Live aus der Philharmonie Berlin

Tanz und Tod

der Dirigent Jakub Hrůša
der Dirigent Jakub Hrůša © Zbynek Maderyc/DSO
01.03.2015
Das östliche Europa ist reich an Legenden und Tänzen - das DSO Berlin widmet sich einigen Musikstücken, die genau diese beiden Seiten der "Tradition" zum Thema haben. Der tschechische Dirigent Jakub Hrůša ist zu Gast, Kirill Gerstein spielt Klavier.
Blutrünstig ist die Geschichte um Taras Bulba, den Kosaken, der seinen einen Sohn tötet, weil er wegen eines schönen Mädchens zu den feindlichen Polen und Litauern übergelaufen ist und der am Ende von den siegreichen katholischen Truppen bei lebendigem Leibe verbrannt wird. Nikolaj Gogol hat sich das ausgedacht, und der tschechische Komponist und bekennende Panslawist Leoš Janáček hat daraus eine orchestrale Nacherzählung gemacht. Die literarische Legende aus dem 19. Jahrhundert und die Vertonung aus dem frühen 20. ist leider näher dran am tatsächlichen Leben heutzutage, als man denken könnte. Es ist mal wieder Krieg in der Ukraine, und öffentlich verbrannt wird auch wieder. Wer möchte da noch solche Geschichten hören?
Zum Glück sind die ersten beiden Werke des Konzertprogramms unbeschwerter. Der ungarische Komponist und Volksliedsammler Zoltán Kodály hat mit seinen "Tänzen aus Galánta" ein Musterbeispiel dafür geschaffen, wie das musikalische Material "von der Straße" veredelt Einzug halten kann in den Konzertsaal.
Der Pianist Kirill Gerstein sagt über die beiden Werke, die er an diesem Abend spielt - die Burleske von Richard Strauss und den Totentanz von Ferenc Liszt - folgendes im Gespräch mit Maximilian Rauscher in den DSO-Nachrichten:
"Aus der Kombination ergeben sich oft interessante Parallelen oder Kontraste — das ist wie in einer Kunstausstellung. Der junge Strauss war stark von Liszt beeinflusst - vom Tondichter und vom Pianisten. Der Klavierstil der Burleske ist sehr "lisztisch", und viele der harmonischen Wendungen und Ideen sind geradezu von ihm gestohlen. Der "Totentanz" ist ein visionäres Stück, das weit in die Zukunft blickt und großen Einfluss auf nachfolgende Komponisten hatte. Beide haben viel gemeinsam, die Tonart d-Moll, eine etwas makabre Stimmung ... Es ist ihr wechselhafter Charakter, zwischen kraftvoll und zart, laut und leise, der sie so attraktiv macht — und so schwierig. Zudem gibt es auch historische Verbindungen: Strauss war damals Assistent von Hans von Bülow in Meiningen, der den "Totentanz" uraufgeführt hatte. Es ist deswegen lustig, dass Bülow die Burleske monströs und unspielbar fand. Sie ist allerdings wirklich recht heikel."
Mit 14 Jahren nahm der im russischen Woronesch geborene Kirill Gerstein als jüngster Student der Geschichte sein Jazzstudium am Bostoner Berkeley College of Music auf. Später wandte er sich verstärkt dem klassischen Schwerpunkt zu und studierte in New York, Madrid und Budapest bei Solomon Mikowsky, Dmitri Bashkirov und Ferenc Rados.
Kirill Gerstein ist Preisträger des Arthur-Rubinstein-Wettbewerbs in Tel Aviv 2001. 2002 wurde er mit dem Gilmore Young Artist Award ausgezeichnet, in der Saison 2005|06 war er ›Rising Star‹ der New Yorker Carnegie Hall und erhielt 2010 den Avery-Fisher-Grant Preis. Durch die Auszeichnung mit dem Gilmore Award gelang Kirill Gerstein 2010 endgültig der Durchbruch. In den USA ist er regelmäßiger Gast u. a. beim Chicago Symphony Orchestra, Saint Paul Chamber Orchestra, dem Cleveland Orchestra und dem New York Philharmonic Orchestra.
Der tschechische Dirigent Jakub Hrůša ist Musikdirektor der Prager Kammerphilharmonie und Erster Gastdirigent des Tokyo Metropolitan Symphony Orchestra. Zudem arbeitet er regelmäßig mit den führenden europäischen Klangkörpern zusammen, u. a. dem Philharmonia Orchestra, der Tschechischen Philharmonie, dem Leipziger Gewandhausorchester, dem Orchestre Philharmonique de Radio France und dem BBC Symphony Orchestra. 2010 war er der jüngste Dirigent, der seit 1949 das Eröffnungskonzert des ›Prager Frühling‹ leitete.
2009 debütierte Jakub Hrůša in den USA in Konzerten mit dem Cleveland Orchestra, dem Washington National Symphony sowie den Symphonieorchestern von Dallas, Houston, Atlanta und Seattle. Des Weiteren ist er auch in Asien und Australien aktiv.
Auf dem Gebiet der Oper ist Jakub Hrůša ebenfalls sehr erfolgreich, so gab er 2008 sein Debüt beim Glyndebourne Festival, zu dem er in den folgenden Jahren stets wieder eingeladen wurde. Für die Royal Danish Opera und das Prager Nationaltheater leitete er zahlreiche Produktionen.
Jakub Hrůša hat an der Prager Musikakademie bei Jiří Bělohlávek studiert und ist aktuell Präsident der Internationalen Martinů Gesellschaft.
Live aus der Philharmonie Berlin
Zoltán Kodály
"Tänze aus Galánta" für Orchester
Richard Strauss
Burleske für Klavier und Orchester d-Moll
ca. 20.45 Konzertpause
Franz Liszt
"Totentanz"
Paraphrase über "Dies irae" für Klavier und Orchester
Leoš Janáček
"Taras Bulba"
Rhapsodie für Orchester nach einer Erzählung von Nikolaj Gogol
Kirill Gerstein, Klavier
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Leitung: Jakub Hrůša
Empfangbar als Surround Sound - Dolby Digital 5.1