Live aus dem Staatstheater Wiesbaden

Der kurdische Pascha

Der Intendant des Staatstheaters Wiesbaden Uwe Eric Laufenberg
Intendant Uwe Eric Laufenberg inszeniert "die Entführung aus dem Serail" © picture alliance / dpa
28.03.2015
Nach außen hin Deutsch, nach innen sehr kosmopolitisch - so wirkt Wolfgang Amadeus Mozarts "Die Entführung aus dem Serail", eine scheinbar orientalisierende Märchenoper. Am Staatstheater Wiesbaden kehrt sie in ihrer historischen Klanggestalt zurück, unter Leitung von Konrad Junghänel und mit dem kurdischen Schauspieler Ihsan Othmann in der Rolle des Bassa Selim.
Ihsan Othmann stammt aus dem Irak. Seit einigen Jahren lebt er in Berlin, wo er in mehreren Theaterproduktionen und Filmprojekten mitwirkte. Die irakische Hauptstadt Bagdad ist neben Berlin sein zweiter Wohnsitz. Dort brachte er als Regisseur Friedrich Dürrenmatts "Der Besuch der alten Dame" auf die Bühne. Bei der Potsdamer Winteroper entwickelte er unter der Regie von Uwe Eric Laufenberg erstmalig die Sprechrolle des Bassa Selim in Mozarts "Die Entführung aus dem Serail". Beim Gastspiel der Oper Köln im Frühjahr 2011 im Irak spielte er den Bassa Selim ebenfalls. Nun kommt er in dieser Partie auch an das Hessische Staatstheater Wiesbaden.
Letztlich ist es wie in einem Märchen von Wilhelm Hauff: Auch Mozarts scheinbar orientalisches Singspiel behandelt auf der Folie eines "osmanischen Settings" allgemeine oder eher habsburgische Themen: Der Reform- und "Normierungs"-Kaiser Joseph II. trieb Ende des 18. Jahrhunderts die Benutzung der hochdeutschen Sprache im künstlerischen und alltäglichen Leben des Vielvölkerstaats voran. Deshalb wagte es auch Wolfgang Amadeus Mozart, eine deutschsprachige Oper zu schreiben, die aber - genau wie "Die Zauberflöte" Jahre später - noch als Singspiel daherkam.
Die Hauptthemen der "Entführung" sind Junge Liebe und wiedergewonnene Freiheit. Das ist kein Wunder, denn komponiert hat Mozart das türkische Singspiel in der glücklichen Brautzeit mit Konstanze. Alles ist spielerisch und heiter. Die Komik hat drastische Züge. Und allem wohnt ein Märchenzauber inne. "Überzeitlich" machen dieses Meisterstück des Mittzwanzigers aber die menschlichen Werte, die im Singspiel beschworen werden. Es ist nur äußerlich ein "Türkenstück" - damals im 18. Jahrhundert war das ein durchaus übliches Genre, das sich für allerlei Projektionen eignete.
Mozart ist hier eben nicht nur Meister des gefälligen Rokoko. Er geht einen großen Schritt weiter. Der wilde Türke wird bei Mozart zu einem edlen großmütigen Humanisten, ganz im Sinne der idealistischen Vorstellungen der Zeit, aber auch im Sinne der Vorstellungen eines liberalen Herrschers, wie sie zu Zeiten Josephs II. en vogue waren.
Mozart und sein Librettist haben sich dafür mit Sicherheit auch von Lessings "Nathan der Weise" leiten lassen. Der Bassa, ein aus Spanien stammender Konvertit - als Pascha Angehöriger der feudalen osmanischen Oberschicht - wird zur geistigen Zentralgestalt. Ihm huldigt man am Schluss: "Nichts ist so hässlich wie die Rache, hingegen menschlich, gütig zu sein und ohne Eigennutz verzeih'n, ist nur der großen Seelen Sache!" Ein Leitgedanke, der damals wie heute aktuell und virulent ist.
Live aus dem Staatstheater Wiesbaden
Wolfgang Amadeus Mozart
"Die Entführung aus dem Serail" - Singspiel in drei Akten
Libretto: Johann Gottlieb Stephanie d.J.
Konstanze - Heather Engebretson, Sopran
Belmonte - Mirko Roschkowski, Tenor
Blonde - Gloria Rehm, Sopran
Osmin - Wolf Matthias Friedrich, Bass
Pedrillo - Benedikt Nawrath, Tenor
Bassa Selim - Ihsan Othmann
Chor des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden
Hessisches Staatsorchester Wiesbaden
Leitung: Konrad Junghänel