Literatur-Zensur in der DDR

18.08.2008
Die Zensur in der DDR verhinderte das Erscheinen von Uwe Johnsons Debütroman "Ingrid Babendererde" oder Irmtraud Morgners "Rumba auf einen Herbst". Trotz der enormen Faktenfülle liest sich das Buch "Zensurspiele" spannend und kurzweilig, denn so ernst, wie die Zensur war, so kurios war sie oftmals auch.
Die DDR war reich an Dingen, die es offiziell nicht geben durfte, die aber dennoch existierten. Dazu gehörte auch die Arbeit, die von der Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel, geleistet wurde. Hinter dem Wort "Druckgenehmigungsverfahren", mit deren Erteilung das Ministerium befasst war, verbarg sich die Arbeit einer Zensurbehörde. Wie schnell ein Autor in der DDR in Konflikt mit jener Behörde geraten konnte, dies belegt eindrucksvoll das Buch der viel zu früh verstorbenen Berliner Germanistin Simone Barck und des Leipziger Professors am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaften Siegfried Lokatis. Anhand von Beispielen zeigen sie, was in der DDR nicht publiziert werden konnte und aus welchen Gründen. Eine der machtgewaltigen Frauen der "Hauptverwaltung", Carola Gärtner-Scholle, Verbot Karl Kraus‘ Zitat: "Satire, die der Zensor versteht, wird mit Recht verboten", mit der Begründung: Leser in der DDR müssen keinen Zensor "mehr fürchten".

Die Zensur war eine Einschränkung der Freiheit der Kunst, denn sie hat das Erscheinen von Büchern wie Irmtraud Morgners "Rumba auf einen Herbst" oder Werner Bräunigs "Rummelplatz" verhindert. Sie hat außerdem dafür gesorgt, dass Uwe Johnsons Debütroman "Ingrid Babendererde" in der DDR nicht erscheinen konnte und sie ist verantwortlich dafür, dass es ganze 23 Jahre gedauert hat, bis Fritz Rudolf Fries‘ Schelmenroman "Der Weg nach Oobliadooh" im Herbst 1989 in der DDR erscheinen konnte.

Durch ihr reglementierendes Eingreifen hatte die Zensur aber auch einen Anteil daran, dass Bücher in der DDR einen bedeutenden Stellenwert besaßen. Das traf insbesondere natürlich auf jene zu, die es vermocht hatten, den argwöhnischen Blicken der Zensurbehörde zu trotzen. Eher selten ließ sich die Klippe Zensur mit schonungslosem Realismus umschiffen, wie das Beispiel Bräunig zeigt, dessen Roman "Rummelplatz" auf dem 11. Plenum des ZK der SED zunächst kritisiert und dann verboten wurde, weil er das Leben der Kumpel in der Wismut zu realistisch beschrieben hat, oder das Verbot von Heiner Müllers Stück "Die Umsiedlerin" zeigt.

Subtilere Schreibtechniken wurden deshalb entwickelt: Irmtraud Morgner schrieb nach dem Verbot von "Rumba auf einen Herbst" "historische Gegenwartsromane" und unterlief die Zensur, indem sie 150 Seiten des verbotenen Textes in ihren 1974 erschienen Roman "Leben und Abenteuer der Trobadora Beatriz nach Zeugnissen ihrer Spielfrau Laura" integrierte. Der Coup blieb unbemerkt. Entweder schlief die Zensur oder die Verbotsmaßstäbe hatten sich geändert.

Die Zensur hat Autoren zerstört (Beispiel Bräunig), sie hat Autoren veranlasst, in den Westen zu gehen (Beispiel Johnson), sie hat Literatur behindert (Beispiele: Jurek Becker, V. Braun, Stefan Heym, Ch. Wolf und viele andere), weshalb sie Christoph Hein auf dem X. Schriftstellerkongreß der DDR (1987) zu recht als "überlebt, nutzlos, paradox, menschenfeindlich, volksfeindlich, ungesetzlich und strafbar" anprangerte.
Sie war ein Hindernis.

Das Buch von Barck/Lokatis nimmt die "Hürde" Zensur mit erstaunlicher Bravour und mit Leichtigkeit. In sehr lesenswert geschriebenen Texten, die von 2003 bis 2007 in der "Berliner Zeitung" erschienen sind, ist ihnen eine kurzweilige Geschichte der Zensur in der DDR gelungen. Trotz der enormen Faktenfülle liest sich das Buch spannend und es ist äußerst kurzweilig, denn so ernst, wie die Zensur war, so kurios war sie oftmals auch.

Rezensiert von Michael Opitz

Simone Barck/Siegfried Lokatis
Zensurspiele. Heimliche Literaturgeschichte aus der DDR

Mit weiteren Beiträgen von Günter Agde, Josie McLellan, Gerald Noack, Igor J. Poliansky, Hedwig Richter und Michael Westdickenberg
Mitteldeutscher Verlag/ Halle (Saale) 2008,
296 Seiten, 20 EUR