Lithium ist das neue Erz

Das weiße Gold des Erzgebirges

Von Mathias von Lieben · 13.02.2018
Mehr als 300 Jahre lang wurde im Zinnwald Erz gefördert. Nach der Wende wurden die meisten Bergwerke stillgelegt. Jetzt könnte die Förderung von Lithium alte Tradition beleben. Denn unter der Erde befinden sich rund 300.000 Tonnen des "weißen Goldes".
Kopf einziehen, Rücken beugen – und los: Ausgerüstet mit gelbem Anorak, Schutzhelm und Stirnlampe tapst die fünfköpfige Besuchergruppe durch den Eingangsschacht des Stollens. In Zinnwald im Osterzgebirge besichtigen sie das alte Erz-Bergwerk. An ihren Füßen schlängelt sich ein kleiner Wasserlauf entlang – geschmolzener Schnee.
Bei der Führung heute mit dabei: Geologe Thomas Dittrich – ausgestattet mit einem Spitzhammer. Er will nicht wie früher ans Erz – sondern an das Leichtmetall Lithium.
"Im Erz direkt sind ca. 0,3 Prozent Lithium enthalten und im Zinnwaldit selbst bis zu 1,5 Prozent."
Tief unter der Erde lagert im Erzgebirge eines der größten Lithium-Vorkommen Europas: insgesamt knapp 300.000 Tonnen. Etwa 96.000 Tonnen Lithium schlummern allein in Zinnwald – und viel Zukunftspotenzial. Aus Lithium wird Lithiumcarbonat gewonnen, wichtigster Bestandteil moderner Speichertechnologien. Lithium-Ionen-Batterien sind nicht nur in Smartphones und Tablets verbaut, sondern auch in Elektroautos.

330 Jahre lang wurde hier Erz gefördert

Geologe Dittrich bahnt sich den Weg auf den alten, rostigen Gleisen, auf denen zwischen 1661 und 1991 Zinnerz aus dem Bergwerk gefördert wurde. Karges Licht fällt in den Stollen. Dittrich erreicht einen Hohlraum, in dem Grubengas abgesaugt wird.
"Wir gehen jetzt noch hier um die Ecke nach vorne und stehen dann mehr oder weniger direkt am Grenzzaun zwischen der tschechischen Republik und der BRD."
Auf beiden Seiten soll Lithium gefördert werden – unabhängig voneinander.
Neben Dittrich steht sein Chef Armin Müller und begutachtet ein Stück Erz. Ein groß gewachsener Erzgebirgler mit Dreitagebart – und habilitierter Chemiker. Er ist Geschäftsführer der Deutschen Lithium GmbH, die zu 50 Prozent dem kanadischen Bergbauunternehmen "Bacanora Minerals" gehört. Sie haben die Abbaulizenz für die nächsten 30 Jahre erhalten.
"Wir werden für den Abbau in Zinnwald den sogenannten Unter-Tage-Abbau nutzen – und zwar das sogenannte Kammer-und-Pfeiler-Verfahren. Das heißt, wir werden Kammern auffahren, die von Pfeilern abgestützt werden. Für den Abbau direkt werden wir mit Maschinen Bohrlöcher anbringen, diese mit Sprengstoff füllen, dann entsprechend absprengen. Und das gewonnene Material dann an die Oberfläche fördern."

2019 soll der Abbau des "weißen Golds" beginnen

Die Probebohrungen sollen bald abgeschlossen sein. Dann fehlt nur noch eine Machbarkeitsstudie – und etwa 120 Millionen Euro von Investoren. 2019 soll es dann richtig losgehen, erklärt Armin Müller:
"Von den 96.000 Tonnen die gegenwärtig hier in der Lagerstätte vorhanden sind, gehe ich davon aus, dass wir etwa Richtung 100.000, 110.000 Tonnen kommen werden."
Daraus könnten einmal 500.000 Tonnen Lithiumcarbonat gewonnen werden. Der Preis hat sich im vergangenen Jahr von 6.500 Dollar pro Tonne auf über 15.000 Dollar verteuert. Längst ist die Rede vom "weißen Gold", besonders in Chile und Australien. Denn dort werden 80 Prozent des weltweiten Lithiums gefördert – mit sehr geringen Produktionskosten.
Die Lithium-Konzentration im Erzgebirger Gestein ist sehr niedrig, der mechanische Abbau entsprechend kompliziert – und teuer. Was er kosten würde, will Müller nicht verraten.
"Die Konkurrenz ist natürlich groß, weil die etablierten Lithiumfirmen ihre Kapazitäten auch weiter ausbauen. Dennoch ist aufgrund der steigenden Nachfrage auch Platz für Lagerstätten wie hier in Zinnwald."

Der Lithiumabbau soll alte Bergbautraditionen wiederbeleben

Armin Müller hat Großes vor. Er will die Wertschöpfungskette regional verankern und Geschäfte mit der heimischen Chemie- und Autoindustrie prüfen. Die Bewohner aus der Region will er bei seinen Plänen mitnehmen – und bis zu 130 Arbeitsplätze vor Ort schaffen:
"Viele Einwohner von Zinnwald und Altenberg kennen noch aktiven Bergbau und kennen auch die alten Bergbautraditionen und Knappenvereine und dergleichen. Und deswegen freuen die sich alle, dass es jetzt wieder losgeht und dass hier eine große Chance besteht, dass ein neues Erzbergwerk aufgemacht wird."
Es geht raus aus dem Bergwerk. Über die Hauptstraße einen Hügel hinauf Richtung Zinnwalder Ortskern. Dort angekommen: Leere Straßen, graue Häuserfassaden, eisiger Wind. Nur in der Metzgerei herrscht reger Betrieb. Heute wurde geschlachtet, es gibt geräucherten Schinken und Wurstsuppe. Der Andrang ist groß, die Warteschlange geht bis vor die Tür.
Stoßen die Pläne von Armin Müller hier auf Wohlwollen?
"Es ist in Ordnung. Das muss ich doch als alter Bergmann begrüßen. Ich war jahrelang Schlosser unter Tage. 40 Jahre. Wenn es wieder losgeht, ist das doch gut für die Gegend."
"An und für sich bin ich dafür, weil es Arbeitsplätze bringt. Also man hofft es zumindest"
"Für die Wirtschaft ist es ja gut. Arbeitsplätze, nicht viel, aber es werden ein paar geschaffen."
Die Menschen – so scheint es zumindest in dieser Momentaufnahme – unterstützen das Vorhaben. Jetzt muss Armin Müller nur noch sein Versprechen einlösen und 130 Arbeitsplätze in der strukturschwachen Region schaffen.
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