Literaturhausleiter über Kulturpolitik in Hamburg

"Das Feld ist merkwürdig befriedet"

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Zu sehen ist der Leiter des Hamburger Literaturhauses, Rainer Moritz, der ein rotes Buch aufgeschlagen in den Händen hält.
Viel Harmonie an der Elbe: Rainer Moritz, der Leiter des Hamburger Literaturhauses, weiß die Kultur der Hansestadt in guten Händen. © picture alliance / dpa / Daniel Bockwoldt
Rainer Moritz im Gespräch mit Nana Brink · 24.02.2020
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Kultur entscheide in Hamburg keine Wahlen, sagt der Leiter des dortigen Literaturhauses Rainer Moritz. In der Stadt der Kaufleute stünden andere Fragen im Vordergrund. Doch die Weichen für kulturelle Belange seien gut gestellt.
Kultur und Politik in Hamburg? Es ist nicht allzu lange her, da schlugen die Wellen hoch, als über die Finanzierung der Elbphilharmonie gestritten wurde. "Aber da ging es weniger um die Güte der Kunst, die dort aufgeführt werden sollte, sondern es ging ums Geld", sagt der Leiter des Hamburger Literaturhauses Rainer Moritz. Das sei typisch für die Hansestadt.

Im Wahlkampf war Kultur kein Thema

"Hamburg ist eine Kaufmannsstadt, eine Wirtschaftsstadt, aber noch nie eine Stadt gewesen, in der Kultur womöglich wahlentscheidend sein könnte", so Moritz. Dementsprechend hätten kulturpolitische Themen auch im aktuellen Wahlkampf so gut wie keine Rolle gespielt.
Nach dem wenig überraschenden Votum der Wählerinnen und Wähler, das eine Fortsetzung der rot-grünen Koalition sehr wahrscheinlich macht, sei er dennoch zuversichtlich. "Was den kulturellen Sektor angeht, hat Hamburg in den letzten Jahren schlichtweg Glück gehabt", meint Moritz. Selten sei eine Stadt in kulturellen Belangen "so zielsicher geführt worden" wie Hamburg in den vergangenen zwei Jahrzehnten.

"Die Kunsthalle war die letzte offene Wunde"

Natürlich gebe es immer Finanzierungssorgen, "gerade in den kleineren kulturellen Bereichen, die nicht so im Blickpunkt stehen". Aber abgesehen davon sei "das Kulturfeld im Moment merkwürdig befriedet". Von Kunst und Kultur werde immer erwartet, "das es zündet, das es Krach oder Krawall gibt", schließlich gehöre es zur Kultur, "dass sie sich gegen das gesellschaftliche Establishment richtet".
Doch dazu gebe es derzeit in Hamburg wenig Anlass. Mit der Neubesetzung an der Spitze der Hamburger Kunsthalle sei "die letzte offene Wunde" geschlossen. Seit einer Weile habe das Haus nur noch wenig Publikum angezogen. Auf den neuen Direktor Alexander Klar, der im August 2019 die Leitung übernahm, seien nun große Erwartungen gerichtet.

Ehrenbürgerschaft für Kirsten Boie: ein wichtiges Signal

Im Hinblick auf die Spanne zwischen Hochkultur und Off-Szene attestiert Rainer Moritz dem zuständigen Senator Carsten Brosda, er habe "das weite Spektrum der Kultur durchaus im Griff". Ebenso wie schon für seine Vorgängerin im Amt, Barbara Kisseler, gelte für Brosda: "Wir haben einen Senator, der die Sprache der Kultur spricht. Das ist auch keine Selbstverständlichkeit."
Ein kulturpolitisches Thema, das seit einigen Monaten und auch im Vorfeld der Bürgerschaftswahl stärker im Blick gestanden habe als Kunstförderung im engeren Sinne, sei der Nachholbedarf in Sachen Bildung und Leseförderung. "Kurz vor der Wahl hat man mit Kirsten Boie eine Jugendbuchautorin zur Ehrenbürgerin der Stadt gemacht - ein wichtiger symbolischer Akt", so Moritz. Mit ihrer Petition "Jedes Kind muss lesen lernen" habe die Schriftstellerin eine wertvolle Initiative auf den Weg gebracht.
(fka)
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