Literatur

Selbstironische Tiefstaplerin

Gebäude der American Academy am Wannsee mit Gartenskulptur im Vordergrund.
Treffpunkt für große Denker und junge Talente aus Politik und Kultur: Auch Heidi Julavits war in der American Academy am Wannsee zu Gast. © picture-alliance / Berliner_Kurier / Schneider Petra
Von Brigitte Neumann · 13.01.2014
Sie hat es im amerikanischen Kulturbetrieb zu Macht und Ansehen gebracht: Die Co-Chefredakteurin von "The Believer", Heidi Julavits, spricht der Literatur heilende Kräfte zu und unterstützt als Professorin für Kreatives Schreiben den Studentinnen-Club "Women talk Feminism“.
"Eine Sache, die ich mit meiner Tochter zusammen angefangen habe, ist das hier …."
Heidi Julavits zeigt ein rotes Buch, jede Seite mit zaghaften Bleistiftzeichnungen, die Mutter und Tochter in ihren täglich verschiedenen Outfits darstellen, daneben Notizen, was beide an den jeweiligen Tagen unternommen haben. Julavits Tochter ist neun.
"Hier hat meine Tochter angefangen, sich auszuklinken. Mal macht sie mit, mal lässt sie es bleiben. Sie hängt nicht so sehr an diesem Projekt wie ich. Aber ich dachte, es könnte ein großer Spaß werden."
Heidi Julavits ist Mitgründerin und Co-Chefredakteurin der amerikanischen Literaturzeitschrift "The Believer“. Sie hat zwei Kinder geboren und fünf Romane geschrieben. Und sie ist Professorin für Creative Writing an der Columbia-University, wie ihr Mann, der Schriftsteller Ben Marcus.
"Ben gebe ich meine Manuskripte eigentlich erst, wenn ich wirklich nicht mehr weiter weiß und alle andern Leute bereits schlapp gemacht haben."
Ständiger Flirt mit dem Gegenüber
Die 45-Jährige ist auf elegante Weise sportlich, sie geht jeden Tag schwimmen. Vielleicht auch, um ihre Nervosität zu bezwingen. Sie scheint ständig mit ihrem Gegenüber zu flirten, in ihrem Gesicht ist immer Action, ihr Kopf wechselt dauernd das Programm. Es ist eine Freude, ihr beim Reden zuzuschauen.
"Ich komme aus Maine, aus der nordöstlichsten Ecke der Vereinigten Staaten. Es ist dort sehr kalt, sehr dunkel, der Winter dauert sehr lange. Mein Vater war Rechtsanwalt und meine Mutter Englischlehrerin in einer sehr armen Schule in Maine. Die Eltern ihrer Schüler arbeiteten alle in der örtlichen Papierfabrik . Und als die schloss, wurde es richtig grausig. Und sie benutzte die Literatur in ihrem Unterricht, um den Kindern zu helfen, mit den schlimmen Verhältnissen klar zu kommen."
Julavits leitet den "Believer" auch deshalb, weil Literatur so etwas wie ihre Religion ist. Und sie findet, dass Lesen eine Hilfe sein kann, um besser mit dem Leben klarzukommen.
"Lesen ist, als ob sich das Gehirn immerfort erneuert. Es bewahrt sich so die Fähigkeit, mit anderen Zeitperioden, anderen Menschen, anderen Wirklichkeiten in Verbindung zu treten. Lesen gibt mir ein wenig das Gefühl der Unsterblichkeit. Und das Gefühl, dass man doch nicht so festhängt im eigenen Körper und in der eigenen Identität."
Heidi Julavits ist Feministin. Sie unterstützt eine Gruppe von Creative Writing Studentinnen, die den Club WtF "Women talk Feminism“ gegründet haben. Denn in Amerika ist es wie in Deutschland: 95 Prozent der Romane werden von Frauen gelesen, aber die von der Öffentlichkeit beachteten sogenannten Qualitäts-Autoren sind zu 95 Prozent männlich.
"Wenn es um das Unrecht geht, das Männer den Frauen antun, da steck ich inzwischen einfach meinen Kopf in den Sand. Denn ich spüre, wenn ich das an mich heranlasse, dann ist das nicht gut."
Arbeite hart und sei präsent!
Ihr Rezept heißt: Arbeite hart und sei präsent! Und so kam sie auch an den Job, die Literaturzeitung, "The Believer" zu gründen. Oder?
"Hab ich nicht gerade eben von den Hindernissen für Frauen gesprochen. Ich kann hier eigentlich kein einziges aufzählen. Nein! Es fiel mir in den Schoß."
Julavits wirft ihre langen Haare nach hinten und lacht, dass die Zähne blitzen. Sie leistet sich diese Selbstironie, leistet es sich, tief zu stapeln und redet einfach nie von Kampf, Mühe und Qualifikation. Sondern Heidi Julavits sagt es so:
"Ich war nie im Leben zuvor Redakteurin bei einem Magazin gewesen. Aber ich war befreundet mit David Eggers, damals Chefredakteur des amerikanischen Magazins 'Esquire'. Er hatte eine meiner Kurzgeschichten abgedruckt. Eines Tages schrieb ich ihm, denn ich war entsetzt über den Niedergang der Literaturkritik in Amerika, dass wir etwas dagegen unternehmen müssten.
Er schrieb zurück: Ja, das finde ich auch. Wir sollten ein eigenes Heft herausbringen. Ich dachte, er meint damit seinen Verlag und sich. Und ich antwortete: Absolut. Das solltest du tun. Er schrieb zurück: Nein, Du. Los. Fang an."