Literatur

Spöttischer Schwabe

Der deutsche Schriftsteller und schwäbische Mundartdichter Thaddäus Troll
Der deutsche Schriftsteller und schwäbische Mundartdichter Thaddäus Troll © picture-alliance/ dpa / Albert Ostertag
Von Cornelie Ueding · 18.03.2014
"Thaddäus Troll" war nur sein Pseudonym. Auf den ersten Blick verbirgt der heitere Ton der Schriften Spott und Ernsthaftigkeit. Als Thaddäus Troll wurde der Stuttgarter Hans Bayer über Baden-Württemberg hinaus bekannt.
"Große Verlage schlucken die kleinen. Folge: Die Vielfalt der Meinungen entwickelt sich zur Einfalt. Bei den Massenmedien und den Verlagen besteht fast ein Numerus clausus."
Trauriger Befund 2014? Mitnichten. Für den scharfsichtigen Autor und Publizisten Thaddäus Troll war die Monopolisierung des Kapitals und des Denkens bereits im April 1977 klar erkennbar. Am 18. März 1914 in Stuttgart-Bad-Cannstatt als Hans Bayer geboren, absolvierte er Studium und Promotion während des Dritten Reichs, bierseliges, faschistisch getöntes Burschenschaftlertum inklusive. Eine Gefahr, der sich der kreative Eigenbrötler freilich durch den Wechsel des Studienorts - von Tübingen nach München und Leipzig - rasch und konsequent entzog. Nach dem Motto, nur Versager seien für Nazitendenzen anfällig, begann er sich aus dem braunen Sumpf herauszuschreiben, arbeitete nach Kriegseinsatz und Gefangenschaft als Journalist, schrieb Texte für das Düsseldorfer Kom(m)ödchen, gründete die erste satirische Nachkriegs-Zeitschrift "Das Wespennest" und brillierte mit Satiren, Reportagen, Parodien.
Journalist und Schriftsteller
Schließlich entschied er sich, den Journalisten von dem Schriftsteller zu trennen und wählte das Pseudonym Thaddäus Troll. Nachdenklich reflektiert er selbst die eigene, durchaus widersprüchliche Rolle und seine Neigung zur Verwandlung durch Mimikry:
"Schriftsteller mit Pseudonym. Wollte er sich damit die Möglichkeit permanenten Rollenwechsels, ständiger Veränderung erhalten – oder im Gegenteil, schuf er sich damit einen Vorwand, sich nicht ändern zu müssen, indem er den einen gegen den andern in einem dauerhaften dialektischen Patt ausspielte?"
Es gebe zu viele Leute und zu wenige Menschen, meinte er, aber immer bevorzugte dieser Meister der Ironie die heiteren Töne. Er nahm den großen Vorrat der Deutschen an "beleidigten Leberwürsten" aufs Korn, mokierte sich über "aufgerüstete Titulaturen" und pries die Faulheit als Humus des Geistes, schließlich sei sie staatserhaltend und veränderungsfeindlich.
"Ich möchte gern ernst schreiben. Und ich erlebe auch viel Ernstes. Aber ich übersetze das dann eigentlich immer ins Heitere, weil ich meine, die ernsten Dinge lassen sich auf heitere Weise auch sehr viel besser sagen."
Schwäbisch als Stilmittel
Diese heitere Seite mag in Verbindung mit schwäbischen Themen und gelegentlich der Verwendung des schwäbischen Dialekts dazu geführt haben, dass Thaddäus Troll vielfach nur als gemüthafter Meister mundartlicher Kleinkunst wahrgenommen wurde. Dabei ist selbst sein größter Bucherfolg, Deutschland deine Schwaben, eine etwas verschämte und recht stachelige Liebesgeschichte - eine herbe, keineswegs anheimelnde Abrechnung mit der spezifischen giftigen Mischung aus miefiger Engherzigkeit, Geiz und selbst ernannter Ehrbarkeit, die für die Menschen im "Ländle" kennzeichnend sei:
"Uffrichtich ond gradraus – wenn ma koin Schade davo hat; gutmütich bis dortnaus – aba net, wenns ums Geld goat."
Nein, ein Mundartdichter war Thaddäus Troll sicher nicht, und noch weniger ein Lokalpatriot; freilich auch kein aggressiver Nestbeschmutzer. Eher einer, der das Nest von Verunreinigungen verschiedenster Art reinigen wollte. In welchem Genre und unter welcher Maske auch immer: Eines war und blieb er über die Jahre hinweg: gnadenloser Spötter und engagierter Aufklärer.
Spötter und SPD-Unterstützer
Ein im besten Sinne politischer Autor. 1974 scheute er sich nicht, zusammen mit Heinrich Böll und Günter Grass im Wahlkampf die SPD zu unterstützen – mit recht unbequemen Forderungen nach mehr Transparenz und Glaubwürdigkeit. Alles in allem ein Unbequemer, der eine trügerische Behaglichkeit ausstrahlte, begabt mit einem feinen Gefühl für sprachliche Nuancen. Wichtigtuern empfiehlt er für Sitzungen:
"Gebrauchen Sie oft das Wort Gut. Sprechen Sie zum Beispiel vom Gedankengut, von Streugut und Verkehrsgut beim Kongress der Straßenplaner, vom Krankengut einer Klinik und so weiter! Auch das Wesen lässt sich trefflich mit andern Wörtern vermählen, zum Beispiel Müllabfuhrwesen, Sprachpflegewesen. Und zitieren Sie bitte auch das Erlebnis! Das Naturerlebnis das Wachstumserlebnis, ob es sich nun um eine Baumschule oder einen Aktienfonds handelt."
Die sich getroffen fühlten, wehrten sich. Schon länger an Depressionen leidend, nahm er sich am 5. Juli 1980 das Leben. Nicht ohne - Meister der Inszenierung - den selbst verfassten Nachruf in die eigene Trauerfeier einzubauen und damit den Redepart des Geistlichen radikal zu kürzen.
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