftigt, erklärt Vorstandschef Jörg Mosolf. Nur ein Drittel davon sei im Moment ausgelastet.
"Der Rest ist auf Kurzarbeit. Eisenbahn steht komplett: null. Binnenschifffahrt steht komplett: null. Und bevor die Werke nicht anfangen, wieder zu arbeiten, wird da gar nichts passieren. Wir haben die Probleme an den Grenzen. Wir hatten bis zu 80 Stunden Wartezeit an den Grenzen. Wie sollen da Arbeitszeiten eingehalten werden. Am Anfang war es das totale Chaos. So Stück für Stück hat man Themen gelöst."
Wie andere Logistikunternehmen unterstützt auch Mosolf die nun angelaufene Hilfe für LKW-Fahrerinnen und -Fahrer finanziell. Dabei hoffen alle Beteiligten, dass die Krise bald überwunden ist und die Branche den beispiellosen Einbruch übersteht.
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